
Das von Union und SPD angepeilte Sondervermögen könnte gravierende Folgen für die Wirtschaft und die Steuerzahler in Deutschland haben. Es ist „Kapitalzerstörung, die hier betrieben wird“, meint der Ökonom und Wirtschaftsprofessor Thorsten Polleit im Gespräch mit Apollo News. Die Neuverschuldung wird nicht nur sämtliche „Ideologieprojekte“ ermöglichen, sondern künftig auch zu horrenden Steuererhöhungen führen.
Ende 2024 betrug die Staatsverschuldung etwa 2.700 Milliarden Euro und somit etwa 62 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Sollten Union und SPD das Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur und weitere 400 Milliarden Schulden für die Bundeswehr tatsächlich beschließen, so würde die Pro-Kopf-Verschuldung der Einkommensteuerzahler, zu denen derzeit etwa 46 Millionen arbeitstätige Personen gehören, von derzeit 56.000 Euro auf fast 78.000 Euro ansteigen.
„Und das ist natürlich im Grunde jetzt schon nicht mehr tragbar. Ich halte das für unverantwortlich“, kritisiert Polleit und erklärt außerdem, die Verschuldungsquote würde dadurch auf 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hochschnellen – mit fatalen Folgen. Zwar steht Deutschland im internationalen Vergleich derzeit gut dar. Mit 62 Prozent fällt die Verschuldung wesentlich geringer aus als bei anderen großen Volkswirtschaften wie Großbritannien, Frankreich oder Italien, wo die Verschuldung mittlerweile 100 Prozent, 114 Prozent und sogar 135 Prozent beträgt.
Der Sprung auf 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland würde aber ein Ausmaß annehmen, das es „in Deutschland seit Ende des Zweiten Weltkrieges noch nicht gegeben“ habe. Und weil die Schuldenerhöhung im sonst als sparsam geltenden Deutschland in Europa als Vorbild betrachtet werden würde, könnte dadurch eine „Schuldenunion“ ins Leben gerufen werden, „die man eigentlich immer versucht hatte zu verhindern“, so Polleit. Die durchschnittliche Verschuldungsquote liegt in der EU bei etwa 82 Prozent – Deutschland könnte diesen Wert jetzt durchbrechen.
Auch das Argument, durch die neue Milliarden-Verschuldung würde die Wirtschaft angekurbelt werden, sieht Polleit kritisch. „Wir wissen aus der soliden ökonomischen Theorie, aber auch aus den empirischen Befunden in vielen anderen Ländern, dass die steigende Staatsverschuldung nicht etwa den Wachstumspfad anhebt, sondern im Gegenteil ihn erlahmen lässt, dass man also hinterher weniger Wirtschaftswachstum hat“, mahnt der Ökonom.
Ein Grund für diesen Befund: Der Staat wird das Geld auch „für ineffiziente Zwecke“ ausgeben, meint Polleit. „Wenn der Staat diese Möglichkeit hat, dann können natürlich weitere irrsinnige Ideologieprojekte finanziert werden.“ Das sei in den vergangenen Jahren sichtbar geworden, erklärt Polleit weiter. „Und die Gefahr ist natürlich jetzt, ich will gar nicht mehr von Gefahr sprechen, es wird so kommen, dass die aberwitzigsten Projekte dann finanziert werden, weil eben Geld vorhanden ist.“
Dabei könnten die für das geplante Sondervermögen notwendigen Milliarden ein schwerwiegendes Nachspiel für die deutsche Bevölkerung haben. Zunächst wird der Staat Anleihen am Kapitalmarkt ausgeben „und das bedeutet natürlich, dass das Angebot von Anleihen zunimmt“, erklärt Polleit. „Die Kurse werden tendenziell absacken und der Zins steigt an und wenn der Zins natürlich ansteigt, dann verdrängt er private Investitionen“, warnt er weiter.
In der Folge würde die Europäische Zentralbank den Leitzins weiter senken, doch „dann steigen früher oder später auch die Güterpreise, sprich es kommt zur Inflation“. Diese würde zwar aufgrund der „Abschwächung des Geldmengenwachstums in 2023 bis hinein in 2024“ derzeit moderat ausfallen, könnte künftig aber wieder beträchtlich steigen. „Da bin ich relativ sicher, ob die jetzt drei, ob die fünf oder sechs Prozent erreichen wird – das ist alles möglich“, mahnt Polleit.