Teure Spaltung statt kluger Reform? Was Strompreiszonen wirklich bringen

vor etwa 6 Stunden

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Die Energiewende sorgt regional für Engpässe bei der Stromversorgung in Deutschland. Grund dafür sind vor allem die an verschiedenen Orten installierten erneuerbaren Energiequellen, deren Strom in ein großes Netz eingespeist werden muss. Die Lösung soll jetzt eine Einführung von Strompreiszonen sein, ein Gedanke, der maßgeblich durch die EU-Verordnung zum Elektrizitätsbinnenmarkt beeinflusst wird.

Diese folgt dem Prinzip, dass Strom nur verkauft werden darf, wenn er auch physisch geliefert werden kann. Das bedeutet, dass Länder mit dauerhaften Netzengpässen ihre Strompreiszonen anpassen müssen, um Verzerrungen am Markt entgegenzutreten.

Gerade Deutschland hat durch den Ausbau der volatilen erneuerbaren Energieerzeugung zulasten versorgungsstabiler Großkraftwerke das Problem, dass die Netzinstabilität kontinuierlich gestiegen ist. Dies zeigt sich nicht zuletzt anhand der Entwicklung der Netzengpassmaßnahmen, die seit 2018/2019 deutlich zugenommen haben (siehe Abbildung 1).

Unter den Begriff der Engpassmaßnahmen fallen dabei insbesondere die sogenannten Redispatch-Maßnahmen, bei denen die Einspeisung gezielt angepasst wird, um Netzengpässe zu vermeiden. Auch die komplette Abregelung von erneuerbaren Erzeugern, wenn deren Erzeugung vom Netz nicht mehr aufgenommen werden kann, gehört hierzu.

Letztere hat insbesondere durch den Ausbau der Photovoltaik-Erzeugung zugenommen, was sich besonders deutlich in Bayern beobachten lässt. Dort müssen in den Mittagsstunden immer mehr Anlagen abgeregelt werden: Waren dies in Bayern im Jahr 2023 noch 382 GWh, so stieg diese Menge 2024 auf 981 GWh – das entspricht etwa einem Achtel des Stromverbrauchs des Saarlands.

Netzengpassmaßnahmen sind jedoch nicht nur aufgrund des schwankenden Angebots erneuerbarer Energien notwendig, sondern auch durch regionale Unterschiede in der Stromerzeugung, die sich durch die Energiewende ergeben haben. Dies betrifft vor allem die Windkraft, deren erzeugte Strommenge von der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit abhängt und daher besonders in Norddeutschland konzentriert ist.

In Wetterlagen mit hohem Windaufkommen produzieren die Windkraftanlagen Norddeutschlands hohe Strommengen, die aufgrund begrenzter Leitungskapazitäten jedoch nicht nach Süddeutschland übertragen werden können. Passiert dies zu Zeitpunkten geringer Solareinstrahlung, also nachts oder im Winter, leidet Süddeutschland unter Strommangel.

In genau dieser Situation könnte eine Teilung des deutschen Strommarktes in zwei oder mehr Stromzonen einen Konstruktionsmangel der Energiewende entschärfen: Die Mangelsituation in einer süddeutschen Stromzone würde zu steigenden Strompreisen führen, wodurch mehr Kraftwerke am Netz bleiben und der Redispatchbedarf geringer ausfällt. Nach Berechnungen des Verbands der europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) belaufen sich die jährlichen volkswirtschaftlichen Einsparungen auf 250 bis 340 Millionen Euro, also etwa 10 Prozent der Kosten des Netzengpassmanagements.

Dem stehen jedoch massive Nachteile gegenüber: Der wohl größte Faktor ist der erwartete Anstieg der Strompreise in Süddeutschland. Die Preisdifferenz zwischen verschiedenen Gebotszonen wird zwar im Durchschnitt unter 1 ct/kWh erwartet und dürfte daher für Privathaushalte kaum spürbar sein, für energieintensive Unternehmen bedeutet sie jedoch einen zusätzlichen Wettbewerbsnachteil.

