Techniker-Chef spricht Klartext

vor 4 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Wirtschaftliche Krisen entkleiden dysfunktionale Projekte und Unternehmen gnadenlos. Das gilt in diesen Tagen in besonderem Maße auch für die deutsche Sozialversicherung. Sie steht gleich mehrfach unter Beschuss. Die Politik ist gut beraten, die warnenden Worte des Chefs der Techniker Krankenkasse ernst zu nehmen.

Kritik aus den Kreisen der Wirtschaft oder der oberen Funktionärs-Ebene ist in Deutschland selten geworden. Umso schwerer wiegen die Worte des Chefs der Techniker-Krankenkasse, Dr. Jens Baas. Der kritisiert in einem Beitrag auf LinkedIn offen die Fehlkonstruktion der gesetzlichen Krankenkasse.

Deutliche Warnung der Techniker

Den gesetzlichen Krankenkassen drohe bis 2027 ein Defizit von 12 Milliarden Euro, so Baas. Ein erneuter Anstieg des Beitragssatzes sei dann unvermeidlich. Doch statt struktureller Reformen stopfe die Politik die Löcher mit neuen Schulden. Ein Darlehen von 2,8 Milliarden Euro soll die GKV liquide halten.

So weit, so gut. An die Horrorzahlen aus der deutschen Sozialversicherung sollten wir uns langsam gewöhnt haben.

Und Baas hat absolut Recht, auf dieses Problem hinzuweisen, das sich, sollte sich der eingeschlagene Pfad der deutschen Wirtschaft nicht abrupt ändern, weiter verschärfen wird. Allein in diesem Jahr werden voraussichtlich noch bis zu 170.000 Menschen ihren Job verlieren. Damit gerät die Beitragsbasis zunehmend unter Druck, während Behandlungskosten weiter steigen und der viel zu teure Verwaltungsapparat keiner Reform unterzogen wird. Auf die Lagebetrachtung folgt dann der Klartext, der in der deutschen Debattenkultur

zur Mangelware geworden ist. Baas weist auf die Belastung seiner Versicherten durch die Versorgung von Bürgergeldempfängern hin. Die Kassen bringen für diese Gruppe jedes Jahr rund 10 Milliarden Euro auf, während der Staat pauschal nur 100 Euro pro Kopf überwiesen. Nach Baas liegt der tatsächliche Aufwand allerdings bei über 300 Euro. Die Differenz zahlen also Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Eine stille Umverteilung, die nicht thematisiert werde. Das sei nicht gerecht, so Baas, der die Finanzierung einkommensunabhängiger Sozialtransfers wie im Falle des Bürgergeldes über Steuern lösen will.

Gehen wir von diesem Standpunkt aus noch einen Schritt weiter und ergänzen das Bild um die Tatsache, dass die Mehrheit der Bürgergeldempfänger Leistungsbezieher der Migrationswellen sind, die das deutsche Sozialwesen an die Belastungsgrenze bringen. Die hohen Defizite der Kassen zeigen, dass die Dämme brechen. Dies gilt sowohl für die finanzpolitische Betrachtung als auch für die große Lebenslüge der deutschen Politik: Deutschland ist als Weltsozialamt gescheitert.

Wie geht es nun weiter? Zunächst werden wir weitere Beitragserhöhungen hinnehmen und womöglich auch eine Zeit lang finanzieren können. Doch wo soll dies alles enden? Der produktive Teil der deutschen Wirtschaft geht bereits angesichts fiskalischer Überbelastung, grüner Transformation und Überregulierung in die Knie. Der eigentliche Skandal ist, dass Politik und große Teile der Medien die Analyse der Dauerrezession verweigern, ihrem Publikum keinen sinnvollen Kontext dazu anbieten.

Das politische Handeln in Berlin und Brüssel wird in rhetorische Zuckerwatte gepackt. Schuld am Desaster haben immer nur andere: Mal sind es gierige Unternehmer, Trump, oder eine böswillige Opposition. Dies alles gern auch in einem Potpourri miteinander vermengt.

