
Die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Carmen Wegge, fordert gegenüber der taz am Donnerstag: „Aus unserer Sicht sollten öffentliche Krankenhäuser verpflichtet sein, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen“. Das müsse ihrer Meinung nach auch für konfessionelle Krankenhäuser gelten, wenn diese öffentlich finanziert werden. Konfessionelle Krankenhäuser sind meistens in christlicher Trägerschaft. Laut der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland waren 2021 ein Drittel aller Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft.
Die Versorgungslage für ungewollt Schwangere sei „dramatisch“, sagte Wegge. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags teilte 2020 in dem Schreiben „Zum Weigerungsrecht von Krankenhäusern, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen“ mit, dass kirchliche Träger von Krankenhäusern festlegen dürfen, dass in ihren Einrichtungen keine Abtreibungen angeboten werden. Für öffentlich-rechtliche Krankenhäuser gilt das nicht. Außerdem besteht für einzelne Ärzte die Möglichkeit, sich aus Gewissensgründen zu weigern, eine Abtreibung durchzuführen, wenn das Leben der Schwangeren nicht akut gefährdet ist.
Die SPD-Politikerin Wegge geht mit ihrer Forderung also deutlich über den Status quo hinaus. Weiter setzt sie sich dafür ein, dass die Kosten von Schwangerschaftsabbrüchen vermehrt von Krankenkassen übernommen werden, wie die taz berichtete. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Wir erweitern dabei die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung über die heutigen Regelungen hinaus“.
Dazu müsse Wegges Meinung nach die Abtreibung in den ersten zwölf Wochen entkriminalisiert werden. Denn aktuell übernimmt die Krankenkasse die Kosten nur, wenn die Schwangerschaft die Folge einer Vergewaltigung ist oder wenn die Gesundheit der Schwangeren gefährdet ist.
Um die Frage, ob Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft Schwangerschaftsabbrüche anbieten müssen, gibt es immer wieder Streit. Erst am 8. August hatte das Arbeitsgericht Hamm entschieden, dass ein christliches Krankenhaus in Lippstadt dem Chefarzt der Gynäkologie die Anweisung erteilen durfte, Schwangerschaftsabbrüche nur noch dann durchzuführen, wenn eine akute Todesgefahr für die Schwangere besteht. Das geht aus der Pressemitteilung des Gerichts hervor.
In allen anderen Fällen darf in dem großen christlichen Krankenhaus, das aus der Fusion dreier christlicher Krankenhäuser hervorging, keine Abtreibung durchgeführt werden. Das Verbot der Schwangerschaftsabbrüche gilt auch für die Nebentätigkeit des Arztes in einer privaten Praxis. Der Chefarzt will gegen das Urteil Berufung einlegen.
Im Jahr 2016 ordnete die Leitung der Kreisklinik Schaumburg an, dass ab April 2017 keine Abtreibungen wegen der sozialen Indikation mehr durchgeführt werden dürfen. Soziale Indikation bedeutet, dass die Schwangere wegen ihrer Lebensumstände das Kind nicht austragen will. Drei kleine Krankenhäuser waren zu einem großen Krankenhaus unter christlicher Trägerschaft fusioniert. Damals hatte die Süddeutsche Zeitung darüber berichtet. Letztlich einigte sich der Träger Agaplesion mit dem Landkreis darauf, dass externe Ärzte in einem angeschlossenen ambulanten Zentrum Abtreibungen durchführen dürfen.