SPD und Union zweifeln an sich selbst: Wie belastbar ist die Regierung?

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Die berühmten 100 Tage, die man einer neuen Regierung geben soll, gehen am Donnerstag zu Ende. Doch eigentlich macht diese Schonfrist ohnehin nur Sinn, wenn die Handelnden um Zeit bitten, sich Dinge anschauen zu können, bevor sie diese verändern. Wer aber wie CDU, CSU und SPD noch vor Amtsantritt das Land mit weiteren 850 Milliarden Euro überschuldet, kann schlecht sagen: Gebt uns ein wenig Zeit, um zu sagen, ob das eine gute Idee war.

Zwei herbe Niederlagen hat diese Regierung schon in ihren ersten 100 Tagen kassiert. Zum einen die gescheiterte Wahl von Friedrich Merz (CDU) zum Kanzler im ersten Wahlgang. Nun die verpatzte Richterinnenwahl. Das Drama ist zum einen mit dem „freiwilligen“ Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf noch nicht beendet – und es zeigt zum anderen, dass die Koalitionspartner sich in schwierigen Fragen nicht einigen können: „Vielleicht fragen sich einige von euch, wie belastbar diese Koalition überhaupt noch ist.“

Das nicht. Die Entscheider waren am Morgen danach eher bemüht, den Motorschaden Brosius-Gersdorf runter zu spielen. Sie wollen an der Koalition festhalten. Aus Mangel an Alternativen. Oder richtiger: wegen der Alternative, der Alternative für Deutschland (AfD). Merz hat vor Amtsantritt nicht zu Unrecht festgestellt, dass diese Regierung funktionieren müsse, wenn die größte deutsche Oppositionspartei nicht noch weiter wachsen solle. Ein so frühes Scheitern würde die AfD stärker machen und dem Bündnis Sahra Wagenknecht eine Chance geben, die knappe Niederlage vom Februar wettzumachen.

Doch schon jetzt reicht es in den Umfragen nicht mehr für eine Mehrheit für das, was sich früher mal zu Recht die „große Koalition“ genannt hat. Würden diese Umfragen zu einem Ergebnis werden, dann gebe es drei Möglichkeiten: Die Union lässt die „Brandmauer“ einstürzen und arbeitet mit der AfD zusammen. Das ist, Stand jetzt, die unwahrscheinlichste Möglichkeit. Oder SPD, Grüne und Linke bilden eine linke Minderheitsregierung, indem sie CDU und CSU zwingen, diese der „Brandmauer“ wegen mitzutragen. Bei dem jetzigen „Kopf an Kopf“-Rennen im linken Lager wäre sogar eine Kanzlerschaft von Heidi Reichinnek in dem Fall ein Thema. Am wahrscheinlichsten wäre aber die dritte Möglichkeit: eine Koalition von Union, SPD und Grünen. Kurzum: Die Koalition würde mit einer Neuwahl ihre Situation verschlimmern, statt sie zu verbessern.

Wie soll das erst werden, wenn die Koalition das Bürgergeld reformiert? Versucht, die Lohnnebenkosten durch Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zu senken – oder wenigstens ihren Anstieg zu bremsen. Bürokratie abschaffen, während die Koalition doch selbst die Tendenz hat, Bürokratie massiv aufzubauen. Die Verwaltung digitalisieren, woran drei Kanzler bereits gescheitert sind. In keinem von diesen Punkten scheinen sich CDU, CSU und SPD einigen zu können. Schon gar nicht, wenn Spahn und Miersch die Männer sind, die diese Einigung herbeiführen sollen.

Die Regierung setzt auf ihre Kommissionen. Die sollen all die Grausamkeiten vorschlagen, sodass die Regierung nicht dafür verantwortlich ist. Ernsthaft. Das ist die Kommunikations-Strategie von CDU, CSU und SPD: Wählt mich als euren starken Mann! Ich bringe euch zwar nichts als Leid, kann aber nichts dafür, weil die Kommissionen das halt so wollen – und außerdem bin ich besser als die AfD, weil… die AfD ist böse. Über diese Brücke wollen Merz, sein Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) und sein Schattenkanzler Markus Söder (CSU) tatsächlich gehen. Spoiler: Diese Brücke trägt nicht.

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