Sie lachten schadenfroh in CBS-Doku: Staatsanwaltschaft Göttingen verschickt dicke Reichsbürger-Akte an falschen Adressaten

vor 5 Tagen

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Bildquelle: NiUS

Es ist ein hochbrisantes und zugleich peinliches Versehen: Die Staatsanwaltschaft Göttingen, die bundesweit als Vorreiterin bei der harten Verfolgung sogenannter „Hate Speech“ gilt, hat eine umfangreiche Gerichtsakte an den falschen Empfänger geschickt. Es handelt sich um eine schwere Datenschutzpanne.

Nach NIUS-Informationen handelt es sich um die Akte eines sogenannten Reichsbürgers – ein dickes Schriftstück, das zahlreiche höchstpersönliche und sensibelste Daten enthält. Gelandet ist dieses Konvolut ausgerechnet bei einer Person, die selbst schon mehrfach im Visier ebenjener Staatsanwaltschaft stand. Der Mann, der anonym bleiben möchte, hatte in der Vergangenheit Auseinandersetzungen mit den Behörden, unter anderem weil er Grünen-Politiker beleidigt haben soll. Dafür musste er Bußgelder zahlen – und ist daher alles andere als gut auf die Staatsanwaltschaft zu sprechen. Diese hat die Fehlzustellung gegenüber NIUS bestätigt. „Die Umstände, die letztlich zu der irrtümlichen Zustellung der Akten an Herrn [...] geführt haben, werden derzeit intern geprüft“, hieß es weiter.

Besonders brisant: Die fehlgeleitete Akte enthält zahlreiche intime und persönlichkeitsrechtlich geschützte Informationen – nun liegt sie einer völlig unbeteiligten Privatperson vor. NIUS liegen Beweise vor, die bestätigen, dass es sich tatsächlich um eine Verwechslung handelt: Der Mann, der die Unterlagen erhielt, ist nicht identisch mit der in der Akte behandelten Person.

Juristisch stellt das ein gravierendes Datenschutzversagen dar – insbesondere im Lichte von Artikel 5 und 32 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die übermittelten Inhalte umfassen sensible personenbezogene Daten: Kontoverbindungen, Steuerangaben, Angaben zu Liquiditätsengpässen und geschäftliche Interna. Dass diese Informationen irrtümlich an einen Dritten übermittelt wurden, erfüllt die Kriterien einer meldepflichtigen Datenschutzpanne. Die verantwortliche Stelle – mutmaßlich eine Landesförderbank oder ein Wirtschaftsministerium – ist verpflichtet, den Vorfall binnen 72 Stunden an die Datenschutzaufsicht zu melden und unter Umständen auch die betroffene Person zu informieren.

Es handelt sich nicht lediglich um einen Verwaltungsfehler, sondern möglicherweise um eine Verletzung der Vertraulichkeitspflicht (§ 203 StGB) oder um einen Schadensersatzanspruch nach § 82 DSGVO. Für den Betroffenen kann daraus ein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz erwachsen – insbesondere dann, wenn geschäftskritische Daten unkontrolliert weitergegeben wurden.

Die Staatsanwaltschaft Göttingen ist international kein unbeschriebenes Blatt. In den USA hatte sie bereits einen viel beachteten Auftritt in der CBS-Sendung „60 Minutes“, wo sie samt ihrer Praxis vorgestellt wurde, Verdächtigen von „Hassrede“-Delikten die Handys abzunehmen.

Die Göttinger Staatsanwälte für Internetkriminalität wurden in der US-Doku „60 Minutes“ interviewt. Dabei lachten sie fröhlich über das Erstaunen der Menschen, wenn man ihnen nach einer morgendlichen Hausdurchsuchung wegen eines rechtswidrigen Posts im Internet Laptop und Telefon konfisziert.

Damals kommentierten amerikanische Juristen süffisant, dass die Herausgabe des privaten Smartphones in Wahrheit die eigentliche Strafe darstelle – schlimmer noch als das eigentliche Verfahren. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Ermittlungsmaßnahmen selbst bereits als Strafinstrument fungieren.

Das Teilen dieses harmlosen Memes verfolgte die Staatsanwaltschaft Göttingen gar mit einer Hausdurchsuchung.

Das Bild, das international von der Göttinger Staatsanwaltschaft gezeichnet wird: Sie steht sinnbildlich für einen autoritären deutschen Staat, der im Kampf gegen unliebsame Meinungen Grundrechte einschränkt.

Nun offenbart sich ein weiteres Problem: Ausgerechnet diese Behörde, die für ihre besondere Härte und Genauigkeit bekannt ist, verletzt selbst die Rechte Dritter – wenn auch durch Fahrlässigkeit. Der Fall wirft die Frage auf, ob eine Staatsanwaltschaft, die selbst so unachtsam mit sensiblen Daten umgeht, glaubwürdig die Rolle des Hüters von Recht und Ordnung ausfüllen kann.

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