Theveßen und Schulz bei Lanz: Räuspern und Raunen

vor 3 Monaten

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Bildquelle: Tichys Einblick

Die gute Nachricht gleich zu Beginn: Martin Schulz (SPD) kommt in der ersten halben Stunde kaum zu Wort. Als der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments in Minute 17 erstmals ansetzt, muss er sich räuspern, so sehr sind die Stimmbänder bereits eingeschlafen. Da haben sie dem Zuschauer etwas voraus.

Bis dahin haben wir das ZDF bereits wieder in Höchstform erlebt. Ausgerechnet – und wie könnte es auch anders sein – USA-Korrespondent Elmar Theveßen soll uns erklären, was in Los Angeles wirklich los ist. Das tut er auf seine ganz unnachahmliche Art. Ja, es hätten „ein paar Autos gebrannt“, aber „Bottom Line ist: L.A. ist weit davon entfernt, in Chaos und Gewalt zu versinken“. Theveßen, der Joe Biden noch als geistig topfit bezeichnete, als der schon Laternenpfosten persönlich begrüßte, sagt über die gewalttätigen Ausschreitungen: „Also, diese Bilder, die wir gerade gesehen haben, rekrutieren auch friedliche Proteste, die in Los Angeles stattgefunden haben.“

Das sagt ein Theveßen, nachdem gerade minutenlang Szenen wie aus einem Bürgerkrieg eingespielt worden sind. Denn er weiß: ZDF-Zuschauer sind wohl eher selten auf X. Sie vertrauen der Tagesschau und den „heute“-Nachrichten.

Lanz hängt seinem Buddy aus dem Wilden Westen wie immer an den Lippen. Und stimmt mit ein: „Der Eindruck, der entsteht, ist, dass ganz Los Angeles brennt“, doch das sei ein Irrtum. „Wir reden über etwas, was innerhalb weniger Straßen – es ist noch nicht mal ein ganzes Viertel – stattfindet.“

Auftritt Martin Schulz, räusper, räusper: Ob er Trump immer noch als „die Inkarnation von Respektlosigkeit und Würdelosigkeit“ betrachte, will Lanz wissen. Schulz: „Ja, der Analyse Ihrer beiden Kollegen ist nichts hinzuzufügen. Das ist so.“ Analyse! Er hat Analyse gesagt, ja wirklich. Außerdem würde Trump die Namen politischer Gegner verballhornen, etwa den kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom als „New-Scum“ (Abschaum). Schulz: „Stellen Sie sich mal vor, der Bundeskanzler würde eine Verballhornung des Namens von Herrn Banaszak vornehmen. Was hier in diesem Lande los wäre.“ Warum gerade Felix Banaszak und welche Wortspiele da wohl drin wären, lässt Schulz offen. „Trump ist ein würdeloser, respektloser und intoleranter, autoritärer Herrscher“, darf er noch sagen, dann schlafen seine Stimmbänder erstmal wieder ein.

Dass in Deutschland sogar AfD-Abgeordnete auf den Gängen im Bundestag von anderen Abgeordneten geschnitten, ja nicht einmal gegrüßt werden – hätte man an dieser Stelle sicher trefflich diskutieren können. Dass man nicht einmal gemeinsam Aufzug fahren will. Dass eine Alice Weidel gerichtlich sanktioniert als Nazi-Schlampe bezeichnet werden darf … egal, die Runde muss schließlich weiter. Daniel Friedrich Sturm (Tagesspiegel) orakelt: „Zu den Midterm-Wahlen könnte Trump Gewalt entfachen. Das ist alles möglich bei diesem Mann.“

Ein Grund könnte vielleicht sein, was Theveßen eher nebenbei erzählt: „Dass beim Thema Zuwanderung eine große Mehrheit der Amerikaner nach wie vor der Meinung ist: Ja, man muss mehr gegen illegale Zuwanderung tun.“

Etwa zur Halbzeitpause nimmt die Sendung eine unerwartete Wendung: Auch Schulz ist wieder da, und er muss sich schon wieder räuspern. Thema Migration. Der SPD-Mann erinnert an eine alte Rede. Schon 1995 habe er im EU-Parlament gesagt: „Das Asylrecht ist mit der Migration überfordert. Wir brauchen ein legales Einwanderungsrecht. Ich könnte die Rede rausholen, das Datum von heute draufstempeln und sie so halten.“

Bitte nicht.

Und Sturm setzt noch einen drauf: Er zitiert den Fürther Oberbürgermeister, der den Familiennachzug kritisierte. Das „klingt immer so human“, sage der, aber er müsse „hier jedes Jahr im Grunde ein Obdachlosenheim errichten, wo dann die Menschen reinkommen, die dann zum Teil sechs, sieben, acht Kinder nachbringen. Das ist nun wirklich nicht das soziale Umfeld, das man sich für ein Kind erwünscht.“

Der Sturm wird stärker und stärker: „Das Wort Clan-Kriminalität dürfen Sie in der Berliner SPD nicht aussprechen. Weil man sagt: Das will ich lieber nicht sehen.“ Und dass etwa „auch sehr viel Bürgergeld in Clan-Strukturen wandern“ würde, sei ebenfalls ein Tabu-Thema. Dabei sei es doch besser, „wenn man ganz klar Dinge benennt, auch Dinge, die nicht schön sind“.

Röller stellt derweil schon wieder die wirklich großen Fragen: „Warum kommt die Demokratie so unter Druck. Warum hat sie an Attraktivität verloren? Warum ist Demokratie so schwach geworden?“ Er gibt zu: „… ’ne richtig gute Antwort habe ich darauf nicht gefunden.“ Doch er sagt trotzdem, was er gefunden hat: „Wir haben nicht mehr die Kraft, zu sehen, warum wir so nerven. Es muss wohl daran liegen: Die Globalisierung ist nicht für alle ein Gewinnerthema. Migration, Willkommenskultur ist nicht für alle ein Gewinnerthema.“

Für Deutschland hat Schulz, räusper, räusper, noch Hoffnung: „Wir haben eine rechtsextremistische Partei, die hat 22 Prozent. Das heißt, 78 Prozent haben nicht für sie gestimmt, sondern stehen zum demokratischen System dieses Landes.“ Für seine SPD hat er den Zahlenvergleich leider nicht ausgerechnet. Und dass das Gutachten des Verfassungsschutzes, auf das er hier rekurriert, auf tönernen Füßen steht, passt wohl auch nicht so recht in sein Narrativ.

Was ihm Sorgen bereite, sei die Angst der Menschen „quer durch alle Generationen“. Die Leute in seiner Nachbarschaft hätten Fragen: Muss mein Sohn zur Bundeswehr? Warum soll ich für das Baltikum sterben? Auch der soziale Abstieg „macht den Leuten Angst“. Schulz warnt. Eine Folge der Ungleichheit sei die Diktatur.

Immerhin: Dieser letzte Satz könnte gewisse repressive Tendenzen in Deutschland vielleicht ganz gut erklären.

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