„Im Ergebnis nicht demokratisch“: Verfassungsrechtler fordert bei Richterauswahl Beteiligung aller Parteien

vor etwa 24 Stunden

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Der Verfassungsrechtler Rupert Scholz betrachtet das Auswahlverfahren für die Richter des Bundesverfassungsgerichts als „im Ergebnis nicht demokratisch“. Durch den Ausschluss der AfD fehle es dem Bundesverfassungsgericht heute an „demokratischer Grundlegitimation“, argumentiert der frühere CDU-Politiker in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Denn derzeit kommt es im Deutschen Bundestag zu folgender Problematik: Obwohl AfD und Die Linke seit vielen Jahren in Fraktionsstärke vertreten sind, werden beide Parteien bei der Suche nach neuen Verfassungsrichtern übergangen. Da bislang auch ohne Beteiligung ihrer Parlamentarier die nötige Zweidrittelmehrheit im Bundestag erreicht werden konnte, kam es darüber jedoch nie zum offenen Konflikt – doch das hat sich jetzt geändert.

Zum Verständnis: Bundestag und Bundesrat wählen jeweils acht Verfassungsrichter. Bisher verteilen die Parteien die (informellen) Vorschlagsrechte im Bundestag wie folgt: Auf die Union entfallen zwei, für die SPD sind es drei, die Grünen erhalten einen Vorschlag und die FDP zwei. Das grüne Vorschlagsrecht hatte vor 2001 die SPD inne, die beiden Vorschlagsrechte der FDP waren vor 2010 beziehungsweise vor 2023 für die Union vorgesehen. Von 1972 bis 2001 waren die vom Bundestag gewählten Richter des Verfassungsgerichts paritätisch von Union und SPD vorgeschlagen worden. An dieser Stelle wurden also schon in jüngerer Vergangenheit Änderungen vorgenommen.

Inzwischen haben sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag aber so geändert, dass zwingend Stimmen aus mindestens einer der beiden jüngeren, bislang unbeteiligten Fraktionen für die Verfassungsrichterwahl benötigt werden. Dennoch hält insbesondere die SPD, unterstützt von Union und Grünen, an ihrem überkommenen Anspruch, drei Richter vorschlagen zu dürfen, fest.

Zwei Reformvarianten hält Scholz hingegen für „gleichheits- und demokratiegerecht“: Entweder müsse man die Vorschlagsrechte den aktuellen Mehrheitsverhältnissen anpassen. Oder die Zuteilung von Vorschlagsrechten müsse generell fallengelassen werden.

Eine Aktualisierung der Vorschlagsrechte liefe für Scholz auf den Schlüssel 3-2-2 für Union, AfD und SPD hinaus. Der achte Bundestagsrichter würde dann alternierend von den beiden kleinen Bundestagsparteien (also Grüne und Die Linke) vorgeschlagen. Ein Vorschlagsrecht für die aus dem Parlament ausgeschiedene FDP zu bewahren, hält der Verfassungsrechtler für „schlicht absurd“.

Scholz favorisiert allerdings erkennbar, ganz von Vorschlagsrechten abzusehen. Damit stiege zwar die „Unsicherheit im Verfahren“; dem „Gleichheitssatz“ und dem „Demokratiegebot“ würde man so aber am besten gerecht. Der frühere Vorsitzende des Justizausschusses im Bundestag impliziert damit einen Anspruch aller Fraktionen, Vorschläge für die Besetzung des Gerichts unmittelbar im Plenum des Bundestages zu stellen – ohne den Filter des Richterwahlausschusses. Unterbliebe eine derartige Reform, könnten AfD oder Die Linke laut Scholz die Wahlen anfechten und eine Änderung des Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht selbst einklagen.

Den Ausweg, Verfassungsrichter mit einfacher Mehrheit zu wählen, lehnt Scholz ab. Das „Zweidrittelverfahren“ sorge für „vernünftige Kompromisse“ und „politisch neutrale Persönlichkeiten“. Die Idee, wie schon jetzt in manchen Bundesländern vom Erfordernis der Zweidrittelmehrheit abzuweichen, hatte Markus Söder in die Debatte eingebracht. Da bei der verfassungsrechtlichen Verankerung einzelner Strukturmerkmale des Gerichts im letzten Jahr bewusst kein Quorum ins Grundgesetz aufgenommen wurde, ist eine einfachgesetzliche Änderung der Mehrheitserfordernisse jederzeit möglich.

Rupert Scholz war seit 1972 als Professor tätig, zunächst in Berlin, später in München, wo er 2005 emeritiert wurde. Er ist Herausgeber eines maßgeblichen Grundgesetzkommentars (Dürig/Herzog/Scholz) und seit 1983 Mitglied der CDU. Er gilt als einer der profiliertesten Verfassungsrechtler Deutschlands.

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