
Der innenpolitische Vorstoß von Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), Asylsuchende künftig an den deutschen Grenzen zurückzuweisen, hat bei der ersten Auslandsreise von Bundeskanzler Friedrich Merz heftige Kontroversen ausgelöst. Polens Ministerpräsident Donald Tusk machte in Warschau klar, dass er mit der neuen Linie aus Berlin nicht einverstanden ist.
„Ich werde von der neuen deutschen Regierung erwarten, dass es volle Zusammenarbeit gibt, um die Außengrenzen zu schützen“, sagte Tusk und betonte, Grenzschutz müsse europäisch gedacht werden. Niemand könne Migrantengruppen einfach nach Polen schicken: „Das wird Polen nicht akzeptieren.“
Tusk warnte zudem eindringlich vor deutschen Binnengrenzkontrollen. „Jeder Versuch dieser Art ist verknüpft mit großen Problemen“, sagte er mit Blick auf die Pendlerströme zwischen beiden Ländern. Und weiter: „Ich möchte nicht die Atmosphäre kaputt machen“, so Tusk, „aber für Polen sei klar: Die schlimmste Lösung ist, wenn plötzlich alle Kontrollen einführen.“ Es brauche europäische Lösungen. Aus polnischen Regierungskreisen hieß es gegenüber BILD, dass Merz signalisiert habe, „dass sich am jetzigen Status nichts ändert“. Auf Nachfrage verwies das Büro Merz auf die Pressekonferenz mit Tusk.
Merz besuchte zunächst Paris und dann Warschau.
Auch aus der Schweiz kommt deutliche Kritik an der deutschen Linie. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) erklärte, systematische Zurückweisungen an der Grenze verstießen aus Sicht der Schweiz gegen geltendes Recht. Man bedaure, dass Deutschland diese Maßnahmen ohne Absprache getroffen habe. Die Schweizer Behörden beobachten nach eigenen Angaben die Auswirkungen und „prüfen gegebenenfalls Maßnahmen“. Bundesrat Beat Jans forderte ein Treffen auf Ministerebene – eine Antwort aus Berlin steht bislang aus. Zugleich warnte Bern vor Einschränkungen des Personen- und Warenverkehrs und pochte auf eine gemeinsame europäische Lösung: „Es geht dabei immer um Menschen, darunter vulnerable Personen, Frauen und Kinder.“
Dobrindt hatte zuvor die mündliche Weisung vom 13. September 2015 aufgehoben, wonach Asylbewerber, die aus einem EU-Land kommen, an der Grenze nicht zurückgewiesen werden dürfen. In einem offiziellen Schreiben an den Präsidenten der Bundespolizei heißt es: „Die Anwendung der Regelung des § 18 Abs. 2 Nr. 1 AsylG führt dazu, dass Schutzsuchende bei der Einreise aus einem sicheren Mitgliedstaat die Einreise verweigert werden kann.“ Gleichzeitig sollen „erkennbar vulnerable Personen“ weiterhin an zuständige Stellen weitergeleitet werden – sofern die Möglichkeit besteht, „unter Wahrung der Fiktion der Nichteinreise“.