
Die deutsche Metall- und Elektroindustrie steht vor einem tiefgreifenden Strukturbruch. Binnen weniger Monate sind rund 60.000 Arbeitsplätze verloren gegangen – ein dramatischer Aderlass, den weder kurzfristige Konjunkturimpulse noch politische Beruhigungspillen verhindern konnten. Was sich hier abzeichnet, ist keine temporäre Schwäche, sondern ein sich beschleunigender Substanzverlust.
Trotz eines leichten Auftragsanstiegs zu Jahresbeginn verzeichnet die Branche einen Rückgang der Beschäftigtenzahl um 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Eine kurzfristige Belebung der Nachfrage reichte nicht einmal, um den Status quo zu halten. Die Dynamik des Arbeitsplatzabbaus bleibt ungebrochen – und sie trifft nicht nur Randbereiche, sondern den industriellen Kern.
Besonders betroffen ist die Automobilbranche: Jedes zweite Unternehmen plant laut Gesamtmetall derzeit weiteren Personalabbau. Der Arbeitgeberverband rechnet in den nächsten fünf Jahren mit bis zu 300.000 Stellenverlusten – und das nicht aus konjunktureller Laune, sondern weil strukturelle Probleme wie zementierte Lasten wirken.
Als größter Kostentreiber bleibt die Energiefrage ungelöst. Zwar wurde die Stromsteuer leicht gesenkt, doch dieser Schritt verpufft angesichts dauerhaft hoher Großhandelspreise und steigender Netzentgelte. Gerade für energieintensive Betriebe ist das eine existenzielle Belastung – nicht selten ein Kündigungsgrund.
Die politisch gewollte Dominanz von Wind und Sonne im Strommix hat ihren Preis: In Phasen schwacher Einspeisung schnellen die Börsenpreise in die Höhe. In sogenannten Dunkelflauten können Kilowattstunden bis zu 90 Cent kosten – ein Faktor zehn im Vergleich zu Normalzeiten. Wettbewerbsfähigkeit sieht anders aus.
Hinzu kommt eine lähmende Regulierungsdichte. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen ächzen unter einer ausufernden Bürokratie, die längst kein temporäres Phänomen mehr ist. Fast alle befragten Betriebe melden einen deutlichen Anstieg administrativer Anforderungen – mit steigender Tendenz.
Während die Regierung punktuell mit Steuersenkungen, Investitionsprogrammen und Ankündigungen reagiert, bleibt der strukturelle Rahmen unverändert. Bürokratieabbau, Energiewende-Korrekturen oder Planungssicherheit: All das fehlt oder kommt zu spät. Gesamtmetall-Geschäftsführer Oliver Zander mahnt, es sei keine Zeit mehr für „Verschnaufpausen“. Doch genau diesen Eindruck vermittelt die Politik: eine Mischung aus Symbolgesten und technischen Reparaturen, ohne jede echte strategische Kurskorrektur.
Dabei zeigt sich längst: Ohne Investitionssicherheit bleibt jede Auftragsbelebung komplett wirkungslos. Viele Unternehmen stellen nicht mehr ein, andere verlagern schrittweise ihre Produktion ins Ausland – oft lautlos, aber dauerhaft.
Besorgniserregend ist auch der drohende Know-how-Verlust. Mit jedem entlassenen Facharbeiter, jedem wegbrechenden Standort geht technisches Wissen verloren und mit ihm die industrielle Substanz, die einst das Rückgrat des Wirtschaftsstandorts bildete.
Ein tatsächlicher Umbau der Rahmenbedingungen ist bislang nicht erkennbar. Der industriepolitische Diskurs wird weiter von Klimazielen und Idealbildern dominiert, nicht von wirtschaftlicher Realität oder langfristiger Standortlogik.
Was derzeit geschieht, ist nicht einfach ein Abschwung. Es ist das krachende Herauslösen einer Schlüsselbranche aus dem industriellen Gefüge Deutschlands. Die nächste Stufe dieses Prozesses hat bereits begonnen.