
Für die scheidende Außenministerin Annalena Baerbock gab es am Donnerstag bei ihrem Syrien-Besuch erneut keinen Handschlag. Der amtierende syrische Präsident Ahmed al-Scharaa verweigerte der Grünen-Politikerin, wie bereits im Januar, demonstrativ den Handschlag zur Begrüßung.
Bereits bei ihrem vorherigen Besuch hatte Baerbock nüchtern festgestellt: „Schon als ich angereist war, war mir jedenfalls klar, dass es hier offensichtlich nicht gewöhnliche Handschläge geben wird. Aber ebenso war klar, ich glaube auch meinen Gesprächspartnern, dass nicht nur ich, sondern der französische Außenminister das nicht teilt.“
Ein Wiedererstarken extremistischer islamistischer Strukturen werde von Europa keinesfalls unterstützt werde, sagte Baerbock. Zuvor feierte man international noch den Sieg der islamistischen Hay’at Tahrir al-Sham (HTS) über Assad als Erfolg. Doch in den vergangenen Wochen wurde klar, dass die neuen Machthaber ihre teils radikalen Anhänger nicht unter Kontrolle haben. So eskalierte die Lage in Syrien zunehmend.
Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bei Kämpfen zwischen syrischen Sicherheitskräften und Anhängern des gestürzten Präsidenten Baschar al-Assad mehr als 270 Menschen getötet, darunter 148 Pro-Assad-Kämpfer und 125 Kräfte der neuen Regierung.
Die neuen Machthaber der islamistischen Hay’at Tahrir al-Sham (HTS) und ihre Truppen gingen rücksichtslos gegen Zivilisten vor – über 740 Alawiten wurden getötet. Für diese Verbrechen müssten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, um eine stabile Zukunft Syriens zu sichern, so Baerbock. Diese Zukunft, so Baerbock, stehe derzeit auf „Messers Schneide“.
Die islamistische HTS entstand 2017 aus mehreren dschihadistischen Gruppen, darunter Jabhat Fateh al-Sham (vormals Al-Nusra-Front). Ihr Gründer und Anführer Ahmad al-Sharaa (Abu Mohammad al-Jolani) begann seine Karriere bei Al-Qaida im Irak, bevor er 2011 die Al-Nusra-Front in Syrien gründete. Al-Sharaa trennte HTS später von Al-Qaida und gibt sich seitdem als pragmatischer Realpolitiker.
HTS verfügt über militärische, politische und zivile Strukturen. Militärisch organisiert sie sich in Brigaden und spezialisierten Einheiten für Guerillakriegsführung, Attentate und Drohnenangriffe. Parallel dazu betreibt sie die sogenannte „Regierung der Rettung“, die öffentliche Verwaltung, Justiz, Bildung und Gesundheitswesen übernimmt. Die HTS gilt international weiterhin als terroristische Organisation, deren langfristiges Ziel ein islamistisches Emirat bleibt.
Im Zuge ihrer zweiten Reise eröffnete die Außenministerin während ihres Aufenthalts offiziell eine deutsche Botschaft in Damaskus. Und auch finanzielle Unterstützung hat Baerbock bereits zugesagt. Bei einer internationalen Konferenz in Riad versprach die Grünen-Politikerin 50 Millionen Euro für die Versorgung des Landes mit Nahrung und Medikamenten.
Sie forderte damals zudem einen „smarten Ansatz“, um die Produktverfügbarkeit für die syrische Bevölkerung zu verbessern. Zuvor hatte die Außenministerin auf einer Pressekonferenz „akut zusätzliche acht Millionen Euro an humanitärer Hilfe“ versprochen und angekündigt, die HTS-Miliz „an ihren Taten messen“ zu wollen (Apollo News berichtete).