
Die Politik hat den Herstellern für grünen, also größtenteils CO2-frei produzierten Stahl, den roten Teppich ausgerollt – mit Subventionen und viel ideologischem Pathos sollte eine große grüne Fiesta starten. Doch mit ArcelorMittal ist der erste große Gast der Party abgesprungen, noch bevor es richtig losgehen konnte. Offenbar führt der rote Teppich nicht zur glanzvollen Zukunft klimaneutraler Industrie, sondern geradewegs in die kalte Realität des globalen Wettbewerbs. Und dort wartet keine Party, sondern eine knallharte Kostenrechnung.
In einem Land, das sich mit der stur durchgepeitschten Klimawende ökonomisch selbst aus dem Spiel genommen hat, sollte das defensive Investorenverhalten niemanden wundern. Zentral geplante Dekarbonisierung bedeutet in erster Linie Deindustrialisierung.
Die Fakten sind unbestechlich: Die grüne Wende ist für jedermann sichtbar gescheitert, die Industrie zieht sich auf breiter Front aus dem ideologischen Stahlgewitter Deutschlands zurück. Die grüne Transformation hat den Steuerzahler Billionen Euro gekostet und nichts hinterlassen als einen Scherbenhaufen aus Regulierungen und eine Energiekrise, die die deutsche Industrie weitgehend aus ihrer Wettbewerbsposition katapultiert hat. Es wäre nachgerade absurd, von der Wirtschaft unter diesen Bedingungen einen Treueschwur zum deutschen Standort zu erwarten: Grüner Pathos schreibt den Firmen messbaren Substanzverlust in die Bilanz. Die reagieren mit der Kostenschere und strichen in den vergangenen 12 Monaten 120.000 Jobs allein in der Industrie.
Und es ist vor allem die deutsche Politik, die sich hartnäckig in der Phase der Ignoranz und Verweigerung eingerichtet hat. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch liefert dafür ein Paradebeispiel: Nach dem Rückzug von ArcelorMittal, das eine staatliche Subvention von 1,3 Milliarden Euro zur Produktion von grünem Stahl ausgeschlagen hat, fordert er nun allen Ernstes einen Stahlgipfel – eine politisch verursachte Strukturkrise soll also durch eine Schönwetterveranstaltung mit wohlfeiler Politprosa bewältigt werden. Vielleicht sollte man die nächste Runde der Klimaregulierung vorziehen und hoffen, dass der Eingriff den delirierenden Patienten wieder auf die Beine stellt.
Wie ein Roulettespieler, der unablässig auf dieselbe Farbe setzt und bei jeder Verlustrunde den Einsatz verdoppelt, weigert sich auch Miersch, das Offensichtliche zur Kenntnis zu nehmen: Der grüne Stahl ist kein Zukunftsprojekt, solange der Standort energiepolitisch nicht wettbewerbsfähig ist. Doch statt den Spieltisch zu verlassen, verlangt er höhere Einsätze. Realitätsverweigerung als Prinzip, Subventionen als Mittel der Selbsttäuschung.
Miersch fordert nun einen „Plan zum Erhalt der Produktion von grünem Stahl“, ganz so, als stünde der Bund nicht bereits mit Milliarden Subventionen in dieser Industrienische der grünen Transformation bereit. Es handelt sich um eine altbekannte Melodie: Staatliche Interventionen, Subventionen, Gipfelrunden – ein Rezept, das seit Jahrzehnten versucht wird und selten nachhaltig wirkt. Die SPD argumentiert mit Arbeitsplatzsicherung und dem Schutz vor chinesischer Abhängigkeit.
Und der scheint noch immer hart im Nehmen. Im vergangenen Jahr versprach die Bundesregierung der Stahlbranche einen Milliardenregen zum grünen Umbau der Produktion. Allein für ArcelorMittal waren 1,3 Milliarden Euro an Fördermitteln vorgesehen – für die Standorte Bremen und Eisenhüttenstadt, eingebettet in ein Gesamtprojekt mit einem Volumen von 2,5 Milliarden. Doch der Konzern winkte ab, da selbst diese Summe den Wettbewerbsnachteil am Standort nicht kompensieren konnte.
Anderswo dreht sich das große Fördermittelrad weiter. ThyssenKrupp Steel in Duisburg kassiert rund 2 Milliarden Euro, die Salzgitter AG rund 1 Milliarde, und die Stahl-Holding-Saar (SHS) wird mit sage und schreibe 2,6 Milliarden für ihr Experimentierfeld „grüner Stahl“ bedacht. Weshalb sollte man Fördermittel ausschlagen, wenn niemand so recht weiß, was auf ihrem Weg durch Raum und Zeit als nächstes geschieht?
Es ist ein bemerkenswerter Akt der Realitätsverweigerung und ein erschreckend leichtfertiger Umgang mit öffentlichen Mitteln, der Bände spricht. Politik ist nicht mehr unabhängiger Schiedsrichter auf den Kräftefeldern unserer Gesellschaft. Sie stilisiert sich zum omnipräsenten Spielmacher und Gestalter des Geschehens. Und sie nimmt dabei nicht nur milliardenschwere Subventionsspiralen in Kauf, die Deutschland ökonomisch ausbluten. Sie schafft regelrechte schwarze Löcher im Staatshaushalt – und entzieht zugleich dem freien Kapitalmarkt die Mittel, die notwendig wären, die schlimmsten Verwerfungen dieser Katastrophenpolitik zu lindern.
Es ist also davon auszugehen, dass sich fürs Erste nichts am politischen Kurs ändert. Die Union, einst Advokat der Sozialen Marktwirtschaft und anti-interventionistisches Korrektiv in der Regierungspolitik, hat sich der zunehmenden Tendenz der Sozialisierung der Ökonomie unterworfen. Kritiklos und in der Sache ohne Substanz winkt die Fraktion von CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz den immer weiter reichenden Interventionismus der Sozialdemokraten durch.
Es ist merklich still geworden im Land der Klimawandler. Eine marktwirtschaftliche, geschweige denn libertäre Opposition findet in dieser Atmosphäre kein Gehör. Ihre Argumente vom Minimalstaat, vom Rückbau des alles erstickenden Wohlfahrtswesens, der Kontrolle, der aus dem Ruder gelaufenen Migration und der Rückkehr zu privatwirtschaftlichen Schutzsphären gleicht einer Provokation des paternalistischen Status quo. Ihre Stimmen dringen weder in die Berichterstattung noch in den parlamentarischen Diskurs vor. Der Meinungskorridor ist schmal geworden – zu schmal, um ihn als einen demokratischen Flur zu beschreiben.