Tempolimit auf deutschen Autobahnen – Begründeter Fuß auf die Bremse oder Boost für die Klima-Ideologie?

vor 15 Tagen

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Derzeit können sich Medienvertreter die Schlagzeilen aussuchen: Zur Wahl stehen unter anderem Kriegstüchtigkeit, Tesla-Bashing, Gender-Wahnsinn oder seit neuestem der Kampf gegen klimaschädigende Raser. Der nüchterne Aufhänger: Eine aktuelle Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast) im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums zu einem möglichen generellen Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen. Erwartungsgemäß haben sich insbesondere selbsternannte Verkehrsexperten mit grün-rotem Anstrich daraus lautstark eine medienwirksame Tempolimit-Forderung für das populistische Getöse rund um das anstehende Koalitionsprogramm gebastelt. Doch wie steht es um die fachliche Belastbarkeit dieser Forderung?

Zunächst können sich die reiferen Jahrgänge unter uns gut daran erinnern, dass Forderungen zu einem Tempolimit nahezu so alt wie die Autobahnen selbst sind. Die angeführten Gründe wechselten sich ab: Mal war es eine dringend erforderliche Senkung des Spritverbrauchs, mal die zu hohe Unfallzahl, mal schlicht die Behauptung, nur in Deutschland und sonst nirgends auf der Welt dürfe man unbegrenzt hohe Geschwindigkeiten fahren. Schließlich wird mitunter der Verdacht in den Raum gestellt, Tempofreiheit sei ein Zugeständnis an die deutsche Automobilindustrie und deren besonders stark motorisierte Produkte.

Was bei den Diskussionen oft übersehen wird: Auf welchen Netzabschnitten der insgesamt etwa 13 Tausend Autobahn-Kilometer ist überhaupt noch prinzipiell freie Geschwindigkeit erlaubt? Diese Antwort ist einfach: Auf ca. 70 Prozent der deutschen Autobahnen darf man unbegrenzt schnell fahren. Die mindestens restlichen 30 Prozent der Autobahn-Kilometer beziehen sich auf unbefristete, abschnittsbezogene Höchstgeschwindigkeiten. Bei den vermeintlich unbegrenzten Abschnitten ist zu beachten, dass Baustellen und starke Verkehrsbelastung, insbesondere Staus, zu faktisch deutlich niedrigeren Durchschnittsgeschwindigkeiten führen. Basierend auf einem Datensatz von TomTom wurde bereits 2019 erhoben, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit aller Pkws auf unlimitierten Autobahnen 122 km/h betrug. Nur 30 Prozent der Fahrzeuge fuhren mehr als 130 km/h und nur 10 Prozent mehr als 150 km/h.

Wenn man die Verkehrssicherheit durch ein allgemeines Tempolimit erhöhen wollte, müsste zuerst nachgewiesen werden, dass gerade auf den bislang unlimitierten Autobahnabschnitten eine besonders hohe Unfalldichte zu beklagen ist. Generell gelten die Autobahnen als die sicherste Straßenkategorie in Deutschland, was die Unfallquote bezogen auf die zurückgelegten Personen-Kilometer betrifft.

Der oberflächliche Blick auf Tempolimits im Ausland reicht ebenfalls nicht. Zum einen sind in einigen Nachbarländern, beispielsweise Italien, die Autobahnen von deutlich schlechterer Qualität und haben auch eine andere Streckenführung mit engeren Kurvenradien und stärkeren Gefällstrecken. Zum anderen werden gerade in jüngster Zeit Tempolimits etwa in Österreich, den Niederlanden, Tschechien oder auch Italien gelockert. Und Deutschland soll jetzt die Limitierung verschärfen?

