Tausende Arbeitsplätze betroffen: Mögliche Werkschließungen setzen Chemieindustrie in Mitteldeutschland unter Druck

vor etwa 4 Stunden

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Die Chemieindustrie kämpft auch im Osten ums Überleben. Der für die Region wichtige US-amerikanische Konzern Dow Chemicals hatte bereits bei einer Bilanzvorstellung im April angekündigt: Die Anlagen im sächsischen Böhlen sowie im sachsen-anhaltinischen Schkopau stünden auf der Kippe. „Leerlauf oder Stilllegung“, so lautete die Prognose des Dow-Vorsitzenden Jim Fitterling.

Und: Trotz, dem Handelsblatt zufolge mit Friedrich Merz geführter, Standortgespräche konnte offenbar bislang keine Lösung gefunden werden. Überkapazität und hohe Strompreise bedrohen die Wirtschaftlichkeit der beiden Anlagen im mitteldeutschen Chemiedreieck, bis Ende Juli, wenn die nächste Bilanzvorstellung ansteht, soll Dow eine Entscheidung treffen.

In den beiden betroffenen Anlagen geht es zwar zunächst insgesamt um 1.600 Angestellte – betroffen könnten am Ende jedoch tausende Arbeitsplätze sein. Denn: In der mitteldeutschen Chemiebranche sind etwa 55.000 Personen tätig. Böhlen und Schkopau gelten als wichtige Vernetzungsanlagen für die Region um Halle, Merseburg und Bitterfeld-Wolfen. Fallen sie weg, könnten auch andere Betriebe betroffen sein.

In den beiden Anlagen werden etwa Ressourcen in wichtige Bestandteile zerlegt, die für die Produktion umliegender Unternehmen unabdingbar sind. Hier handelt es sich oft um mittelständische Firmen, die Ausfälle und höhere Preise kaum wie große Konzerne ausgleichen können. Die Nordostchemie-Verbände schätzen, dass auf dieser Basis an jedem Chemie-Angestellten drei weitere Arbeitsplätze hängen. Welche Auswirkungen das haben kann, skizziert der Focus am Fall Bitterfeld-Wolfen.

Zwar ist der sachsen-anhaltinische Chemiepark nicht wie die beiden anderen Anlagen von einer möglichen Stilllegung betroffen, aufgrund der geringen Auslastung und hoher Strompreise ist die Lage aber auch hier angespannt. 15.000 Angestellte sind hier tätig.

Doch nicht nur die Arbeitsplätze direkt vor Ort sind für die Region wichtig, Bitterfeld-Wolfen rechnet für das laufende Jahr überdies mit Einnahmen aus Gewerbe- und Einkommenssteuer in Höhe von 33 Millionen Euro und 13 Millionen Euro – was immerhin 60 Prozent der Einnahmen der Stadt ausmacht und zu großen Teilen aus der Chemiebranche gespeist wird. Was dann im Haushalt als Überschuss übrig bleibt, wird an finanzschwache Kommunen und Landkreise verteilt.

Für 2025 sind dafür 22,5 Millionen Euro vorgesehen. Würde der Chemiepark hier wegfallen, müsste die Stadt mit weniger Einnahmen haushalten, wodurch auch Gemeinden und Landkreise weniger erhalten und die ganze Region einen finanziellen Rückschlag erleiden würde. Dieses Szenario zeigt die Konsequenzen, die der Wegfall der Standorte für Mitteldeutschland bedeutet.

Die Anlagen in Schkopau und Böhlen sind zwar kleiner – jedoch ebenfalls wichtig für die ganze Region. In Böhlen zerlegtes Rohbenzin wird etwa per Pipeline nach Bitterfeld-Wolfen transportiert. Fällt diese Möglichkeit weg, müssen die Ressourcen per Lastkraftwagen oder Zuglieferung beschafft werden. Das wiederum ist mit einem Aufpreis verbunden.

„Die Hütte brennt“, erklärte die Geschäftsführerin der Nordostchemie-Verbände, Nora Schmidt-Kesseler, deshalb dem Focus. „Eine solche Situation habe ich in den vergangenen zehn Jahren noch nicht erlebt.“ Für Entlastung könnte die vorgesehene Senkung der Netzentgelte sowie die Stromsteuersenkung für das Gewerbe sorgen. Beides wurde im Koalitionsvertrag von Union und SPD versprochen – für die Chemiebranche in Mitteldeutschland hat sich bislang jedoch nichts geändert.

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