
Im verzweifelten Versuch, die Jugend für Steuern zu begeistern, hielt das Finanzministerium Baden-Württemberg es für eine gute Idee, sich eine breite Social-Media-Präsenz aufzubauen. Man will dabei mit Vorurteilen aufräumen und witzig sein – das Ergebnis ist genau das Gegenteil. In einem neuen Video ist das nun besonders nach hinten losgegangen.
„Das Finanzamt auf dem Weg um deine Nachzahlung zu holen“ steht über dem Video. Zu sehen ist eine junge Frau, die im angemessenen Leopard-Minirock tanzend durch den Flur des Ministeriums läuft und dabei mit Geldscheinen wedelt. Hinter ihr laufen zwei junge Männer, einer von ihnen mit Geldkoffer, aus dem Geld quillt, der andere mit Geld in der Brusttasche; beide tragen Partysonnenbrillen. Über das Video ist ein Rap-Disstrack gelegt.
Es soll wohl lustig sein. Weil Steuernachzahlungen ja auch so ein lustiges Thema sind. Besonders in einer Rezession, in der jeder fehlende Euro für viele Familien schmerzt, sollte man definitv mit Bargeld tanzen und die Menschen verhöhnen, die ihre Steuern zahlen müssen. Es gibt nie einen wirklich guten Zeitpunkt für eine Behörde, schadenfrohe Witze zu machen. Dem Finanzministerium Baden-Württemberg ist es jedoch gelungen, den wohl denkbar schlechtesten Zeitpunkt zu finden.
Dafür hat man dort allerdings ein Händchen. Die junge Frau aus dem Video, Miri Adardour, hat einen Bachelor of Laws im Steuerrecht und ist beim Finanzministerium für Social Media zuständig – sie ist so etwas wie die Emilia Fester des Ministeriums. In einem neuen Video zu Karneval „POV: deine Kollegen haben das Motto verstanden“ repostete der Account des Finanzministeriums ein Video von ihr, in dem sie im bauchfreien Leopardtop und mit Leopardohren mit ihren Kollegen – ebenfalls alle im Leopardmuster – im Ministerium tanzt. Man hat offensichtlich viel Spaß als Finanzbeamter.
Adardours Auftrag ist offenbar, besonders junge Leute für ein Studium im Steuerbereich und eine Karriere beim Finanzamt zu überzeugen. Dafür macht sie dann etwa Interviews mit Absolventen, die ihre Ausbildung in der Finanzverwaltung gemacht oder Steuerverwaltung studiert haben. „Ihr habt drei Jahre Steuern studiert, warum?“ „Für den Kindergeldanspruch.“ „Was ist der größte Nachteil?“ „Die Vorurteile.“ „Wie geht’s jetzt für euch weiter?“ „Erstmal Kaffee trinken, im Amt bisschen chillen.“ Naja, sagen wir, da geht noch was.
Mit Sprüchen wie „Wir arbeiten in der Finanzverwaltung, natürlich sind wir faul, unlustig und gehen zum Lachen in den Aktenkeller“ mit Clown-Emoji hintendran, kann man sich vielleicht Genugtuung verschaffen, Sympathien aber wohl eher weniger. Wenn aber Miri gerade nicht im Einsatz ist, macht der Boss, Finanzminister Danyal Bayaz, keine bessere Figur. Mit Blick auf die Social-Media-Präsenz des Ministeriums könnte man den Eindruck bekommen, dass er nur für Foto- und Videoaufnahmen nach Baden-Württemberg pendelt.
Von München, wohin er für seine Frau, die bayerische Grünenpolitikerin Katharina Schulze, gezogen ist, nach Stuttgart sind es immerhin um die zweieinhalb Stunden. Das macht man nicht täglich mit, wenn man dann nicht wenigstens Likes und Herzchen bekommt. Der Account des Finanzministeriums mutiert zeitweise immer wieder zu einem Privataccount von Bayaz, der dort Zusammenschnitte von den vielen Abenteuern postet, die er auf seinen Reisen durch „The Länd“ erlebt. Bootsreisen, Besuche in örtlichen Unternehmen, Reisen nach Boston, mit Sonnenbrille vor dem schönsten Schloss.
In einem Fragevideo „Was den Finanzminister nervt“, antwortet er auf die erste Frage, was ihn denn im Amt überrascht habe, mit „Ja, es hat mich schon überrascht, zu sehen, für wie viele Aufgaben das Finanzministerium eigentlich zuständig ist.“ Das glaubt man ihm sogar. Vielleicht versuchte er deshalb 2021 die Aufgaben der Steuerverwaltung abzugeben, als er das revolutionäre anonyme Hinweisgeberportal einführte. Im Namen der „Digitalisierung“ und der „Steuergerechtigkeit“ kann man hier total digital andere Bürger wegen Steuerhinterziehung anzeigen. Wenn er die Sympathiepunkte, die er damals für sein „Steuer-Stasi“-Portal, wie die Bild es nannte, durch bodenständige TikTok-Videos wieder einfahren will, scheitert er daran allerdings kläglich.