
Stellantis ist in der Krise – und die italienische Regierung nutzt das aus. Noch vor wenigen Monaten wollte Ex-Chef Carlos Tavares der Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Forderungen stellen: mehr Subventionen, mehr Förderung von E-Mobilität. Sonst könne man den Umzug in billigere Länder nicht ausschließen.
Seit dieser Machtprobe hat sich viel getan. Damals hatte Tavares noch über Volkswagen gelästert. Stellantis dürfe nicht wie VW enden. Jetzt ist der Autokonzern mit seinen 14 Marken selbst in die Enge getrieben worden. Und Tavares, der bei der hohen europäischen Politik Sprüche klopfte, musste zuerst eine Nicht-Verlängerung seines Vertrages hinnehmen – und ist jetzt vorzeitig gegangen.
Tavares hinterlässt kaputtes Geschirr insbesondere in Rom. Das Zusammengehen von Peugeot und Fiat hat man dort seit der Fusion kritisch beäugt. Fiat ist kein Staatskonzern, aber er ist ein italienischer Konzern, der eng mit dem italienischen Staat verwoben ist. Die Familie Agnelli spielt eine Mehrfachrolle zwischen den Feldern von Wirtschaft, Politik und internationaler Einflussnahme.
Besonders kritisch sieht aus italienischer Perspektive dabei die Rolle des französischen Staates aus. Der hält über die Banque publique d’investissement France 6 Prozent der Anteile. Kein Wunder, dass John Elkann nach seiner Ernennung zum Nachfolger von Tavares zuerst bei Emmanuel Macron vorstellig wurde – es handelt sich um einen Hauptaktionär. Elkann ist Sohn von Margherita Agnelli und des französischen Publizisten Alain Elkann und damit ein italienisch-französisches Bindeglied.
Doch die von Tavares gezogenen Gräben sollen zugeschüttet werden. Elkann hat das nach seiner Amtsübernahme mit zwei Schritten klargemacht. Am 16. November hat er mit dem Ministerium für Unternehmen und Made in Italy ein Abkommen geschlossen, dass den italienischen Standort stärken soll. Diese Woche kündigte Elkann an, im italienischen Parlament vorzusprechen. Es habe ein „ein herzliches Telefongespräch“ mit Lorenzo Fontana, dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer, gegeben.
Das hat Elkann bei der Vorstellung des Plans „Italien 2025-2030“ angegeben, den die Zeitung Giornale nicht umsonst einen „Post-Tavares-Plan“ nennt. Er werde bei der Anhörung im Parlament vor den zuständigen Ausschüssen über die Entwicklung des Automobilsektors in Europa und Italien sprechen – eine solche Forderung hatten Regierungs- wie Oppositionsparteien immer wieder erhoben.
Entlassungen werden in der Stellantis-Familie kaum abwendbar sein und auch die Zukunft des Sorgenkindes Maserati ist noch offen. Legt man jedoch die Maßstäbe der letzten Jahre an, als Stellantis die Meloni-Regierung erpressen wollte, dann haben sich die Konditionen deutlich verbessert. Bereits 2025 will Stellantis 2 Milliarden Euro in Italien investieren. Während Rom in den letzten Jahren monierte, dass der eigene Standort abgebaut werde, während in Frankreich keine Kürzungen einträten, sagt Stellantis nun zu, einige Produktionsstätten sogar auszubauen und die Produktpalette zu erweitern.
Für die Meloni-Regierung ist das nach Jahren der Auseinandersetzung ein Triumph. „Die Haltung von Stellantis hat sich geändert und Italien in den Mittelpunkt seiner internationalen Entwicklung gestellt“, bekräftigt Minister Adolfo Urso, der die Notwendigkeit unterstreicht, die europäischen Geldstrafen für Hersteller, die die Verkaufsziele für Elektroautos nicht erreichen, abzuschaffen. Was Urso noch unerwähnt lässt, der Infrastruktur- und Transportminister Matteo Salvini dagegen umso stärker betont, ist die Zukunft des Verbrennungsmotors.
Über dieses Thema erfährt man von beiden Seiten bisher wenig. Auffällig ist, dass in Italien das Thema Hybrid wieder häufiger erwähnt wird als die reine E-Mobilität. Klar ist, dass Stellantis von seiner privilegierten Partnerschaft mit Paris vielleicht nicht abgerückt ist – dass der erste Besuch bei Macron stattfand, ist Zeichen der Kontinuität. Allerdings ist man nunmehr auf Ausgleich bedacht. Macron verliert in Europa also nicht nur an außen- und europapolitischem Gewicht, sondern auch in der Wirtschaftspolitik. Auch das zeigt, das heute statt einem französisch-deutschem Tandem eine französisch-italienische Rivalität auf dem Kontinent dominiert; allerdings nur so lange, wie der Staatspräsident Macron heißt.