
Seit anderthalb Jahren werden der Pfarrer und die Kirchengemeinde der Martinskirche von Langenau von pro-palästinensischen Demonstranten bedrängt und attackiert. Die Entwicklung und die Auswirkungen des Konflikts beschrieb der Sprecher der württembergischen Landeskirche, Peter Dan, in einer Pressekonferenz, an der Apollo News teilnahm. Im Anschluss an die Pressekonferenz konnte Apollo News mit dem Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl ein Einzelgespräch führen.
Der Konflikt in der Kirchengemeinde begann, als sich Pfarrer Sedlak am 15. Oktober 2023 in der Predigt zu den israelischen Opfern des Hamas-Massakers äußerte und sagte: „Die Nachrichten aus Israel von heimtückisch ermordeten Menschen, darunter viele Säuglinge, Kleinkinder und Senioren, von vergewaltigten und zur Schau gestellten Frauen, von entführten Familien“, ein Störer unterbrach ihn mit den Worten, dass das „falsch“ sei.
„Die Nachrichten sind fake News. Das ist falsch“, rief er und musste aus dem Gottesdienst hinausbegleitet werden. Bei verbalen Entgleisungen ist es nicht geblieben. An Silvester 2023 feuerte ein Unbekannter aus einer Schreckschusspistole fünfmal in Richtung des Pfarrhauses, in dem der Pfarrer mit seiner Familie lebt, und in Richtung des Gemeindehauses. Der Pfarrer befand sich zu dem Zeitpunkt mit seiner Familie draußen. Im Dezember 2024 wurde die Martinskirche dann mit den Worten „Boycott Israel“ und „Juden vergasen“ beschmiert. Der Staatsschutz ermittelte, konnte jedoch keinen Schuldigen ausfindig machen.Seit Karfreitag 2024 gibt es wöchentlich an den Sonntagen Proteste mit Plakaten gegen die Gemeinde. Laut dem Landesbischof Gohl stehen oft nur ein oder zwei Personen dort, damit es juristisch nicht als Versammlung gewertet werden kann, die genehmigt werden müsste. Seinen vorläufigen Höhepunkt fand der Konflikt am vergangenen Sonntag. Nach dem Gottesdienst schirmten fünf Besucher die Plakate mit ihren Regenschirmen ab. Ein Herr E. provozierte die Gottesdienstbesucher und beleidigte sie als „Nazi“ und „Schlampe“.
Die Plakatträger versuchten weiterzulaufen, sodass die Plakate für die Kirchgänger wieder sichtbar sein sollten, die Schirmträger liefen ebenfalls mit. Herr E. griff laut Augenzeugenberichten einen der Schirmträger an, die Person stürzte dabei. Laut Polizeimeldung soll ein 75-Jähriger einen 84-Jährigen zu Boden gestoßen haben. Anschließend griff ein weiterer Mann Herrn E. an und dieser ging dabei zu Boden. Die Polizei teilte mit, dass der andere Mann den 75-Jährigen anschließend getreten haben soll.
Gottesdienstbesucher trennten die Personen. Dabei wurden sie von den pro-palästinensischen Gegendemonstranten als „Rassisten“ und „Völkermörder“ bezeichnet. Eine Person warf den Kirchgängern vor: „Mit solchen Leuten wie euch begann der Holocaust“. Laut dem Landesbischof Gohl sei ein Gespräch mit der Gegenseite nicht möglich. Es handele sich um radikale pro-palästinensische Demonstranten, die das Existenzrecht Israels leugnen.
Augenzeugen des Vorfalls hatten die Polizei gerufen. Auf Nachfrage von Apollo News sagte Gohl, dass sich die pro-palästinensischen Demonstranten keinem politischen Spektrum zuordnen ließen. Bis auf Herrn E. seien aber alle „aus der palästinensischen Community“. Der Bischof forderte, dass die Bevölkerung von Langenau sich hinter die Gemeinde stellen solle. Seit einem Jahr versucht die Gemeinde, eine Allgemeinverfügung zu bekommen, bisher ohne Erfolg. Die Kirche hat dem betroffenen Pfarrer einen auf Antisemitismus spezialisierten Anwalt zur Verfügung gestellt.Nicht nur der Pfarrer und seine Familie leiden unter den permanenten Diffamierungen. Ein Kirchenvertreter sagte gegenüber dem Bischof: „Wir fühlen uns von der Stadt allein gelassen“. Der Bischof führte aus, dass ein Vertretungspfarrer sich angesichts der Anfeindungen geweigert habe, in der Gemeinde in Langenau einen Gottesdienst zu veranstalten.
Apollo News konnte im Anschluss an die Pressekonferenz noch ein Einzelgespräch mit Bischof Gohl führen. Auf die Frage, ob die Kirche in Deutschland sich deutlicher an die Seite Israels stellen müsste, sagte er, dass die Solidarität mit Israel angesichts der „furchtbaren Schulgeschichte der Kirche gegenüber den Juden“ wichtig sei. Es sei „total wichtig“, über den 7. Oktober 2023 aufzuklären.
Denn er habe im Nachgang auf das Massaker erlebt, dass es vielen Menschen nicht gelungen sei, einfach zu sagen „Das ist furchtbar“. Stattdessen sei auf Probleme wie im Westjordanland oder im Gazastreifen verwiesen worden. Durch die Aussage „Es ist furchtbar, aber…“ werde laut dem Bischof das „alte antisemitische Stereotyp“ bedient, „dass die Juden selbst schuld sind“. Die Kirche müsse „klar Position beziehen“ und sich an die Seite Israels stellen. Apollo News wollte von dem Bischof wissen, ob sich aus seiner Sicht auch die deutschen Politiker deutlicher für Israel und die Juden in Deutschland aussprechen sollten. Erinnert sei hier an Außenminister Wadephuls Aussage zur „Zwangssolidarität“ mit Israel, die man sich nicht aufzwingen lassen wolle. Ernst-Wilhelm Gohl erwiderte, dass „deutliche Signale“ von deutschen Politikern wahrzunehmen seien, dass Deutschland an der Seite Israels stehe.
Deutschland sei das Land, das „am meisten Solidarität mit Israel weltweit“ zeige. Apollo News wollte weiter wissen, wie er den Konflikt im Nahen Osten aus christlicher Perspektive beurteile. Nach einer Lesart der Bibel sind die Juden nach wie vor Gottes besonders auserwähltes Volk. Die Hamas wiederum hat in ihrer Gründungscharta stehen, dass sie sich in ihrem Anspruch, alle Juden zu vernichten, auf den Propheten Mohammed beruft.
Darauf antwortete Bischof Gohl: „Religion wird oft für politische Zwecke missbraucht“. So missbrauche auch die Hamas den Islam. Auch der Großmufti von Jerusalem, Mohammed Amin al-Husseini, der ein großer Bewunderer Hitlers war und während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland lebte, sei „nur eine Einzelstimme“ gewesen. Die Kirche habe im Mittelalter schlimmere Pogrome an den Juden verübt. Währenddessen hätten im Mittelalter Juden und Muslime friedlich zusammengelebt. Sein Wunsch sei, dass „alle frommen Menschen“, egal welcher Religion, in Frieden zusammenleben.