
Die Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch geriet diese Woche in die Kritik, weil sie den an sie adressierten Brief des homosexuellen Lehrers, der an der Carl-Bolle-Schule von muslimischen Schülern gemobbt wurde, erst Monate später las. Der Tagesspiegel und die Süddeutsche Zeitung schickten daraufhin am Freitag Presseanfragen an andere Senatsverwaltungen. Sie wollten wissen, wie diese mit an die Senatoren persönlich adressierten Briefen umgehen.
Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom Mai hatten muslimische Schüler den Lehrer Oziel Inácio-Stech der Carl-Bolle-Schule als „Schande für den Islam“ und als „ekelhaft“ bezeichnet, nachdem sie von seiner Homosexualität erfuhren. Sie störten mehrfach seinen Unterricht. Er ist seit mehreren Monaten krankgeschrieben. Der Schulleitung wirft er mangelnde Unterstützung vor.
Eine Kollegin habe ihm fälschlicherweise vorgeworfen, „zu nah“ neben Schülern zu sitzen. Eltern warfen ihm vor, Schüler während des Ramadans zum Trinken genötigt zu haben. Eine Ermittlung der Staatsanwaltschaft wurde eingestellt. Der Leiter der Schulaufsicht soll den Lehrer dennoch belehrt haben, die „körperliche und emotionale Distanz“ zu den Schülern zu wahren.
Am Donnerstag hatte die Bildungssenatorin eingestehen müssen, ein an sie adressiertes Anwaltsschreiben erst nach Monaten gelesen zu haben, als der Fall des homosexuellen Lehrers Oziel Inácio-Stech durch die Presse ging (Apollo News berichtete).Das entsprechende Schreiben war im Dezember 2024 bei ihr postalisch eingegangen. Gelesen hatte sie es erst im Mai. Da es sich aus ihrer Sicht bei dem Schreiben um die Beschwerde einer Lehrkraft gehandelt habe, die sich diskriminiert fühlte und sie auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) berief, habe Günther-Wünsch es an die zuständige Stelle in der Senatsverwaltung weitergeleitet.
Allerdings ging aus dem Anwaltsschreiben hervor, dass eine entsprechende Beschwerde nach dem AGG bereits im September 2024 eingereicht worden war. Sie sagte, dass sie „als Person des öffentlichen Lebens“ nicht jeden an sie adressierten Brief lesen könne. Der Stelle, an die sie den Brief weiterleitete, wird im Anwaltsschreiben Befangenheit vorgeworfen. Denn eben die Schulaufsicht hatte den Lehrer über eine einzuhaltende Distanz zu den Schülern belehrt. Die Beschwerdestelle kam zu dem Schluss, dass der Lehrer Inácio-Stech nicht wegen seiner sexuellen Identität diskriminiert worden sei.
Die Presseanfragen von Tagesspiegel und Süddeutscher Zeitung, wie andere Senatsverwaltungen mit persönlich an die Senatoren adressierten Briefen umgehen, hat einen Streit unter den Pressesprechern der Senatoren ausgelöst. Das berichtet die Berliner Zeitung unter Berufung auf Personen, die mit der Sache vertraut sind. In internen Chats soll diskutiert worden sein, wie auf diese Presseanfragen geantwortet werden soll. Die Pressesprecherin des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner soll sich in die Diskussion eingeschaltet haben.
Ihr Vorschlag habe gelautet, die Presseanfrage für alle Senatssprecher zu beantworten und zu schreiben, dass man zu hypothetischen Fragen keine Stellung beziehe. Brisant ist die Intervention auch, weil Kai Wegner mit Katharina Günther-Wünsch liiert ist. An sich ist es nichts Ungewöhnliches, dass die Regierungssprecherin Antwortvorschläge macht.
In diesem Fall lehnen laut der Berliner Zeitung drei von fünf SPD-geführten Senatsverwaltungen den Antwortvorschlag aber ab. Sie wollen antworten, dass Briefe, die an die Senatoren persönlich gerichtet sind, diesen zeitnah vorgelegt werden.