
An Pfingsten 2024 grölte eine fünfköpfige Gruppe junger Erwachsener auf der Terrasse der Edelkneipe „Pony“ in Kampen auf Sylt einen ausländerfeindlichen Liedtext. Quasi zur Staatsaffäre wurde die Sache, weil ein Beteiligter den „Gesang“ gefilmt und im Netz verbreitet hatte. Auf dem Video sind eine Frau und ein Mann zu sehen, die zum Song „L’amour toujours“ des DJs Gigi D‘Agostino den abgewandelten Refrain „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ mitsingen. Ein anderer Mann simuliert zum Takt der Musik eine Art Hitlergruß, während er mit zwei Fingern der anderen Hand ein Hitlerbärtchen andeutet.
Das Video ging viral. Oberste Staatsvertreter – von Bundespräsident Steinmeier über Kanzler Scholz bis Innenministerin Faeser – bezogen Stellung: „ekelig“, „Schande für Deutschland“, „Werte des Grundgesetzes mit Füßen getreten“. Der Staatsschutz trat auf den Plan. „Sind wir wieder so weit?“, sollte die ganze Nation zerknirscht fragen. Es wurde inbrünstig gar – um weiteren „Missbrauch“ zu verhindern – ein Verbot des D’Agostino-Liedes diskutiert. Große und kleine Volksfeste verbannten das Lied umgehend aus ihren Bierzelten. Wie im Jahr zuvor den Ballermann-Hit „Layla“.
Nun allerdings hat die Staatsanwaltschaft Flensburg das Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung gemäß § 130 Strafgesetzbuch (StGB) gegen drei aus der „Pony“-Gruppe nach WELT-Informationen eingestellt. Es hätten sich nach Sichtung des Videomaterials nicht genügend Anhaltspunkte für eine weitere Verfolgung der Sache ergeben, sagte eine mit dem Verfahren vertraute Person WELT. Der Gesang bleibe eine „Meinungsäußerung“, geschützt durch Artikel 5 des Grundgesetzes. Wörtlich dazu die Staatsanwaltschaft Flensburg: „Weder der Inhalt der Parolen noch die Gesamtumstände lassen nach Abschluss der Ermittlungen den zweifelsfreien Rückschluss zu, dass gegen die betroffene Personengruppe nicht nur Vorbehalte und Ablehnung, sondern eine aggressive Missachtung und Feindschaft in der Bevölkerung erzeugt oder gesteigert werden sollten.“
Der von einem der jungen Männer angedeutete Hitlergruß hat indes Folgen. Diese Geste wertete die Staatsanwaltschaft gemäß § 86a des Strafgesetzbuches (StGB) als Verwendung eines verfassungswidrigen Kennzeichens; sie beantragte einen Strafbefehl in Höhe von 2500 Euro. Stimmen Gericht und der Angeschuldigte der Geldbuße zu, gilt dieser weiterhin als nicht vorbestraft. Auch eine Eintragung ins Führungszeugnis droht dann nicht.
Die Staatsanwaltschaft Flensburg folgt damit dem Beschluss des Landgerichts Oldenburg von Mitte Dezember 2024 (AZ: 6 Qs 160 Js 40980/24 (55/24) jug) mit einem ähnlichen Ergebnis. In diesem Fall ging es um zwei Jugendliche (16 und 17), die bei einem Schützenfest am 20. Mai 2024 den gleichen rassistischen Refrain wie die Sylt-Gruppe zu „L’amour toujours“ gegrölt hatten. Das Landgericht betonte im Revisionsverfahren, dass auch solche Äußerungen unter den Schutz der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz fielen. Unter anderem argumentierte das Gericht: Die Parole ‚Deutschland den Deutschen, Ausländer raus‘ sei ohne Weiteres als wertende Stellungnahme und damit als Meinung zu qualifizieren. Meinungsfreiheit gelte auch dann, wenn sie „scharf und überzogen“ geäußert werde.
Nun: Vor Gericht und auf hoher See bist du in Gottes Hand. Staatsanwaltschaft und Amtsgericht Bamberg sind da erheblich bemühter. Bis dorthin hat sich Artikel 5 des Grundgesetzes womöglich nicht herumgesprochen. Wie die „Fälle“ von Verurteilungen wegen angeblicher Beleidigung von Ministern wie Faeser oder Habeck belegen. TE hatte berichtet.
„Sylt“ ist längst nicht das erste Mal, dass diese ach so böse Post-NS-Nation in ein Büßergewand schlüpfen soll. Notfalls werden Straftaten oder Unglücksfälle entsprechend „geframed“ und medial „eingeordnet“.
