Spanien will Israel vom European Song Contest ausschließen

vor 8 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Es ist nur eine Anregung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Spanien (RTVE) an die Organisatoren des European Song Contests (ESC) – aber die hat es in sich. Die Zustände in Gaza müssten die Frage erlauben, ob Israel an dem Musikwettbewerb überhaupt teilnehmen dürfe, heißt es scheinheilig in dem spanischen Schreiben. Denn die spanische Gesellschaft sei besorgt, schreibt der RTVE-Direktor José Pablo López. Kein Wort verliert er darüber, dass Israels Sängerin, Yuval Raphael, am 7. Oktober 2023 stundenlang unter Toten lag, als die Terror-Organisation Hamas über den Süden Israels herfiel. Wohl kein Fall beweist es deutlicher: Das Opfer wird diffamiert und bewußt zum Täter erklärt.

Der RTVE-Brief ist kein Einzelfall. Der spanische Kulturminister Ernest Urtasun kritisierte bereits zuvor den Umgang des ESC mit politischen Themen, insbesondere nach dem letztjährigen Wettbewerb im schwedischen Malmö. Er argumentierte, viele Zuschauer seien beschämt, weil der Wettbewerb dazu missbraucht worden sei, „einen Völkermord zu vertuschen“, wie er es formulierte.

Dabei hat Antisemitismus in Spanien eine lange und unrühmliche Geschichte. Katholische Könige unterschrieben 1492 das „Edikt von Granada“, mit dem alle Juden, die sich nicht taufen lassen wollten, aus Spanien ausgewiesen wurden. Wer sich taufen ließ, wurde jedoch wurde nicht selten beschuldigt, nur zum Schein konvertiert zu sein – und wer nicht christlicher Abstammung war, wurde weiterhin Opfer von Repressionen und Diskriminierung. Historiker schätzen, dass damals 130 000 bis 300 000 Juden aus Spanien vertrieben wurden.

Nicht Israel begeht einen Völkermord, sondern nachweislich die Terror-Organisationen Hamas, Islamic Jihad und Hisbollah, um nur einige zu nennen. Sie propagieren in ihren Chartas die Auslöschung des Staates Israel und haben es am 7. Oktober versucht. 1200 Israelis, darunter Araber, Beduinen und Drusen, auch Gastarbeiter unnd Touristen wurden ermordet, vergewaltigt, gefoltert, 251 verschleppt. Israel verteidigt sich seither und versucht, die letzten 59 entführten Geiseln – über die Hälfte vermutlich bereits tot – freizubekommen.

Der Eurovision Song Contest (ESC) sollte eigentlich ein unpolitisches Musik-Event sein. Eigentlich. 2025 wird sich das schwer verwirklichen lassen, denn Israels Teilnehmerin, Yuval Raphael, ist ein Opfer des Massakers der Hamas vom 7. Oktober 2023.

Sie hat unter tragisch-unmenschlichen Umständen überlebt. Stundenlang lag sie in einem Straßenbunker unter Toten. Die Jury in Israel hat sie ausgewählt, mit ihrem Lied „New Day will Rise“ (Ein neuer Tag wird aufgehen) ihr Land beim 69. ESC zu vertreten.

Niemand kann und will sich ausmalen, was die inzwischen 24-Jährige am 7. Oktober 2023 durchgemacht hat: In Hörweite des Gaza-Streifens hatte sie auf dem Nova-Musikfestival mit Freunden die halbe Nacht durchgetanzt. Am Morgen erhielt sie auf ihrem Smartphone innerhalb weniger Minuten 40 Nachrichten. Irgendetwas war im Gange, dachte sie sich, aber die Ex-Soldatin der Israel Defence Forces (IDF) war noch nicht beunruhigt. In dieser Region fliegen immer wieder Raketen. Doch dann kam die dringende Aufforderung, das Festival sofort zu verlassen.