Das Argument, in Deutschland seien insbesondere schnelle Fahrzeuge der heimischen Anbieter unterwegs, wirkt schlicht undurchdacht. Es erinnert an eine sehr abenteuerliche Form des Protektionismus zugunsten der heimischen Fahrzeug- und Zulieferindustrie. Dagegen sprechen schon folgende Argumente: Erstens produzieren die deutschen Hersteller mittlerweile ihre Fahrzeuge weltweit, zweitens sind bei dem auf deutschen Autobahnen bewegten Fahrzeug-Mix angesichts hoher Importquoten auch bedeutend viele ausländische Fabrikate vertreten, und drittens wird das deutsche Netz erheblich von Fahrzeugen genutzt, die nicht in Deutschland zugelassen sind.

Interessant ist auch das alte, aus den 70er Jahren stammende Argument des tempobedingt reduzierten Spritverbrauchs, denke man nur an die Extremform der 4 autofreien Sonntage in der Bundesrepublik Deutschland während der ersten Ölkrise im Winter 1973. Während damals eine temporäre volkswirtschaftliche Knappheit an Rohöl proklamiert wurde, kann davon heute keine Rede mehr sein. Was bleibt: Jeder, der schneller fährt, muss auch die Kosten des höheren Spritverbrauchs selbst tragen. Es lebe die persönliche Freiheit bei der Wahl der Geschwindigkeit, kombiniert mit der persönlichen Verantwortung für die damit verbundenen Kosten. Und schließlich zeigt die Realität, dass Fahrer von E-Autos in aller Regel auf Autobahnen freiwillig mit deutlich unter 130 km/h unterwegs sind, um die Reichweite der Akkus nicht über Gebühr zu stressen.

Nun zur CO2-Begründung der Forderung nach einem generellen Tempolimit auf deutschen Autobahnen: Die Antriebswende und die damit einhergehende Forderung nach einem Verbrenner-Verbot werden aus dem Klimawandel und der dafür verantwortlichen CO2-Produktion abgeleitet. Unabhängig davon, dass der menschengemachte Klimawandel höchst strittig ist, ist zu fragen, wie groß der Anteil der CO2-Emissionen seitens der Fahrzeuge, die auf deutschen Autobahnen abschnittsbezogen mehr als 130 km/h fahren, tatsächlich ist.

Deutschland hat 2023 rund 673 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt. Die möglichen Einsparungen durch eine generelle Begrenzung auf 130 km/h liegen gemäß der Modellierung der Bast im konservativen Szenario bei 1 Million Tonnen CO2, das wären dann 0,15 Prozent. Man stelle sich demgegenüber allein nur die Emissionen vor, die infolge der von grün-roten Aktivisten unterstützten, kriegerischen Handlungen entstehen. Damit dürfte sich die Frage der CO2-Relevanz eines generellen Tempolimits bereits erledigt haben.

Und wenn man gar der ideologisch motivierten Forderung nach einer Antriebswende folgt, dann löst sich mit zunehmendem Anteil der E-Antriebe an der Gesamt-Population der Fahrzeuge das Problem sowieso in Luft und nicht in CO2 auf.

Wenn es einem wirklich auf Ressourcenschonung beim Verkehr ankommt, gibt es einige einfache Hebel außerhalb des Autobahnverkehrs, die nicht rigide und unbegründet die persönliche Freiheit beschneiden: gezielte Verstärkung von harmonisierten Geschwindigkeitsprofilen getrennt nach Fahrspuren, grüne Wellen in urbanen Regionen, oder der Abbau von Tempo-30-Zonen, die bei Verbrenner-Antrieben zu mehr Spritverbrauch und damit auch zu mehr CO2-Emissionen führen.

Was bleibt, ist eine rein populistische und fachlich unbegründete Forderung in heißen Politikzeiten … und eine steile These: Rin generelles Tempolimit von 130 km/h würde den sichtbaren Unterschied zwischen E-Autos und Verbrennern verwischen und damit die E-Antriebe für Autofahrer indirekt aufwerten. Vielleicht ist das das eigentliche Ziel der politischen „hidden agenda“?

Dr. Wolfgang Stölzle, Leiter Bundesfachausschuss Mobilitätspolitik der WerteUnion, und Ralf Leiter, Mitglied Bundesfachausschuss Mobilitätspolitik der WerteUnion

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