Wer argumentiert, dass dies zu einer Verlagerung der energieintensiven Produktion von Süd- nach Norddeutschland führen könnte – quasi als „Belohnung“ für den dortigen Ausbau der Windkraft –, sollte bedenken, dass sich in der Nähe von Süddeutschland auch für Investitionen attraktive Länder wie Ungarn befinden. So hat Bosch kürzlich die Verlagerung zweier Produktionsstandorte nach Ungarn angekündigt – eine Entwicklung, die sich durch steigende Energiekosten in Süddeutschland weiter verstärken könnte.

Darüber hinaus sind kleinere Strommärkte grundsätzlich mit strukturellen Nachteilen verbunden: Durch die geringere Marktliquidität steigt die Marktmacht einzelner Anbieter, sodass weitere Preissteigerungen als Folge einer reduzierten Wettbewerbsintensität zu erwarten sind.

Zudem sind kleinere Märkte weniger widerstandsfähig gegenüber extremen Marktschwankungen. Das zeigen die Erfahrungen von Norwegen und Schweden, deren südlichste Stromzonen stark durch Stromexporte geprägt sind – vor allem nach Deutschland und, im Falle Norwegens, auch nach Großbritannien. Kommt es in den Zielländern zu Dunkelflauten, so steigen dort die Strompreise – ein Effekt, der sich direkt auf die skandinavischen Gebotszonen überträgt und dort ebenfalls für deutliche Preissteigerungen sorgt. Dieser Mechanismus führt regelmäßig zu Unmut bei Verbrauchern in Norwegen und Schweden.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Idee von Strompreiszonen zwar situativ Vorteile für Deutschland bieten kann, insgesamt jedoch mehr Probleme als Lösungen schaffen könnte. Insbesondere adressiert sie nicht das Kernproblem der steigenden Systemkosten, die durch die zunehmende Abhängigkeit von Wind- und Solarenergie entstehen.

Das zentrale Problem unserer Strompreiskrise liegt darin, dass versorgungsstabile Großkraftwerke durch eine Vielzahl kleiner, volatiler Erzeuger ersetzt wurden. Dies führt zu hohen Netzkosten, die unabhängig von der Anzahl der Strompreiszonen ein ungelöstes Problem bleiben und langfristig den Strompreis in Deutschland weiter unter Druck setzen.

Die neue Bundesregierung hatte die Schaffung mehrerer Strompreiszonen zunächst als offene Option in ihrem Sondierungspapier berücksichtigt, hat diesen Punkt jedoch im Koalitionsvertrag vollständig gestrichen. Diese Entscheidung wird mehrheitlich von den großen Industrieverbänden sowie dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft unterstützt.

Ausschlaggebend hierfür waren wohl insbesondere die Bedenken der CSU, dass eine solche Maßnahme die Stromprobleme in Bayern weiter verschärfen könnte. Doch gerade hier müsste die CSU ihre eigene Verantwortung für diese Entwicklung hinterfragen: Diese Stromkrise des Freistaats hätte sich nicht in diesem Ausmaß entfaltet, wenn sich die Partei für die Erhaltung der süddeutschen Kernkraftwerke eingesetzt hätte.

Diese Erkenntnis scheint sich jedoch in der bayerischen Politik nicht durchgesetzt zu haben. So betonte der CSU-Generalsekretär kürzlich in der Sendung Markus Lanz, dass auch er eine Reaktivierung der Kernkraftwerke nicht weiterverfolgen möchte und stattdessen im windschwachen Bayern auf die Windkraft setzen will.

Bei solchen Aussagen wird man zwangsläufig an ein bekanntes, aber nicht gesichertes Einstein-Zitat erinnert: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“

Dr. Christoph Canne ist Dipl.-Chemiker, Dipl.-Kaufmann, Vorstand und Pressesprecher der Bundesinitiative VERNUNFTKRAFT e.V. www.vernunftkraft.de

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