
Zum Jubiläumsjahr „1.250 Jahre Westfalen“ haben der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und die LWL-Kulturstiftung die Sonderausstellung „775 – Westfalen“ am 15. Mai mit einem Festakt im Hohen Dom zu Paderborn in Anwesenheit des Stiftungsschirmherren Frank-Walter Steinmeier und des Ministerpräsidenten von NRW Hendrik Wüst eröffnet. Was nach einer gesitteten und andächtigen Zeremonie zu Ehren der langen Geschichte der Region klingt und vielleicht sogar mal als solche geplant war, endete in einem Skandal.
Direkt vor der Rede Steinmeiers traten drei Tänzer des Ensembles „Bodytalk“ auf und stellten Ausschnitte ihres Projekts „Westfalen Side Story“ dar. Es beginnt mit zwei Tänzern, einer Frau und einem halbnackten Mann, mit halbem Dutt und gepiercten Brustwarzen, die mit Sensen tanzen. Dann tritt ein dritter hinzu, ebenfalls halbnackt, in der Hand eine große Metallschüssel. Die anderen legen ihre Sensen beiseite und alle greifen sich aus der Schüssel jeweils einen gerupften und ausgenommenen Hühnerkadaver mit Windel.
Während der dazugekommene Tänzer zu der Melodie von „Live is Life“ den umgedichteten Text „Fleisch ist Fleisch“ singt, tanzen die anderen mit ihren toten Hühnern. Sie greifen sie an den Flügeln und lassen sie laufen, wirbeln sie herum und setzen sie sich auf die Schultern oder balancieren sie auf den Füßen und lächeln dabei etwas debil, beinahe manisch. Der Sinn erschließt sich nicht wirklich. Es handelt wohl von Landwirtschaft, die Hühnersequenz soll dabei eine Kritik an der Fleischindustrie sein, warum die Hühner Windeln tragen müssen, geht nicht hervor.
Darf ich vorstellen? "Westfalen Side Story" im Paderborner Dom.
Wirklich spannend wird es ab 2:15minDas hier ist der gesamte Auftritt.
In Paderborn wurde das 1250. Jubiläum von Westfalen gefeiert. Mit dabei: MP Wüst und Bundespräsident Steinmeier.
UND: Hähnchen in Windeln.… pic.twitter.com/6aZCKwBxQK
— Boris von Morgenstern (@BvMorgenstern) May 28, 2025
Besonders Gläubige und Anhänger der Gemeinde des Hohen Doms von Paderborn empfinden diesen Auftritt als geschmacklos und eine Beleidigung ihres Glaubens. Eine Petition auf der Website Citizen Go, mit dem Titel „Gegen die Entweihung des Paderborner Doms: Für den Schutz unserer heiligen Stätten“, erhielt bereits innerhalb von acht Tagen 20.000 Unterzeichner.
Die Initiatoren bezeichnen die Darstellung als „eindeutige Blasphemie und Entweihung des Heiligen Raumes“. Sie fordern eine „eindeutige Aussage von Erzbischof Dr. Udo Bentz, der während der Performance im Publikum saß und nicht reagiert hat“, sowie „einen Buß- und Sühneakt mit Neuweihe des durch diese Performance entweihten Doms“. Der Tanz fand direkt vor dem Altar samt Kreuz und Osterkerze statt.
Inzwischen hat das Metropolitankapital des Hohen Doms zu Paderborn ein Statement abgegeben. Man habe den Dom in der Vergangenheit bereits öfter für Veranstaltungen zur Verfügung gestellt, auch in langjähriger Zusammenarbeit mit dem LWL. „Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung dieses Programmpunktes war im Vorfeld weder den Verantwortlichen seitens der Veranstalter noch des Veranstaltungsortes bekannt“, heißt es.
