
500 Milliarden Schulden gemacht mit einem neuen Sondervermögen – das werde man „investieren“, verspricht die wohl zukünftige Koalition, in „Infrastruktur“. Doch daran sind schon jetzt Zweifel angebracht – nicht nur, weil einige SPD-Politiker unter „Infrastruktur“ schon diverse Sozial- und andere konsumptive Ausgaben verstanden haben wollen.
Berlins Sozialsenatorin Kiziltepe forderte für die SPD bereits, man müsse auch „soziale Infrastruktur“ finanzieren. „Wir haben nichts gewonnen, wenn rund um die neu gebauten Straßen die gesellschaftlichen Spannungen weiter zunehmen“, warnte die SPD-Politikerin, die für ihre Partei auch zum Thema Arbeit und Soziales verhandeln wird.
„Deshalb müssen wir nicht nur in Beton und Waffen, sondern auch in unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt investieren“, erklärte sie dem Tagesspiegel. Diverse Sozialverbände stoßen ins gleiche Horn. Die SPD-nahe Arbeiterwohlfahrt (AWO) erklärt über ihren Präsidenten Michael Groß: „Investitionen in die soziale Infrastruktur dürfen nicht nachrangig zu Schiene, Straße und Brücken behandelt werden“.
Das 500 Milliarden Sondervermögen Infrastruktur soll ein Topf für „Investitionen“ in „Infrastruktur“ sein – wie weit man den Begriff „Infrastruktur“ bei der SPD strecken kann, ist bekannt. Was der Begriff „Investition“ im haushaltspolitischen Sinne konkret bedeutet, offenbart ein Blick in die Haushaltsgesetzgebung. Der zeigt: Mit dem offiziellen Investitionsbegriff könnte Schwarz-Rot das Geld de facto für Sozialausgaben verfeuern.
Was für den Staat „Investitionen“ sind, wird nämlich konkret durch die Bundeshaushaltsordnung und das Haushaltsgrundsätzegesetz geregelt. Beide haben die gleiche Definition. Laut dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages gelten als Investitionen:
Insbesondere der drittletzte Punkt könnte der Kniff für die Koalition sein: Darlehen des Staates können haushaltsrechtlich als Investition veranschlagt werden. In der Vergangenheit nutzte die Ampel bereits Haushaltstricks mit Darlehen, um auf undurchsichtige Art und Weise Geld zu verschieben (lesen Sie hier mehr). Schwarz-Rot will diese Methodik jetzt auf die Spitze treiben und so ihr eigenes, angebliches Investitionsvorhaben unterlaufen.
So könnte man aus dem Sondervermögen „für Investitionen“ ganz einfach hohe Millionensummen herauslösen, um sie in die sozialen Sicherungssysteme und den Wohlfahrtsstaat zu investieren. Als „Darlehen“, das zwar nominell irgendwann zurückgezahlt werden müsste, tatsächlich und politisch aber als Geldgeschenk für die klammen Kassen von Renten-, Pflege- und anderen Sozialversicherungen fungiert.
Insbesondere eine solche Bezuschussung der Rentenkasse könnte das marode System stützen und die von Schwarz-Rot vereinbarte Nicht-Senkung des Rentenniveaus damit möglich machen. Der Zusammenbruch der Kasse würde so aufgeschoben. Auch die Krankenkassen könnten auf diesem Wege noch einen Brocken aus dem Sondervermögen abbekommen.
Das erscheint naheliegend: Ihre Kassen sind notorisch leer, die Rücklagen wurden durch CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn zur Stabilisierung der Beitragszahlungen aufgebraucht. Ihre Lage könnte bald quer durch die Bank kritisch werden – was man mit Geld aus dem Sondervermögen kaschieren könnte. An den strukturellen Problemen würde das freilich nichts ändern.
Am Donnerstag beginnen die Koalitionsgespräche zwischen Union und SPD. Das „Sondervermögen Infrastruktur“ soll noch diesen Monat durch Bundestag und Bundesrat gepeitscht werden.