
Es ist einer dieser Skandale, eines dieser „rechten Narrative“ oder gar eine dieser „Verschwörungstheorien“, die sich bei genauerem Hinsehen als im Kern durchaus wahr herausstellen ...
CDU-Chef Friedrich Merz hatte im September 2023 gesagt: „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine“. Mit „die“ meinte er abgelehnte Asyl-Bewerber. Es folgte ein Sturm der Entrüstung, heftige Dementi der Zahnärztekammer, „Faktenchecks“, die Merz scheinbar der Falschaussage überführten und Kritik à la „erbärmlicher Populismus“.
Ein Bericht im ZDF-Format „Frontal 21“ zeigt nun, eineinhalb Jahre später, dass Merz im Kern jedoch recht hatte, wie NIUS schon damals im Gespräch mit Zahnärzten und Asyl-Bewerbern selbst, die sich die Zähne hatten behandeln lassen, berichtet hatte.
Lesen Sie auch: Neue Zähne für Flüchtlinge: Deutschlands Ärzte geben Merz Recht, aber ...
Der Zahnarzt Emre Uysal berichtet davon, dass Kassenpatienten „Verlustbringer“ seien, weil das vorgeschriebene Budget pro Patient und Quartal oft schon nach einer Behandlung aufgebraucht sei. Zusätzlich gebe es seit Putins Angriffskrieg auf die Ukraine vermehrt ukrainische Patienten, mit großem Behandlungsbedarf, nachdem Zahnbehandlungen in der Ukraine privat zu bezahlen seien.
Der Zahnarzt Emre Uysal berichtet exakt das, was Friedrich Merz gesagt hatte.
„So haben wir Patienten mit einem sehr sehr hohen Bedarf. Das heißt: Ein Patient aus der Ukraine kommt mehrere Male zu uns. Die Auswirkung für andere Patienten ist klar: Die Termine können wir nicht mehr so kurzfristig vergeben, das heißt, die Wartezeiten werden immer länger.“
Damit bestätigt Uysal quasi im Wortlaut die zugespitzte Merz-These aus dem September 2023: Flüchtlinge, in diesem Fall aus der Ukraine, bekommen Termine zur aufwendigen Zahn-Behandlung, die andere, ins System einzahlende Kassenpatienten nicht mehr bekommen können, da die ärztlichen Ressourcen endlich sind.
Ein anderer Zahnarzt, der in dem ZDF-Beitrag anonym bleiben möchte, spricht von einem Vier-Klassen-System, in dem Asyl-Bewerber vor gesetzlich Versicherten und demnach auch vor Ukraine-Flüchtlingen rangierten. Der Grund: Die Behandlung von Asyl-Bewerbern wird nicht aus der (pro Patient gedeckelten) gesetzlichen Krankenkasse, sondern aus Steuergeld finanziert:
„Am liebsten sind mir die Privatpatienten, hier wird jede Behandlung bezahlt. Auch für Asyl-Bewerber bezahlt das Sozialamt aus Steuergeld mir jede Behandlung. Dann kommen erst die gesetzlich Versicherten, die unterliegen einem Budget. Und zum Schluss noch die AOK-Patienten, hier wird mir noch mehr abgezogen“, so der anonyme Zahnarzt wörtlich.
Heißt: Für Ärzte und Zahnärzte ist die Behandlung von Asyl-Bewerbern lukrativer, weil jede Behandlung vergütet wird, während die Behandlung von Kassenpatienten gedeckelt ist.
Der Deutsche Bundestag hat diese „Deckelung“ zwar vergangene Woche aufgehoben, jedoch ohne zu erläutern, wo die rund 400 Millionen Euro an Mehrkosten herkommen sollen. Erneute Steigerungen der Kassenbeiträge im kommenden Jahr könnten die Folge sein, wie der Verband der Gesetzlichen Krankenkassen warnt.
NIUS hatte in der Debatte um die Zahnarzt-Aussage von Friedrich Merz mit Praktikern gesprochen, die dem CDU-Chef schon damals im Kern recht gegeben hatten: „Viele Asyl-Bewerber wissen offenbar sehr genau, was unser Sozialsystem hergibt. Zwei Mal pro Woche steht ein Asyl-Bewerber ohne Termin in der Praxis und fordert eine Behandlung ein – wenn wir ihn oder sie darum bitten, einen Termin zu vereinbaren, geben sie starke Schmerzen an. Dann dürfen wir sie nicht wegschicken, selbst wenn wir bei der Behandlung keine Schmerzen feststellen“, hatte etwa Zahnarzt Dr. Michael Knapp gesagt.
Carsten Paulick, Zahnarzt in der „Zahnwelt“ in Hildesheim, sagte zu NIUS: „Im Grunde bin ich froh, dass er das gesagt hat. Herr Merz hat völlig recht. Wir kommen an unsere Belastungsgrenze. Seine Aussage war zwar populistisch, aber wir haben einen klaren Versorgungsengpass. Wir können unserer herkömmlichen Arbeit nicht nachgehen.“
Mehr NIUS: Spiegel muss Kolumne über „Realitätsverzerrung“ vier Mal korrigieren ...