
„Ich nehme keine Option vom Tisch“ – so öffnet Lars Klingbeil eine weitere Tür, die die Union für ihre Wähler eigentlich verschlossen halten wollte. Die Rede ist von Steuererhöhungen: Um die Milliarden-Lücke im Bundeshaushalt ab 2027 zu schließen, will der SPD-Chef und Bundesfinanzminister stärker in die Taschen der Bürger greifen.
Deutschland ist Höchststeuerland – aber eine Erhöhung geht noch, meint die SPD. Den Haushalt mal so zusammenzukürzen, dass man mit dem rekordverdächtigen Steueraufkommen hinkommt? Ein unmöglicher Gedanke. Lieber schröpft man die geschröpften Steuerzahler noch ein bisschen mehr. Dabei ist es eine immer kleiner werdende Zahl an Nettosteuerzahlern, die den Laden mit ihren Abgaben am Laufen hält – und durch das deutsche Steuer- und Abgabensystem schon unbotmäßig belastet wird.
Um die Lücken in einem Haushalt mit rekordverdächtigen Einnahmen zu stopfen, ist der direkte Reflex der SPD, diese Leute noch schwerer zu belasten. Der deutsche Staat läuft Gefahr, seine goldene Gans zu schlachten. Wie in der Fabel wird sie dann keine Eier mehr legen. Dieser Gefahr ist sich der deutsche Staat wohl bewusst. Deshalb gibt es jetzt schon allerlei „Wegzugssteuern“, um, wie es die Welt-Chefökonomin Dorothea Siems jüngst provokativ formulierte, eine neue Form von „Republikflucht“ zu verhindern.
Siems zeigt die Abwanderung der Leistungsträger von heute und morgen auf: Innerhalb eines Jahrzehnts habe Deutschland schon mehr als eine halbe Million Einheimische verloren – hochqualifizierte, wertvolle Akademiker und echte Fachkräfte, die der Bundesrepublik womöglich für immer den Rücken gekehrt haben. Noch zu wenig, findet die SPD offenbar. Die verbliebenen sollen die Zeche zahlen, bis auch sie weg sind.
Es sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass eine Erhöhung oder Verschärfung etwa der Einkommenssteuer oder eine Erbschafts- oder Vermögenssteuer keineswegs zuallererst den bösen Privatier und seinen Dagobert-Duck-artigen Goldspeicher treffen würde. Die Leidtragenden wären zuallererst die vielen hunderttausenden mittelständischen Betriebe, die familien- und eigentümergeführt sind und für die der Einkommenssteuersatz die betriebliche Steuer vorgibt. Diese Betriebe werden nicht grundlos als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bezeichnet – Klingbeil will es gerne brechen. In einer historischen Rezession keine gute Idee.
Aber seit Gerhard Schröder hat die SPD offenbar das Interesse an einer gutlaufenden Wirtschaft mit starken Strukturen verloren. Bei der Partei, für die nicht mehr der Arbeiter, sondern der Transferempfänger im Mittelpunkt steht, sind solche Forderungen in Mode – auch als Selbsttherapie ob der 13 Prozent in den Umfragen. Über die Konsequenzen wird später nachgedacht.
Friedrich Merz ist derweil zu sehr mit Weltpolitik beschäftigt, um sich in die profanen Debatten der Innenpolitik einzumischen. Er lässt Klingbeil also freie Hand – der trumpft mal wieder auf. Die Machtdynamik in der Koalition stellt sich erneut so dar, als wäre die SPD Wahlsieger und Kanzler-Partei.
Merz scheint zu glauben, der „Wirtschaftswende“ wäre schon damit genüge getan, dass er Kanzler ist. Dem ist nicht so: Durch Handauflegen und stetes Beschwören eines herbeiphantasierten Stimmungsumschwungs in der Wirtschaft kann man eine Rezession nicht stoppen. Es braucht schon handfestere Maßnahmen. Was es nicht braucht: Steuererhöhungen für Leistungsträger und Unternehmen. Die sind, wie jeder Ökonom im Schlaf erklären könnte, Gift für die Konjunktur. Nur deutsche Politiker können glauben, mit Steuererhöhungen einen Aufschwung organisieren zu können.
Wird Friedrich Merz seinem wildgewordenen Finanzminister irgendwann ein Stoppschild zeigen? Bisher spricht wenig dafür – eher lässt er sich von den Sozialdemokraten durch die Manege zerren. Wenn er aber auch nur den Hauch einer Chance haben will, wirklich Wirtschaftswende-Kanzler zu werden, sollte er aus dem Regierungsflieger mal in Berlin anrufen und seine Regierung auf Kurs bringen.