So war es im Jahr 2000 in Sebnitz. Angeblich hatten rechte Glatzköpfe dort am 13. Juni 1997 den kleinen Joseph (6) im Schwimmbad ertränkt. „Bild“ machte daraus drei Jahre später, am 23. November 2000, die Schlagzeile „Neonazis ertränken Kind“. 50 Neonazis seien es gewesen, sie hätten Joseph vor den Augen von 300 Badegästen geschlagen, mit einem Elektroschocker malträtiert und ins Schwimmbecken geworfen, wo er ertrank. Der „Spiegel“ fragte am gleichen Tag suggestiv dramatisierend: „Folterten Neonazis einen Sechsjährigen?“ Kanzler Gerhard Schröder empfing die Mutter des Kindes. Aber es war alles ganz anders, wie sich nach der Befragung von 250 Zeugen und zwei Obduktionen herausstellte. Bald war klar: An den Vorwürfen ist nichts dran. Der Junge war eines natürlichen Todes gestorben. Sebnitz aber blieb eine Kleinstadt mit „Nazi“-Stempel.
Ähnlich war es im Oktober 2000: Am 2. Oktober gab es einen Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge. Mit geringem Sachschaden. Am 4. Oktober besichtigte Kanzler Schröder den Tatort. Er sagte dort: „Wir brauchen einen Aufstand der Anständigen.“ In der Folge wurden landauf landab „Aktionspläne“ entworfen, es gab Lichterketten und Demonstrationen. Die Bundesregierung initiierte – erfolglos – ein Verfahren zum Verbot der NPD. Im Dezember 2000 gestanden ein junger Marokkaner und ein junger Palästinenser, dass sie die Täter waren. NRW-Innenminister Fritz Behrens meinte trotzdem, dass der Hintergrund der Täter „keine Entwarnung“ darstelle und „die rechte Gefahr“ dennoch vorhanden sei.
Auf diese Weise ging es über Jahre und Jahrzehnte dahin. Immer wieder gab es das Geraune um „rechte“ Täter. Um Rassismus und so weiter. In diesen Chor stimmte soeben die sattsam bekannte, von der Stasi-Spitzelin Anetta Kahane gegründete und vom Staat über die Jahre hinweg mit Millionen Euro alimentierte Amadeu-Antonio-Stiftung im Zusammenhang mit dem von der Polizei erschossenen Schwarzen Lorenz A. (21) ein. Lorenz war in Oldenburg vor einem Nachtclub in einen Streit geraten, er versprühte Reizgas und lief davon. Menschen, die die Verfolgung aufnahmen, drohte er demnach mit einem Messer. Was wirklich geschehen ist, bleibt noch im Dunkeln.
Die Amadeu-Antonio-Stiftung, zu deren Stiftungsrat der umstrittene Thüringer Verfassungsschutzchef Stephan Kramer gehört, „wusste“ aber sofort: „Polizist ermordet in Oldenburg den Schwarzen Lorenz A.“ Der entsprechende Post (siehe Screenprint) verschwindet zwar wieder aus dem Netz. Aber die „Stiftung“ bleibt dran.
Screenprint via X (Post inzwischen gelöscht)
Wenig später, am 29. April, postet sie: „Lorenz erinnert an diesem Tag viele an George Floyd. Auch die deutsche Polizei hat ein Rassismusproblem.“ Und: „10.000 Menschen gedenken in Oldenburg Lorenz A, der durch einen Polizisten getötet wurde. Auch in anderen deutschen Städten gibt es große Anteilnahme und Gedenken. Bilder von Lorenz und Anekdoten wechseln sich ab mit ‚Black Lives Matter‘-Schildern.“
Jaja, was immer in Deutschland passiert: Der Verdacht von „Rassismus“ und „Rechtsextremismus“ ist schier allgegenwärtig. Die Politik ist nicht unschuldig daran. Sie will es statistisch belegen und glaubt, etwa in Sachen „Antisemitismus“ zu wissen, dass antisemitische Ideologien weiterhin tief in rechtsextremen Strukturen verankert seien und in bedrohlicher Weise zunähmen. Aber es ist ein statistisches Artefakt. Jede einzelne politisch motivierte Kriminalität (PMK) wird zwar einem der folgenden Phänomenbereiche zugeordnet: PMK-links, PMK-rechts, PMK-ausländische Ideologie, PMK-religiöse Ideologie, PMK-sonstige Zuordnung. Wenn sich indes aus den Umständen der Tat und/oder der Einstellung des Täters keine gegenteiligen Anhaltspunkte zur Tätermotivation ergeben, werden fremdenfeindliche sowie antisemitische Straftaten dem Phänomenbereich „PMK-rechts“ zugeordnet.
So eine Antwort der Bundesregierung auf eine AfD-Anfrage vom 3. Juli 2023. Das ist in zweifacher Hinsicht statistische Willkür. Einmal wegen der Zuordnung „rechts“ in jedem Zweifelsfall. Zum zweiten aber auch, weil „PMK-ausländische Ideologie“ und „PMK-religiöse Ideologie“ getrennt registriert werden, wiewohl sie sehr oft gemeinsame Wurzeln haben. Ein Schelm, wer Böses unterstellt: Auf diese Weise wird vermieden, dass beide (zumindest benachbarte) Phänomene zusammen im statistischen Schaubild (im Histogramm) die höchste Säule vor „PMK-rechts“ ausmachen. Q.E.D: „Rechts“ führt.