Friedrich Merz bei der CDU-Basis in Stuttgart: Heimspiel im Ländle, Sehnsucht nach Macht

vor etwa 3 Stunden

Blog Image
Bildquelle: NiUS

Es ist ein Heimspiel in der Fremde, als Friedrich Merz gegen 12:30 Uhr in die Stuttgarter Carl-Benz-Arena einzieht. Weil die Mittagsschlangen am Spätzle-Stand den Defilierweg versperren, wandert der Kanzler und CDU-Chef gemessenen Schrittes durch den Mittelgang zur Bühne, schüttelt Hände, grüßt, fragt nach. Im schmissigen Einmarsch-Beat ist das rhythmische Klatschen gleich eingearbeitet.Es ist der erste Basis-Kontakt des Kanzlers nach der Amtseinführung, und es ist eine glückliche Fügung, dass es ausgerechnet Baden-Württemberg ist, wo sie an diesem Samstag auf einem Landesparteitag ihren Spitzenkandidaten Manuel Hagel für die Landtagswahl im kommenden Jahr (8. März) küren. Auf keinen CDU-Landesverband konnte sich Merz in der Vergangenheit so verlässlich stützen wie auf das Ländle.

Als der Kanzler ankommt, laufen die Handykameras.

Daran hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn die Berliner Koalitionsverhandlungen im Südwesten einige Enttäuschung an der Basis produziert haben. Aber die passt an diesem Tag einfach nicht ins Konzept und zu der Sehnsucht, endlich die Grünen unter Winfried Kretschmann aus der Staatskanzlei zu vertreiben. „Seit Du Bundeskanzler bist, geht ein Ruck durch unser Land, der uns wieder stolz sein lässt auf unser Land“, ruft Hagel dem entspannten Merz zur Begrüßung entgegen. Das ist – nun ja – ein ganz klein wenig übertrieben, aber wenn die Union im Berliner Kanzleramt regiert, ist die Welt für die CDU tendenziell in Ordnung.

Merz genießt dieses emotionale Heimspiel sichtlich. Er steigt mit seinem Außenpolitik-Block in seine Rede ein. Deutschland sei wieder bereit, Führungsverantwortung zu übernehmen. Seine Antrittsreise nach Paris und Warschau habe das gezeigt, ebenso die Reise nach Kiew, die Telefonate mit US-Präsident Trump und am Vortag nach Tirana, und natürlich werde er heute Abend noch mit Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni reden – ein indirekter Seitenhieb auf linke Boykottaufrufe gegen die konservative Italienerin. Der Applaus ist kräftig, ehrlich und auch ein wenig übliche Selbstberauschung auf Parteitagen.

Merz sprach vor einer Partei in Baden-Württemberg, die Gestaltungsmacht auf Bundesebene goutiert.

Doch Merz fühlt sich auch sonst sichtlich wohl im Amt und lässt immer wieder einen beiläufig-kraftvollen Hauch Großspurigkeit in seine Rede einfließen: „Ich möchte, dass wir wieder ein führendes Land werden … Ich bin nicht bereit zu akzeptieren, dass dieses Land in die Hand von Links- oder Rechtsradikalen fällt … Ich werde viel Freiraum geben …“ Ein kategorischer Regent, der Ansagen macht. Widerspruch nicht vorgesehen.An der Basis sieht man über all das hinweg, will jetzt erst einmal hoffen dürfen, dass die Regierung in Berlin funktioniert und Rückenwind für die eigene Landtagswahl gibt. Kritische Spitzen und Gereiztheiten aus der SPD, die den Koalitionshimmel verdüstern könnten, überhört man generös. Merz hofft gar, dass gerade mit der SPD die längst überfälligen Sozialreformen angegangen werden können, sagt er und trifft damit die Sehnsucht der Mittelständler im Saal.Eines ist dann aber doch erstaunlich auf diesem Parteitag: Als Merz seinen neuen Kanzleramtsminister Thorsten Frei für dessen enge und vertrauenswürdige Arbeit lobt, bricht nicht nur tosender Beifall aus in der Arena, der Saal steht auch unversehens applaudierend für Frei, der fast schon unauffällig am Rande des Präsidiums sitzt. Frei ist ein stets freundlicher, stets beherrschter, selbstironischer Mann, der seinen schwäbischen Akzent erfolgreich niedergerungen hat und über einen verlässlichen konservativen Kompass verfügt. Applaus im Stehen für einen, der einfach als guter Typ und verlässlicher Parteifreund wahrgenommen wird, Bürgermeister war und mit großer Langmut Zeit für jeden hat, wie es einer ausdrückt. In all den Jahren als Politik-Reporter habe ich das noch nicht erlebt. Applaus für die Macht gehört zum Geschäft, Sympathiebekundungen ohne Not eher nicht.Merz muss dann weiter. Mit Ehefrau Charlotte besucht er noch kurz den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und fliegt dann weiter nach Rom, diniert mit Meloni, wird am Sonntag von Papst Leo XIV. empfangen. Die Welt ruft. Baden-Württemberg kommt einstweilen allein klar.

Publisher Logo

Dieser Artikel ist von NiUS

Klicke den folgenden Button, um den Artikel auf der Website von NiUS zu lesen.

Weitere Artikel