
Nachdem im März über 1.500 Alawiten, größtenteils Zivilisten, von syrischen Regierungsmilizen massakriert wurden (mehr dazu hier), gehen diese nun gegen Drusen in der südsyrischen Region Suweida vor. Suweida wird hauptsächlich von der religiösen Minderheit der Drusen bewohnt. Insgesamt gibt es in Syrien, Israel und dem Libanon etwa eine Million Drusen. Wie die in Großbritannien ansässige Organisation Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) mitteilte, sind seit Beginn der Auseinandersetzungen in Syrien insgesamt 300 Menschen getötet worden, darunter 69 drusische Kämpfer und 40 drusische Zivilisten.
27 Zivilisten sollen von syrischen Regierungstruppen in einer „standrechtlichen Hinrichtung“ getötet worden sein. Auch 165 Soldaten der syrischen Truppen und 18 Beduinenkämpfer wurden laut SOHR getötet. Sieht man die Berichte über Tote und Verwundete auf den sozialen Medien, dürfte die tatschliche Anzahl der getöteten Drusen weit höher liegen. Am vergangenen Donnerstag war es zu Auseinandersetzungen zwischen syrischen Drusen und sunnitischen Beduinen gekommen, wie der Spiegel berichtete. Beduinen hatten bei einem Raubüberfall einen Drusen entführt, als Reaktion darauf entführten einige Drusen acht Beduinen.
Die Lage eskalierte und infolge der Auseinandersetzungen wurden 100 Personen getötet, wie Times of Israel berichtete. Daraufhin wurden am Dienstag Milizen und Truppen der nach wackligen syrischen Regierung nach Suweida entsandt, vorgeblich, um die Ordnung wiederherzustellen und die Einhaltung eines Waffenstillstands zu überwachen. Augenzeugen berichteten laut Times of Israel jedoch, dass sich die Regierungstruppen und Sicherheitskräfte, die dem Verteidigungsministerium angehören, an den Kämpfen gegen die Drusen beteiligten. Sie sollen Häuser und Geschäfte geplündert und angezündet haben.
Al-Julani’s forces are shaving Druze mustaches— in Sunni Islam, the tradition is to shave the mustache and keep the beard. But for the Druze, the mustache is a symbol of pride and identity. They are humiliating the Druze. There is no future for minorities in “new Syria.” pic.twitter.com/3Y8Cs7mRzZ
— Brother Rachid الأخ رشيد (@BrotherRasheed) July 15, 2025
Aufnahmen aus den sozialen Medien sollen zeigen, wie Sicherheitskräfte des syrischen Verteidigungsministeriums Drusen demütigen, indem sie den Männern den Bart abrasieren. Bei den Drusen gilt der Bart als Zeichen der Frömmigkeit. Er sei mit der jüdischen Kippa vergleichbar, wie ein israelischer Druse am 3. Mai gegenüber der Jerusalem Post sagte. Fotos aus den sozialen Medien, die nicht unabhängig bestätigt werden konnten, zeigen, wie ausländische Milizen, die dem Verteidigungsministerium unterstehen sollen, Abzeichen der Terrororganisation „Islamischer Staat” auf ihrer Uniform tragen.
Auch Mitglieder der syrischen Sicherheitskräfte sollen IS-Abzeichen auf ihren Uniformen tragen und explizit zur Köpfung von Drusen aufgerufen haben. Die christliche Kirche im Dorf Al-Soura Al-Kabeera soll von Milizen des Verteidigungsministeriums in Brand gesteckt worden sein. Syrische Sicherheitskräfte sollen getötete Drusen nach ihrer Hinrichtung anschließend mit Autos überfahren haben, wie Videoaufnahmen zeigen.
