Spanien: Erleuchtung durch Finsternis?

vor etwa 5 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Am 28. April 2025 organisierte die spanische Regierung im königlichen Casino in Madrid, unter dem Titel „Invest in Spain“, ein sehr exklusives Event. Eingeladen waren 80 hochrangige Vertreter internationaler Konzerne. Und zwar nur diese. Assistenten oder andere Begleiter waren, genauso wie die Presse, nicht zugelassen. 22 Gäste waren eigens aus den USA angereist. Die Sicherheitsmaßnahmen, so ein Teilnehmer hinterher, seien ungewöhnlich hoch gewesen. Ziel der Regierung war, die CEOs der Konzerne zu überzeugen, in Spanien zu investieren.

Eine der wichtigsten Botschaften, die dabei helfen sollten, die Konzerne zu überzeugen, war die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des spanischen Energiesystems. Ein Modell, in dem erneuerbare Energien eine immer wichtigere Rolle spielen, und das, gerade wegen dieser Erneuerbaren, mit immer weiter sinkenden Preisen aufwarten können soll, und bei dem es, gerade wegen Wind und Solar, keinerlei Probleme gäbe.

Spanien sieht sich als Vorreiter der erneuerbaren Energie und veröffentlichte 2023 unter seiner damaligen Ministerin für ökologische Transformation und heutigen EU-Kommissarin für ökologische Transformation, Teresa Romera, einen ehrgeizigen und umfangreichen Plan. Den Plan Nacional Integrado de Energía y Clima 2023-2030, der, obwohl schon 2023 veröffentlicht, immer noch als Entwurf im Netz zu lesen ist.

In diesem Plan werden ehrgeizige Ziele genannt. So plant das Ministerium für die Transformation den Ausbau der Solar- und Windkraftanlagen. Die Stromerzeugung durch Kernkraft soll im selben Zeitraum halbiert werden. Gleichzeitig soll der Energieverbrauch gesenkt werden. Beim Verkehr, beim Transport, beim Heizen, bzw. Kühlen von Gebäuden, in der Industrie und auch als Rohstoff.

Wie immer bei Plänen sieht das alles auf dem Papier sehr schön aus, ist aber trotz der schönen Grafiken in der Wirklichkeit nicht so einfach, wenn überhaupt, umzusetzen. Das Ministerium von Ribera rechnet auch erhebliche Einsparungen vor. Das macht sich in Plänen gut, und wenn nichts draus wird, gibt es immer jemanden, dem man die Schuld in die Schuhe schieben kann.

Nun ist aber ein Leben im Wohlstand ohne Erdöl, Gas und Kohle nicht nur schwer zu erreichen, es ist unmöglich. Weder als Rohstoffe noch als Energieträger sind sie zurzeit ersetzbar. Wer wissen will warum, dem sei das Buch „Wie die Welt wirklich funktioniert“ von Vaclav Smil empfohlen, der die Gründe detailliert und überzeugend darlegt.

Auch die exklusiven Gäste und ihre Gastgeber an diesem Montag, dem 28. April, sollten bald Gelegenheit bekommen, die Auswirkungen des Klimawahns aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Und zwar just ab dem Moment, als Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo der Presse vor dem Casino die technischen und die moralischen Vorzüge der erneuerbaren Stromerzeugung erklärte. Denn genau da, ein wunderbarer Einfall göttlicher Regie, fiel der Strom aus.

Das Casino in Madrid verfügt selbstverständlich über einen durch einen Dieselmotor angetriebenen Generator. Aber der kann nur den Strom für das Notlicht im Hauptsaal und wenig andere als wichtig angesehene Stromverbraucher liefern. In den Gängen, den zum Teil fensterlosen Nebenräumen und den Toiletten war es dunkel. Dort floss auch kein Wasser mehr aus den Leitungen.

Im Hauptsaal, in dem bald das Mittagessen in Gegenwart der dritten Vizepräsidentin der Regierung und Ministerin für ökologische Transformation, Sara Aagesen, sowie des Ministers für Wirtschaft, Handel und Unternehmen, Carlos Cuerpo und des Ministers für Industrie und Tourismus, Jordi Hereu, stattfinden sollte, verkündete Staatssekretär Joan Groizard, was eigentlich alle, wenn nicht wussten, so doch ahnten: Ganz Spanien ist ohne Strom. Dann entschuldigte er sich und verließ, wie vorher schon die Minister, die Veranstaltung.