Sie stieg mit Freunden ins Auto, irrte durch die Gegend, bis sie von anderen, die auch auf der Flucht waren, erfuhr, dass arabische Terroristen auf alles schießen würden, was sich bewegt. Irgendwann sprang sie aus dem Auto und verschanzte sich mit weiteren geschätzt 50 Festivalbesuchern in einem der betonierten Straßenbunker, die in der Region seit langem zahlreich aufgestellt sind. Alle hofften an jenem Samstag, dass bald Sicherheitskräfte auftauchen und dem Spuk ein Ende bereiten würden. Stattdessen dauerte die Hölle an – für Yuval Raphael schier endlos lange acht Stunden.

„Meine Freundin Hadar lag tot da, teilweise auf mir“, erzählt Yuval und unterstreicht ihre Worte im israelischen Fernsehen immer wieder mit Handbewegungen. Die Terroristen tauchten mehrfach in dem Bunker auf, schossen um sich und warfen Handgranaten. „Es waren keine Maschinengewehr-Salven, es machte Bumm, Bumm, Bumm und danach war es immer ruhig“. Irgendwann spürte sie wie ihr „rechtes Bein anschwoll und schrecklich wehtat“, aber sie folgte dem Rat ihres Vaters, der sie beschwor, nicht aufzustehen. „Bleib liegen, stell dich tot, wir kommen und holen dich, hab Vertrauen“, flüsterte es aus ihrem Handy.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, stand tatsächlich ein Mann im Bunker mit einer Waffe, die auf den Ausgang gerichtet war und schrie: „Steht auf, wir sind eure Rettung“. Worte, die Yuval nie vergessen wird.

Monate später singt Yuval Raphael im Studio in Tel Aviv vor einem Publikum, das sich fragt, woher diese Frau die Kraft nimmt:

„Ein neuer Tag wird aufgehen Das Leben geht weiter alle weinen wir weine bitte nicht allein Das Dunkel geht vorbei Der Schmerz wird nachlassen Ich wähle das Licht Und wir bleiben zusammen für immer auch wenn Du goodbye sagst“,

heißt es in ihrem gemischt englischen, französischen und hebräischen Liedtext.

Ihre Stimme ist eine Mischung aus Wehklagen, Hoffnung und Zuversicht, die eine Klangfarbe erzeugt, der man sich nach Meinung der Jury und des Publikums nicht entziehen kann. Wird es aber überhaupt zu einer Beurteilung ihres beseelten musikalischen Könnens kommen? Allein das Wort „Israel“ ist inzwischen so sehr belastet, dass man gewalttätige Demonstrationen im Umfeld der Jakobshalle, wo das ESC-Finale in Basel stattfinden wird, nicht ausschließen kann. Diese Stimmung wird durch den Brief der RTVE aufgeheizt.

Ausgerechnet in Basel, wo im Sommer 1897 der erste Zionistische Weltkongress unter Leitung von Theodor Benjamin Herzl stattgefunden hat. Damals wurde der unwirkliche Grundstein für die Wiedergründung des Staates Israel gelegt, der heuer trotz allem stolz sein 77. Jubiläum feiern kann. Ausgerechnet in einer Event-Halle, die nach dem Apostel Jakobus benannt ist, und die somit einen jüdischen Namen trägt. Und ausgerechnet ein Frau namens „Raphael“ überlebt das Massaker und singt ihren Schmerz und ihre Hoffnung hinaus in die Welt des ESC. Übersetzt heißt ihr Name: Gott heilt.

Die ESC-Organisatoren wollen offensichtlich einer politischen Konfrontation aus dem Weg gehen und antworten zurückhaltend diplomatisch: „Wir begrüßen die Tatsache, dass die spanische Rundfunkbehörde ihr Engagement für den Eurovision Song Contest bestätigt und sind uns bewusst, dass es hinsichtlich des aktuellen Konflikts im Nahen Osten tiefe Besorgnis und unterschiedliche Meinungen gibt“. Yuval Raphael Lied steht bei den Wettbüros aktuell auf Platz 4, der spanische Song “Esa Diva” abgeschlagen auf dem 28. Rang, weit hinter Israel. Zero oder douze points – das ist die Frage, vor der die 37 Final-Länder am 17. Mai in Basel stehen. Man darf gespannt sein wie Spanien seine Punkte verteilt.

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