#Breaking: Many members of the so-called General Security Forces of the new #Syrian jihadist regime—currently conducting ethnic cleansing in #Suwaida, southern #Syria—are seen wearing #ISIS / #AlQaeda insignia. One is pictured here carrying a captured elderly Druze civilian. pic.twitter.com/IEhlEJJBV2
— Babak Taghvaee – The Crisis Watch (@BabakTaghvaee1) July 14, 2025
Militärische Konvois sollen sich von Homs Richtung Suweida aufgemacht haben. Fotos zeigen einen Bus mit der Aufschrift „Um die Mudschahedin gratis nach Suweida zu transportieren”. In den nächsten Stunden könnte es angesichts dessen zu einer weiteren Eskalation der Gewalt kommen.
Augenzeugenberichten zufolge sollen Streitkräfte des Verteidigungsministeriums das Nationale Krankenhaus von Suweida gestürmt und Ärzte, Patienten und drusische Zivilisten, die sich dort aufhielten, getötet haben. Das syrische Verteidigungsministerium erhob laut der staatlichen Nachrichtenagentur Sana den Vorwurf, dass „bewaffnete kriminelle Gruppen” das Krankenhaus besetzen und als Stützpunkt nutzen würden, um Angriffe auf die syrische Armee zu verüben.
Angesichts der eskalierenden Gewalt gegenüber der drusischen Minderheit ist die israelische Armee eingeschritten. Am Dienstag flogen die israelischen Luftstreitkräfte Angriffe auf syrische Regierungstruppen, die Richtung Suweida unterwegs waren, wie Times of Israel berichtete. Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Israel Katz sagten in einem gemeinsamen Statement, dass man die Drusen in Syrien schützen wolle wegen „der tiefen brüderlichen Allianz mit unseren drusischen Bürgern in Israel”.
Die IDF teilte am Dienstag auf X mit, „mehrere gepanzerte Fahrzeuge, darunter Panzer, gepanzerte Mannschaftstransporter, Mehrfachraketenwerfer sowie Zufahrtswege, angegriffen zu haben“, um zu verhindern, dass syrische Streitkräfte Suweida erreichen. Am Mittwoch griff Israel das Verteidigungsministerium in Damaskus sowie den Präsidentenpalast an. Insgesamt wurden 160 Luftangriffe seitens Israels durchgeführt, wie Jerusalem Post berichtete.
Israelische Beamte sagten der Zeitung, dass das Militär bereit sei, mehrtägige Kampfhandlungen durchzuführen, um die Autonomie der Drusen zu sichern. „Die Signale an Damaskus sind vorbei – jetzt kommen die schmerzhaften Schläge“, kündigte Israels Verteidigungsminister an. 200 Milizen würden Gräueltaten in der Stadt Suweida verüben, während eintausend Streitkräfte der Regierungskräfte die Stadt belagern würden.
1.000 israelische Drusen versuchten am Mittwoch, die Grenze nach Syrien zu durchbrechen, um den Drusen in Syrien zu helfen. Zugleich versuchten syrische Drusen nach Israel zu fliehen, wie die Times of Israel berichtete. Netanjahu forderte die Drusen auf, nach Israel zurückzukehren, um die Arbeit der IDF nicht zu gefährden.
Am Mittwochabend verkündete der religiöse Anführer der Drusen, Sheikh Yousef Jarbou, im staatlichen Fernsehen, dass ein Waffenstillstand zwischen den Drusen und den Regierungstruppen geschlossen worden sei, der sofort in Kraft trete, wie The Guardian berichtete. Der US-Außenminister zeigte Marco Rubio sich laut Times of Israel zuversichtlich, dass eine Deeskalation zwischen Syrien und Israel in den kommenden Stunden erreicht werden könne.
Ob der Waffenstillstand zwischen den Drusen und der syrischen Regierung halten wird, ist fraglich. Angesichts der Gewalt, die Regierungstruppen gegen die religiöse Minderheit der Alawiten und Drusen verübten, ist es wahrscheinlich, dass es noch öfter zu Massakern kommen wird. Deutschland versprach Syrien im März, wenige Tage nach den Massakern an den Alawiten, 300 Millionen Euro Aufbauhilfe (Apollo News berichtete).