
In den letzten 48 Stunden ist die Freundschaft zwischen Donald Trump und Elon Musk vor den Augen der Weltöffentlichkeit zerfallen und in offene Feindschaft umgeschlagen. Die linken Medien können sich vor Freude darüber gar nicht fassen, während die konservativen mit schreckensgeweiteten Augen auf diese sich anbahnende Katastrophe starren. Was ist da zwischen diesen beiden Männern, die ein Jahr lang Seite an Seite gekämpft und dabei so oft und so viel gewonnen haben, so plötzlich schiefgegangen?
Bis vor genau einer Woche war die Welt zwischen Musk und Trump noch in Ordnung. Am 28. Mai gibt Elon Musk offiziell seine Position als Leiter des Department of Government Efficiency (DOGE), einer von Trump geschaffenen Behörde zur Reduzierung staatlicher Ausgaben, auf. Zwei Tage später wird er von Trump mit einer symbolischen Zeremonie verabschiedet und erhält vom Präsidenten einen übergroßen goldenen Schlüssel zum Weißen Haus mit der klaren Message: Du kannst jederzeit zurückkommen.
Zu dem Zeitpunkt geht Musk davon aus, dass Trump Jared Isaacman, einen engen Musk-Verbündeten und SpaceX-Astronauten, zum neuen NASA-Chef ernennen wird, was Musk enormen Einfluss auf die NASA gäbe, den Hauptauftraggeber von Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX. Aber nur einen Tag danach, am 31. Mai, zieht Trump die Nominierung von Isaacman offiziell zurück (angeblich, weil der hohe Summen an die Demokraten gespendet hat) – ohne Vorwarnung an Musk.
Trump zog die Nominierung von Isaacman kurzfristig zurück.
Dieser plötzliche und vollkommen unerwartete Akt trifft Musk im Innersten aus zwei Gründen: Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX ist der wichtigste private Vertragspartner der NASA für bemannte Raumfahrt und erhält von der NASA Milliardenaufträge. Mit seinem Freund Isaacman an der Spitze hätte Musk die NASA fast schon kontrollieren können – eine Chance, die jetzt plötzlich Geschichte ist.
Musk fühlt sich gleichermaßen düpiert wie ausgenutzt: Er hat Trump mit 280 Millionen Dollar unterstützt und war damit einer der größten Einzelspender für Trumps Wahlkampf 2024. Musk ist innerlich davon überzeugt, dass er Trump ins Weiße Haus gebracht hätte. Isaacmans öffentliche und unangekündigte Zurückweisung durch Trump ist nicht die tiefere und einzige Ursache des Konflikts zwischen den beiden Alphatieren, aber ihr Auslöser. Musk ist jetzt so verletzt, dass ihm öffentlich der Kragen platzt. Er kann aber schlecht schreiben: Der von mir als NASA-Chef lancierte Isaacman, der in den kommenden Jahren für Milliardenaufträge für mein Raumfahrtunternehmen sorgen sollte, wurde plötzlich und zu meinem großen Nachteil abgesägt – er muss sich anders abreagieren.
Tief verletzt und schwer verärgert greift Musk daraufhin überraschend ein Lieblingsprojekt des Präsidenten, die „Big Beautiful Bill“, auf X aus dem Hinterhalt an. Kurz zur Erklärung: Die Big Beautiful Bill ist ein groß angelegtes Gesetzespaket, das dauerhafte Steuersenkungen, Steuerfreiheit für Trinkgelder und Überstunden, neue Arbeitspflichten für Sozialhilfeempfänger, Investitionen in Grenzschutz und Verteidigung sowie ein zehnjähriges Verbot neuer KI-Regulierungen umfasst.
