
Man sieht die Gesichter, und eigentlich reicht es einem schon wieder. Bei Markus Lanz sitzen sie nach der Sommerpause, als wäre nichts gewesen: die vermeintlich klügsten Köpfe des Parteien- und Mediensystems. Paul „Lord Helmchen“ Ronzheimer darf uns mal wieder die Ukraine erklären, er ist schließlich Träger des ukrainischen Verdienstordens dritter (sic!) Klasse. Matthias Miersch von der immer weiter abstürzenden SPD darf über Donald Trump urteilen. Und als dann noch Washington-Korrespondent Elmar Theveßen vom Monitor herunterlacht, ist der Abend schon wieder gelaufen.
Fast eine Stunde lang diskutiert die Runde über das Alaska-Treffen zwischen Donald Trump und Vladimir Putin. Kurzweiligster Unterbrecher ist dabei ein Einspieler, der den fatalistischen Auftritt und die süßholzigen Phrasen der europäischen Staats- und Regierungschefs destilliert. Ein Panoptikum der Peinlichkeiten, eine Aneinanderreihung all der Unterwürfigkeit, mit denen sich Macron, Starmer, Merz, Rutte, Meloni und von der Leyen bei Trump einzuschleimen versuchten. Erst in dieser Konzentration wird die tragische Rolle deutlich, in der sich der Rest der Welt gerade zurechtfinden muss, während die USA und Russland einfach mal miteinander sprechen.
An diesen Gesprächen lässt die Runde bei Lanz selbstverständlich kaum ein gutes Haar. Elmar – „Joe Biden ist geistig topfit“ – Theveßen versteigt sich dabei wieder zu besonders absurden Aussagen. Der umstrittene US-Korrespondent wirft tatsächlich die These auf, Trump habe sich von Putin offenbar Befehle abgeholt. Und dass der Russe beim Ami in dessen gepanzerter Staatskarosse mitfahren durfte, sei auch so ein Ding, das gar nicht geht, denn „vieles da drin unterliegt der Geheimhaltung, da dürfte er ihn gar nicht mit reinnehmen“. Als ob man auf dem Polstersitz mehr ausspionieren könne als die Funktionsweise der Fensterheber oder den Verschluss der Champagner-Bar.
Matthias Miersch qualifiziert sich an diesem Abend für das offizielle SPD-Charme-Triumvirat mit Ralf Stegner und Saskia Esken. Er findet es gut, dass die Europäer alle nach Alaska geflogen sind, um wie eine Horde Pennäler vor dem Schreibtisch des US-Präsidenten zu sitzen, „weil die Europäer einfach dabei gewesen sind, und das ist auch zentral, weil die das nicht unter sich ausmachen“. Eva Quadbeck hingegen ist der Meinung, „dass die Europäer mehr Staffage sind“. Die Chefredakteurin des Redaktionsnetz-werks Deutschland RND (gehört zur Verlagsgesellschaft Madsack und ist damit über das Medienbeteiligungsunternehmen Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft zu 23,1 Prozent im Besitz der SPD) hebt zu einer Lobhudelei auf die Altkanzlerin an: Angela Merkel sei „eine erfahrene Staatsfrau“ gewesen. Sie habe sowohl Trump als auch Putin „entsprechend begegnen“ können „und hatte auch ‘ne Autorität“. Lanz lässt ein Foto einspielen, auf dem sich Merkel geradezu vor Trump aufbaut. Den US-Präsidenten bezeichnet er als „Kriegsverbrecher, ein Angeklagter, ein Gesuchter“. Auf der nach oben offenen Bashing-Skala hat der Moderator damit wieder spielend sein altes Niveau erreicht.
Die Runde spekuliert, ob Putin wohl Trump irgendwie „in der Hand haben“ könnte, weil der von seiner Forderung nach einem Waffenstillstand abgerückt ist. Und Theveßen findet es sehr mysteriös, dass Trump gegen die Briefwahl sei und auch darüber mit Putin gesprochen habe. „Man hat den Eindruck, er hört sogar auf Putin.“ CNN-Korrespondent Frederik Pleitgen geht noch weiter. Er glaubt, dass Putin es „geschafft hat, Trump fast komplett in eine andere Richtung zu drehen“.