Die bestehenden Probleme sind fundamental. Man kann sie nicht rhetorisch zerstreuen. Und die Löcher in den Sozialkassen werden schon bald zu Kratern aufreißen. Ergänzungszuweisungen aus dem Bundeshaushalt werden dann nicht mehr genügen. In einem Extremszenario werden neu emittierte Schulden unmittelbar von der Europäischen Zentralbank monetarisiert und in die Sozialkassen eingespeist. So pervertiert der Wohlfahrtsgedanke zu einer haushaltspolitischen Farce. Leistungsversprechen werden mit Schulden bedient. Die Zeche zahlt der produktive Teil der Gesellschaft mit steigender Inflation und immer weiter steigenden Abgaben.

Die Finanzlücke der gesetzlichen Krankenkassen wird zum Spiegelbild multiplen Scheiterns: Weder ist es gelungen, die deutsche Wirtschaft aufs Wachstumsgleis zu setzen, noch hat man wirksame demografische Faktoren in die Sozialversicherungen eingebaut. Der Verwaltungsapparat wurde nicht beigeschnitten, Leistungsversprechen immer weiter angehoben, in erster Linie, um im Wahlkampf zu glänzen. Auch der Migrationsflut wurde keine Grenze gesetzt.

Ohne grundlegende Reformen droht laut Bertelsmann Stiftung ein Beitragssatz von mindestens 18,2 Prozent bis 2030. Das entspräche einem jährlichen strukturellen Defizit von über 30 Milliarden Euro – jedes Jahr, wohlgemerkt.

Der Bundesrechnungshof rechnet sogar mit einem Minus von bis zu 50 Milliarden Euro im Jahr 2040 – sofern die politische Linie der Leistungsausweitung beibehalten wird. Der demografische Wandel, ein schrumpfendes Beitragszahler-Fundament und wachsender medizinischer Aufwand manifestieren die Unwuchten im System.

Die Politik ignoriert den Warnruf – und vertagt das Problem mit Beitragssteigerungen, Darlehen und Symptombehandlung. Doch das System ist längst chronisch krank und die Politik im Bewirtschaftungsmodus angelangt.

Die gesetzlichen Krankenkassen steuern 2025 ungebremst in die selbstgestellte Beitragsfalle. Während die Ausgaben im laufenden Jahr um 6,8 Prozent anschwellen, wachsen die Einnahmen nur um 3,7 Prozent. Marktmechanismen? Fehlanzeige. Die Kassen werden finanziell ausgehöhlt – und die Beitragszahler zur Kasse gebeten.

Wer die Beitragslast dauerhaft senken will, muss den Mut haben, die Klammer der Staatsmedizin zu sprengen. Die Gesundheitspolitik wird teurer, nicht besser, wenn sie nicht schrittweise marktwirtschaftlichen Regeln zugeführt wird. Dazu zählt echte Beitragsautonomie der Kassen genauso wie verstärkte Selbstbeteiligung und Bonusmodelle für Eigenvorsorge, die zur schrittweisen privaten Vorsorge hinführen – wer mehr Eigenverantwortung trägt, soll auch mehr Wahlfreiheit erhalten. Wettbewerb statt Zwangsbürokratie.

Gerade die gesetzliche Krankenversicherung ist ein beitragsfinanziertes Solidarsystem mit dem Anspruch auf versicherungslogische Kalkulierbarkeit. Sachfremde Leistungen – insbesondere solche sozialpolitischer Natur, wie sie im Zuge des politisch motivierten Ausbaus hin zur faktischen „Bürgerversicherung“ eingeführt wurden – dürfen unter keinen Umständen über die Beiträge der Versicherten finanziert werden.

Es handelt sich dabei um eine grobe Täuschung über den wahren Stand des wohlfahrtsstaatlichen Irrwegs, den Deutschland vor vielen Jahren eingeschlagen hat, als es sich, auch und gerade migrationspolitisch, in ein grün-sozialistisches Wolkenkuckucksheim verwandelte.

Gelingt es nicht, den Druck auf die Politik in Berlin zu erhöhen und diese zu Strukturreformen zu zwingen, wird der nächste Schritt eine deutliche Beitragssteigerung sein. Der Faktor Arbeit in Deutschland verteuert sich weiter, während die gesamtwirtschaftliche Produktivität stagniert. Das ist die Falle, in die wir alle gemeinsam hineingeführt werden.

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