Wird die ehemalige Cum-Ex-Chef-Ermittlerin nun selbst zur Angeklagten?

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Bildquelle: Tichys Einblick

Der Name ist regelmäßigen TE-Lesern geläufig: Anne Brorhilker (51) war als damalige Oberstaatsanwältin von Sommer 2013 bis zu ihrem freiwilligen Ausscheiden aus dem Staatsdienst im April 2024 Chefermittlerin der Kölner Staatsanwaltschaft im Cum-Ex-/Cum-Cum-Banken- und Steuerskandal, mit dem der Fiskus um vermutlich mehr als 40 Milliarden Euro geprellt wurde. Eine Chronik des Skandals, bei dem auch Ex-Kanzler Olaf Scholz (SPD) als vormaliger Hamburger Bürgermeister wegen Erinnerungslücken eine undurchsichtige Rolle spielte und spielt, findet sich hier. TE hat zuletzt Anfang 2025 berichtet:

Nun wird Ex-Staatsanwältin Brorhilker selbst zum Gegenstand der Prüfung von Ermittlungen. Nach Informationen von Business Insider (BI) und WELT prüft die Aachener Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen (Paragraf 353b Strafgesetzbuch) gegen Brorhilker. Weil sich die Vorwürfe mit Brorhilker gegen eine frühere Mitarbeiterin der Behörde richten, übergab die Kölner Staatsanwaltschaft das Verfahren zur Vermeidung von Interessenskonflikten an die Staatsanwaltschaft Aachen. Auf diesem Weg soll die Unabhängigkeit der Ermittlungen gewahrt werden.

Hintergrund sind Aussagen des Cum-Ex-Kronzeugen Kai-Uwe Steck (53) vor dem Landgericht Bonn, bei dem aktuell ein Strafprozess gegen ihn läuft: Über Brorhilker seien wichtige Interna aus den Ermittlungen an die Presse gelangt. Nach Aussagen Stecks soll Brorhilker am 10. März 2021 Interna der Staatsanwaltschaft Köln bei einem persönlichen Treffen an Alfred Dierlamm weitergegeben haben – zu diesem Zeitpunkt Verteidiger des Cum-Ex-Kronzeugen Steck. Über Dierlamm sollen diese Interna wiederum in einem Hintergrundgespräch bei Journalisten der Süddeutschen Zeitung (SZ) gelandet und schließlich in einem SZ-Artikel vom 17. März 2021 aufgetaucht sein, behauptet Steck.

Im SZ-Artikel mit dem Titel „Eine Razzia, die es nie gab“ wurden mehrere interne Prüfvorgänge bei der Staatsanwaltschaft Köln zu einer von Brorhilker geplanten Razzia bei den Hamburger Finanzbehörden beschrieben. Ein Einsatz, der jedoch kurzfristig abgesagt wurde. Die Ermittlungen dazu sind nun offenbar wieder aufgenommen worden. Dabei hatte die Staatsanwaltschaft in Köln noch Ende Januar 2025 auf Nachfrage von Business Insider/WELT mitgeteilt, dass man die Aussagen Stecks auf strafrechtliche Relevanz überprüfen würde. Brorhilker selbst hatte vor dem Landgericht Bonn als Zeugin in Stecks Prozess am 10. Januar 2025 ausgesagt, dass die Sachdarstellung falsch sei und um eine weitere Aussagegenehmigung gebeten.

Nach Informationen von Stecks Ex-Verteidiger Dierlamm wird das Dierlamm/Brorhilker-Gespräch vom 10. März 2021 so geschildert, dass Dierlamm gegenüber Brorhilker durchblicken lassen habe, über interne Details der Staatsanwaltschaft Köln zum Umgang mit Durchsuchungsanträgen informiert zu sein. Brorhilker soll das nicht kommentiert haben. Stecks Ex-Verteidiger Dierlamm selbst hatte das Gespräch als Zeuge vor dem Landgericht Bonn im April 2025 ähnlich beschrieben: Demnach habe er die Information bereits vor dem Gespräch mit Brorhilker gehabt. Offenbar, weil er über die SZ-Recherche informiert war. Mit dieser Information sei er schließlich an Brorhilker herangetreten. „Die Info war der Anlass für das Gespräch“, erklärt Dierlamm. Er habe kein Dienstgeheimnis von ihr erfahren.

Stecks Vergangenheit als Anwalt ist übrigens eine schillernde. Bis 2013 war er Co-Anwaltskollege des Cum-Ex-Strippenziehers sowie – bis 1996 – vormaligen Regierungsdirektors und Bankprüfers Hanno Berger (74), der seit 2021 wegen Verwicklung in Cum-Ex-Geschäfte mit Bestätigung des Bundesgerichtshofs (BGH) eine mindestens achtjährige Haftstrafe verbüßt. Das Strafmaß könnte sogar noch höher ausfallen, weil der BGH die Entscheidung darüber im Herbst 2024 dem Landgericht Wiesbaden überantwortet hat. Berger war vom Landgericht Bonn zu acht Jahren, vom Landgericht Wiesbaden zu acht Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Das LG Wiesbaden muss nun entscheiden, wie die beiden Strafen gegengerechnet und zu einer neuen Gesamtstrafe verrechnet werden.

Die Prüfung der Vorwürfe gegen Anne Brorhilker bei der Staatsanwaltschaft Aachen ist derzeit übrigens unterbrochen, weil das Landgericht Bonn den Vorgang kurzfristig angefordert habe. Die Durchleuchtung des Cum-Ex-/Cum-Cum-Skandals inkl. der Aufklärung der Erinnerungslücken eines Olaf Scholz bleibt damit weiter auf eine sehr lange Bank geschoben.

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