Inzwischen sei man aber bereits dabei, die internen Abläufe zu überarbeiten, sodass es vor der zukünftigen Vermittlung des Doms als Veranstaltungsort eine genauere inhaltliche Prüfung geben kann. Im Klartext heißt das: Die Kirche wurde als Eventlocation vermittelt und die kirchlichen Verantwortlichen zogen sich weitestgehend aus der Sache heraus. Ein kirchlicher Bezug ist für die Veranstaltungen nicht nötig, und es wurde bislang nicht einmal geprüft, ob die Aufführungen für diesen Ort angemessen waren.
Dass aber niemand gewusst haben will, was die Tänzer vorführen würden, ist schwer zu glauben. Nur ein Blick auf die Website des Ensembles macht sehr deutlich, welcher Form der Kunst man sich bei Bodytalk verschrieben hat. Vergangene Auftritte der letzten zehn Jahre sind dort in Flyern und Pressestatements mit Fotos und Videos sehr transparent aufgearbeitet.
So etwa das Stück „Politics of dancing“ mit dem SPD-Politiker Dr. Wolfgang Ressmann. Während er, in das Stück eingearbeitet, eine politische Rede hält, stehen die Tänzer hinter ihm, eine Frau mit roter Fahne in der Hand, zieht ihr SPD-T-Shirt hoch, hält es mit den Zähnen und entblößt ihre nackten Brüste. Später reißt eine Frau sich irgendwann ihr T-Shirt vom Leib, zieht sich an den entblößten Nippeln, während ein Mann sie von hinten mit einem Handtuch auspeitscht.
In einer anderen Sequenz entblößt sich ebenfalls eine Frau und führt eine Art verführerischen Katzentanz auf, den ein halbnackter, offenbar behinderter Mann versucht ihr nachzumachen, während ein anderer Mann mit stoischem Blick sie von hinten am Bauch kneift und ihr auf die Brust fasst. Das Stück endet damit, dass die Tänzer einen alten, halbnackten Mann mit einem Seil würgen, bevor sie ihm eine blonde Perücke überziehen und ihn durch Klopapier laufen lassen.
Ungefähr jedes Stück von Bodytalk läuft so ab. Das Tänzerkollektiv stellt alles dar, was Hape Kerkeling mit „Hurz!“ einst karikiert hatte. Nicht sonderlich intelligente oder einfallsreiche Menschen, die aber auch zu wichtigen Themen etwas zu sagen haben wollen und sich deshalb dümmer und alberner darstellen als sie sind, um intelligenter zu wirken. Sie greifen dabei auf zwei Schockelemente zurück – 1) Nacktheit und 2) alles, was ein normaler Mensch eklig findet – die dann in verschiedensten Varianten kombiniert werden können.
Um offenbar die Aufarbeitung mit Auschwitz zu kritisieren – der genaue Sinn wird auch hier wieder nicht deutlich – übergießt sich ein vollkommen nackter Mann mit Milch, die ihm über den Penis läuft. Eine andere Frau sitzt nur mit Schlüpfer und an die Brust geklebten Milchkartons bekleidet auf dem Gesicht eines Mannes, dem sie Milch in die Augen schüttet.
Gerupfte Hühnchen sind auch kein originelles Stilmittel, auch sie wurden schon in anderen Aufführungen verwendet. Und dass die Beteiligten nicht sonderlich viel Respekt vor der Kirche haben, hätte man spätestens seit ihrer „Tanzverbot“-Aufführung vom Karfreitag 2015 in der Kreuzkirche Bonn wissen können, bei der sie aus Protest gegen das Tanzverbot in der Kirche getanzt haben – dank Live-Übertragung durch die ARD vor einem Millionenpublikum.
Dieser „Tanzgruppe“ fällt nichts anderes ein, als sich auszuziehen und eklige Sachen zu machen oder das Trotzverhalten eines Vierjährigen an den Tag zu legen. Auffällig: Viele Aufführungen sind immer wieder staatlich gefördert. Zu ihren treuen Partnern zählen das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und das Kulturamt der Stadt Münster. Man fragt sich doch, welches Szenario schlimmer ist: Dass staatliche Stiftungen ganz bewusst dieser Fetischkunst kirchliche Tore und Steuergelder eröffnen – oder dass sie es blind tun.