Die Sendung versinkt wieder in ihrem altbekannten Negativ-Karma. Erst als der US-Vize-Präsident JD Vance oder der russische Außenminister Sergej Lawrow eingespielt werden, beschleicht den Zuschauer der Eindruck, da kommen erstmals Menschen von Format zu Wort. Ronzheimer konstatiert derweil: „Lawrow schafft es mit diplomatischer Kunst, Trump vor sich herzutreiben.“ Auch Miersch hat noch etwas kryptischen Senf dazu zu geben: „Wir sehen bei Trump ja auch eine gewisse Eruption.“
Wie wenig Substanz die Redebeiträge des SPD-Fraktionsvorsitzenden haben, zeigt sich, als es um mögliche deutsche Soldaten in der Ukraine geht. Da beißt sich Lanz richtig an Miersch fest. Doch der hat minutenlang nicht mehr als hohle Phrasen im Köcher: „Das wird jetzt Gegenstand der Verhandlungen sein“, sagt er. Man solle nicht den dritten Schritt tun, wenn man noch nicht mal den ersten getan habe. „Auch das ist eine Formulierung die habe ich in den letzten Tagen von Ihnen öfter gehört“, raunzt Lanz. „Ich geb’ mich damit nicht zufrieden.“
Muss er aber, leider. „Ich halte es für unseriös, jetzt hier in irgendeiner Form zu philosophieren“, palavert Miersch weiter. Lanz: „Das ist nicht Philosophieren.“ Miersch: „Ja, aber die Szenarien, die Rahmenbedingungen sind hoch unsicher. Und insofern gehe ich davon aus, dass über all diese Dinge jetzt mit den Europäern, aber auch mit den Amerikanern diskutiert wird.“ Lanz bohrt weiter, findet aber nichts. Miersch: „Ich kann nicht sagen, Deutschland wird sich auf diese und diese und diese Weise beteiligen, dazu sind viel zu viele Unbekannte.“ Lanz: „Sie schließen es nicht aus.“ Miersch: „Das kann ich nicht.“ Lanz: „Es ist also denkbar.“ Miersch: „Ich kann augenblicklich hier mich nicht hinstellen und sagen: So sieht die Lösung aus. Das wäre unseriös. Das wäre aus meiner Sicht auch verantwortungslos.“
Klarer ist da zumindest Theveßen in seinen Äußerungen. Trump schicke sich gerade an, „die amerikanische Demokratie, wie wir sie kennen, abzuschleifen.“ Und: „Wir haben dann möglicherweise einen Bündnispartner, der sich verabschiedet aus der Wertegemeinschaft, die wir als Europäer haben.“ Pleitgen warnt sogar vor guten Beziehungen zwischen Trump und Putin: „Ich glaub schon, dass die Europäer da wirklich sehr drauf achten müssen, dass jetzt hier wirklich ‘ne – ich will jetzt nicht sagen ‘ne Freundschaft entsteht, aber es schon so ist, dass diese beiden schon sehr gut miteinander können. Das kann schon sehr große Konsequenzen für Europa auch haben.“
Ronzheimer grätscht sofort rein. Man dürfe jetzt nicht beide Seiten „komplett gleichsetzen“. Die USA seien ja immer noch eine Demokratie. Das sieht wiederum Quadbek anders. Für sie ist klar, „dass die Amerikaner zwar keine Autokratie sind, aber auf eine kompetitive Autokratie zusteuern könnten. Es gibt noch den Schein von Demokratie, es gibt Wahlen. Auf dem Papier gibt es noch vieles, aber in Wahrheit ist halt einer da, der alles dominiert. Und das ist sehr weit weg von dem, wie in europäischen Demokratien Politik gemacht wird.“ Und sie setzt noch einen drauf. Das unterwürfige Auftreten der Europäer in Alaska hält sie für angebracht und konsequent. „Da muss man, um eine Brücke zu bauen, eben diese Schleimspur legen.“
Mit der Themensetzung hält es Lanz an diesem Abend wie Friedrich Merz: Innenpolitik spielt eine untergeordnete Rolle, das eigene Land kommt erst gegen Ende der Sendung kurz aufs Tapet. Immerhin lässt sich Miersch hier zu einer interessanten Aussage beim Thema Richterwahl am Bundesverfassungsgericht verleiten: Katarina Barley, deren Name nach der gescheiterten Frauke Brosius-Gersdorf in den vergangenen Tagen gehandelt wurde, ist aus dem Rennen. „Sie müssen mit Frau Barley nicht kalkulieren“, sagt Miersch. Warum eine Splitterpartei wie die SPD überhaupt Anspruch auf die Besetzung von vier Richterplätzen erhebt, wird an diesem Abend nicht diskutiert. In den Augen Quadbecks ist die ganze Debatte um die Wahl von Verfassungsrichtern ohnehin nur „eine Belästigung der Bevölkerung“.
Belästigung. So gesehen, hätte es prima in die Sendung gepasst.