Am Dienstag dieser Woche (3. Juni) schreibt Musk plötzlich auf seinem Twitter-Kanal, der jeden Tag mehr als eine Milliarde Leser erreicht: „Ich kann einfach nicht länger schweigen. Dieses massive, empörende, mit Kirchturmpolitik vollgestopfte Ausgabengesetz des Kongresses ist eine ekelhafte Scheußlichkeit. Schande über diejenigen, die dafür gestimmt haben – ihr wisst, dass es falsch war. Ihr wisst es.“
Selbst für Musk, der gerne einen scharfen Ton anschlägt und mit seinen (vielen) Widersachern nie zimperlich umgeht, ist das ein außergewöhnlich harter, ja beleidigender Ton. Pork-Barrel-Spending ist ein uralter Ausdruck aus der amerikanischen Politik, der die Ausgabenpolitik von Provinzpolitikern brandmarkt, die ihrem Wahlkreis fette Projekte – metaphorisch: Fässer mit gepökeltem Schweinefleisch – zuschanzen, um aus Dankbarkeit wiedergewählt zu werden. Ein solcher Vorwurf muss Trump extrem wehtun, was Musk natürlich weiß.
Am Donnerstag, genau als Friedrich Merz zu Besuch im Weißen Haus ist, geht es zwischen Musk und Trump jetzt Schlag auf Schlag. Während der Pressekonferenz zusammen mit Kanzler Merz sagt Trump auf die Frage eines Reporters: „Ich mochte Elon immer… Ich bin sehr enttäuscht von Elon… Wir hatten eine großartige Beziehung. Ob wir die noch haben, weiß ich nicht.“ Eine halbe Stunde später twittert Musk: „Ohne mich hätte Trump die Wahl verloren. Die Demokraten würden das Repräsentantenhaus kontrollieren und die Republikaner hätten nur 51 zu 49 Sitze im Senat.“ – „Solche Undankbarkeit.“
Friedrich Merz blieb bei seinem Besuch relativ stumm – denn vorrangig ging es um das Thema Musk.
Trump, der nach Informationen des Wall Street Journal bis Donnerstagmittag allenfalls irritiert war, wird jetzt seinerseits richtig ärgerlich und schreibt zurück: „Der einfachste Weg, Milliarden und Abermilliarden im Haushalt zu sparen, ist: Elons staatliche Subventionen und Verträge kündigen.“ – „Elon ist einfach durchgedreht. (... he just went CRAZY)“
Musk behauptet daraufhin, dass die „Big Beautiful Bill“, Trumps Mega-Gesetz, mit dem er in die Geschichtsbücher eingehen will, ihm (Musk) nie gezeigt worden sei und es außerdem im Kongress mitten in der Nacht durchgedrückt worden wäre.
Trump gibt sich mit diesem Vorwurf gar nicht erst ab, sondern schaltet jetzt seinerseits auf Angriff, indem er eine Theorie für Musks Angriffe entwickelt und Musk erneut als „crazy“ einstuft: „Elon war am Limit. Ich habe ihm das Elektroauto-Mandat gestrichen, das alle gezwungen hat, E-Autos zu kaufen (die sonst niemand wollte), und er ist völlig ausgerastet.“
Bis jetzt beruhte die Auseinandersetzung der beiden Titanen bei allen Invektiven immer noch auf Sachfragen, aber nachdem Trump Musk zweimal als „crazy“ bezeichnet hat, holt Musk zu einem Schlag aus, der tief unter der Gürtellinie liegt. Er schreibt: „Zeit für die große Bombe: Donald Trump ist in den Epstein-Akten. Das ist der wahre Grund, warum sie nicht veröffentlicht wurden. Schönen Tag noch, DJT! (Donald John Trump).“
Elon Musk wirft Trump vor, Teil der Epstein-Akten zu sein.
Damit hat Musk in der Tat eine Bombe gezündet, die die Freundschaft der beiden Männer für immer beenden könnte, denn die Aussage, Trumps Name tauche in den Epstein-Akten auf und das sei der Grund, warum diese nicht veröffentlicht wurden (und es vielleicht nie werden), hat eine außerordentliche Brisanz.