Die Führungskräfte, die noch nicht gegangen waren, folgten seinem Beispiel und gingen ebenfalls. Ohne Minister war die Veranstaltung uninteressant.

Also zu Fuß zum Hotel. Vorher reflexartige Bewegung. Telefon raus, anschalten und Google Maps aufrufen. Aber auch hier bleibt das Telefon dunkel. Auch die Server haben keinen Strom. Doch man ist schließlich Führungskraft und weiß mit Problemen, ach was, mit Herausforderungen umzugehen. Also raus auf die Straße und nach dem Weg gefragt. Glücklich der CEO, der den Namen seines Hotels und eventuell sogar die Adresse kennt.

Für jene, die alles delegiert haben, wird es schon an dieser Stelle schwer. Wie weiter, ohne Assistenten und ohne Kontakt zum Sekretariat? Dieser Gruppe bleibt nur das Warten, bis es wieder Strom gibt. Im Vorteil derjenige, der Bargeld eingesteckt hat. Er kann sich die Zeit zumindest zu Beginn mit kalten Getränken oder einem heißen Kaffee verkürzen. Aber Vorsicht, auch hier gilt es Maß zu halten, denn, wie wir bereits wissen, gibt es auf den Toiletten weder Licht noch Wasser.

Die anderen haben jetzt nach viel Fragen, manchem Umweg, zum Teil in einem Taxi, endlich ihr Hotel gefunden. Auch die Treppe zu ihrem Zimmer haben sie bezwungen, um nun an der Zimmertür zu scheitern. Ohne Strom kann man sie nicht öffnen. Also auf den Hausmeister warten. Der wiederum wird die Türe nicht öffnen, da nicht überprüft werden kann, wer welches Zimmer hat.

Aber der elektrische Strom ist nicht alles. Neben dem elektrischen Strom sind es vier andere Stoffgruppen, die für das Funktionieren einer modernen Gesellschaft unverzichtbar sind. Vaclav Smil beschreibt sie: „Es ist Zement, Stahl, Kunststoff und Ammoniak. Keiner dieser Stoffe kann heute oder in naher Zukunft durch andere Stoffe ersetzt werden. Jedenfalls nicht in globaler Größenordnung.“

„Eine der Gemeinsamkeit dieser vier Stoffe ist, gerade im Hinblick auf die angestrebten Klimaziele, besonders interessant. Ihre massenhafte Erzeugung beruht in hohem Maß auf der Nutzung fossiler Brennstoffe als Energielieferant.“ Zusätzlich liefern diese Brennstoffe wichtige Zutaten für die Synthese von Ammoniak und für die Produktion von Kunststoffen.

Die Führungskräfte durften durch den Stromausfall erfahren, zumindest in Teilaspekten, was ideologische Klimaziele im normalen Leben tatsächlich bedeuten würden. Ohne Stahl, Zement und Kunststoffe gäbe es keine Infrastruktur mehr. Eine neue könnte nicht errichtet, und die alte nicht erhalten werden. Ohne Ammoniak keine Düngung und ohne Düngung keine Lebensmittel in heutigem Umfang und Qualität.

Die Menschen müssten aus den Städten aufs Land ziehen und unter schwierigsten Bedingungen Feldarbeit leisten. Kein Traktor würde den hölzernen Pflug ziehen. Kein Pestizid würde die mühsam aufgezogenen Pflanzen vor Schädlingen und Pilzen schützen. Kein Kühlhaus könnte die Ernte länger erhalten und der Transport von erzeugten Lebensmitteln wäre, da es keine schnellen Transportmöglichkeiten mehr gäbe, auf den Radius von ein, zwei, vielleicht drei Tagesmärschen beschränkt.

Wenn der Blackout hier bewirkt hätte, dass nicht nur die in Madrid anwesenden CEOs, sondern auch andere sich einmal darüber Gedanken gemacht haben, was die Folgen der Umsetzung von Klimazielen tatsächlich bedeutet, käme das womöglich tatsächlich einer Erleuchtung gleich.

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