Wir erinnern uns kurz: Jeffrey Epstein war der New Yorker Multimillionär, der in seinen Anwesen minderjährige Mädchen missbrauchte und bis zu seinem Selbstmord in einem Gefängnis in Manhattan Prominente aus der ganzen Welt (wie zum Beispiel den britischen Prinz Edward, Bruder des heutigen Königs) mit seinem Privatjet zu Partys einfliegen ließ. Es steht fest, dass Trump vor Jahrzehnten mit Epstein – der ebenso wie Trump auf den Partys der New Yorker Schickeria eine feste Größe war – bekannt und möglicherweise mit ihm befreundet war; mehr aber auch nicht. Musks Vorwurf, dass Trump möglicherweise in Epsteins kriminelle Machenschaften verwickelt sei, ist nicht nur in höchstem Maße ehrverletzend und beleidigend, sondern bislang vollkommen unbewiesen.
Und weil damit das Maß für Musk offenbar immer noch nicht voll war, schreibt er noch am selben Abend, dass Trump seines Amtes enthoben und durch Vizepräsident JD Vance ersetzt werden solle – und überhaupt eine neue Partei in den USA zu gründen wäre, welche die wirkliche Mitte der Gesellschaft vertrete.
Wer die Biografien von Trump und Musk gelesen hat und darin von der Obsession, der Hartnäckigkeit und schieren Rücksichtslosigkeit erfahren hat, mit der beide Männer lebenslang ihre Ziele verfolgt haben, der weiß: Nach einer solchen Auseinandersetzung ist in einer Freundschaft nichts mehr, wie es war.
Aber im tiefsten Grund geht es auch hier um Macht und Geld: Musk ist ein neoliberaler Unternehmer reinsten Wassers, dem ein aufgeblähter Staat, die riesige amerikanische Subventionswirtschaft, milliardenschwere Steuerverschwendungen und das überbordende Haushaltsdefizit ein Gräuel sind – weshalb er all das am liebsten abgeschafft sähe.
Aber Musk ist gleichzeitig Hauptaktionär und Präsident riesiger Unternehmen wie Tesla und SpaceX, die von Milliardensubventionen, Steuergutschriften, Zuschüssen und Förderungsmaßnahmen einer staatlichen Bürokratie, die er nicht mag, abhängig sind. Donald Trump hingegen ist ein Präsident, der Steuern senken, Zölle erhöhen und die grünen Klimasubventionen der Regierung Biden (von denen Musks Teslas profitieren) am liebsten ganz beenden will – wodurch die Steuereinnahmen des Staates notwendigerweise einbrechen müssen, was das ohnehin schon spektakulär hohe Haushaltsdefizit der USA auch zukünftig anheben wird.
Dies sind Widersprüche in der Sache, die beide Männer notwendig auf einen Konfliktkurs bringen mussten. Zwei ausgeglichene, überlegte, fakten- und logikorientierte Charaktere, die, wie in Ratgebern empfohlen, Situationen nüchtern, unemotional und ruhig analysieren, hätten hier vielleicht einen guten Kompromiss finden können. Aber weder Musk noch Trump sind solche Charaktere. Und wären sie solche jemals gewesen, dann wären sie auch nie dahin gekommen, wo sie heute sind.
Diese öffentliche Auseinandersetzung ist natürlich Wasser auf die Mühlen der linksliberalen Medien, die von der New York Times über Politico bis zur Tagesschau feixend jubilieren und nun behaupten: Das hätten sie immer schon gewusst und gesagt. Hat sich der Staub gelegt und der Wirbel sein Ende gefunden, dann werden Trump und Musk irgendwann erkennen, dass sie einander brauchen und als Team unschlagbar waren. Vielleicht werden sie dann noch einmal so etwas wie ziemlich beste Freunde.
Aber nur vielleicht.
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