
Die Bilder gingen um die Welt: US-Präsident Donald Trump sitzt dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj direkt gegenüber. Sie treffen sich im Petersdom und sitzen so nah beieinander, wie es selten bei einem solchen Treffen der Fall ist. Die Bilder zeigen die beiden auch tief in ein Gespräch verwickelt – der genaue Inhalt ist freilich nicht bekannt.
Klar ist jedoch, dass die Bilder, die beim Treffen zwischen den beiden Staatschefs am Rande der Beerdigung von Papst Franziskus entstanden waren, in die Geschichte eingehen werden. Es war das erste Mal, dass sich Trump und Selenskyj persönlich wiedersahen seit der Farce, die sich im Oval Office Ende Februar abgespielt hatte. Damals beendete Trump die Gespräche mit dem ukrainischen Präsidenten abrupt, nachdem sich beide gemeinsam mit US-Vizepräsident JD Vance ein hitziges Streitgespräch vor laufenden Kameras geliefert hatten.
Seitdem war das Verhältnis zwischen den beiden Präsidenten augenscheinlich gestört – doch eben das neuerliche Treffen im Petersdom hat offenbar die bisherigen Hindernisse aus dem Weg geräumt: Trump und Selenskyj sind plötzlich wieder auf einer Wellenlänge. Ein Trump-Sprecher bezeichnete das Treffen als „sehr produktiv“, Selenskyj sprach unterdessen von einem „symbolträchtigen Treffen, das die Chance hat, historisch zu werden“.
Seit Wochen schien es, als würde der US-Präsident vor allem Druck auf Selenskyj ausüben. In den Friedensverhandlungen, die er angestoßen hatte, spielten vor allem er und Putin eine Rolle, Selenskyj wurde an den Rand gedrängt. Das zeigte sich auch vergangenen Donnerstag, als Trump plötzlich eine Einigung zwischen ihm und Russland verkündete. Selenskyj davon zu überzeugen, sei „schwieriger“, sagte Trump da im Oval Office. Immerhin sah, wie das US-amerikanische Portal Axios berichtete, der Deal weitreichende Zugeständnisse für Russland vor: Etwa planten die USA, einen NATO-Beitritt der Ukraine zu verhindern und die russische Kontrolle über die Halbinsel Krim anzuerkennen.
Nachdem er nun erst wenige Tage zuvor auf Russland zugegangen war, veränderte sich Trumps Ton am Samstag. Auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social beschwerte sich der Republikaner, sich bereits auf der Rückreise aus Rom befindend, etwa über den russischen Präsidenten: „Es [gab] für Putin keinen Grund, in den letzten Tagen Raketen auf zivile Gebiete, Städte und Dörfer abzufeuern. Ich denke, vielleicht will er den Krieg gar nicht beenden, sondern will mich nur an der Nase herumführen und muss anders behandelt werden, durch ‚Banken-’ oder ‚Sekundärsanktionen’?“
Tatsächlich hatte die russische Armee bereits kurz nachdem der Republikaner aus dem Oval Office heraus eine Einigung verkündet hatte, einen groß angelegten Luftangriff auf Kiew gestartet, bei dem dutzende Zivilisten starben.
Nun dreht Trump den Spieß um und erhöht den Druck auf Russland. Um eine Einigung zu erzwingen, muss auch der stärker werden – das sieht offenbar auch seine Regierung inzwischen. Immer wieder hatte US-Außenminister Marco Rubio in den vergangenen Wochen einen Rückzug aus den Friedensgesprächen angedroht, wenn sich zeigen würde, dass „die beiden Seiten kein Interesse an Frieden hätten“ – nun droht Trump auch explizit mit neuen Sanktionen gegen Russland.
Und Putin? Er reagiert nun vorsichtig kooperativ. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow behauptete bereits nach dem Treffen von Trump und Selenskyj in Rom, dass der russische Präsident bereits am Freitag im Gespräch mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff sich dazu bereit erklärt habe, „den Verhandlungsprozess mit der Ukraine ohne Vorbedingungen wieder aufzunehmen“.
Womöglich setzt sich auch in Russland langsam die Erkenntnis durch, dass in dem Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht mehr viel zu holen ist: Seit über drei Jahren setzt die russische Armee massenweise Soldaten und Material ein und hat dabei weiterhin alle ursprünglichen Kriegsziele – Regime Change in Kiew und Übernahme des Landes, nicht nur einiger Gebiete im Osten – verfehlt. Der Konflikt ist in einen sinnlosen Stellungskrieg übergegangen, ohne dass beide Seiten darauf hoffen können, bald nennenswerte Fortschritte zu machen (mehr über Putins leeren Sieg lesen Sie hier).
Das Treffen im Vatikan könnte also den Wendepunkt im Friedensprozess des Ukraine-Krieges bedeuten. Ein nur rund 15-minütiges Treffen hat bereits jetzt das gesamte Narrativ in den bisherigen Verhandlungen verändert – die Ukraine und Amerika scheinen nun wieder auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Noch muss sich jedoch endgültig zeigen, ob dieses Treffen fähig ist, tatsächlich in die Geschichte einzugehen – jetzt werden in der Welt nämlich erst recht Ergebnisse erwartet. Diese sollten, angesichts der früheren Stellungnahmen Trumps, bereits in den nächsten Tagen kommen.
So oder so: Nicht umsonst gingen die Bilder aus Rom am Samstag um die Welt. Am Rande der Beerdigung für Papst Franziskus, der stets um Frieden in dem Konflikt bemüht war, könnte jetzt das entscheidende Treffen für einen Frieden in der Ukraine stattgefunden haben.
Selenskyj und Trump haben sich wieder versöhnt – und allen Unkenrufen zum Trotz scheint die transatlantische Freundschaft gestärkt aus diesem Wochenende hervorzugehen, wie man auch an den harmonischen Treffen zwischen Trump und anderen Anführern des Westens am Rande der Beerdigung sehen konnte.
Zugleich hat sich in Rom einmal mehr die zentrale Rolle Trumps beim Friedensprozess für die Ukraine gezeigt. Noch kurz vor dem Treffen mit Selenskyj waren auch der britische Premierminister Keir Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron anwesend. Mitunter sah man gerade einen dritten Stuhl – der wurde dann aber prompt weggeräumt: Am Ende verhandelten über den Frieden in der Ukraine nur noch Selenskyj und Trump.
Die anderen europäischen NATO-Länder spielen in den Verhandlungen zwar eine Rolle – aber weiter nur im Hintergrund. Insbesondere gilt das für Deutschland: Das war, anders als Frankreich oder Großbritannien, bei den Rom-Treffen gar nicht erst richtig vertreten. Während der designierte Bundeskanzler und gläubige Katholik Friedrich Merz gar nicht erst nach Rom gereist war, spielte der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz dort bereits in den internationalen Gesprächen keine Rolle mehr.
Mittlerweile scheint für Trump, durch das Treffen mit Selenskyj, das größte Hindernis für den Frieden in der Ukraine doch wieder Putin selbst zu sein: Daher ist damit zu rechnen, dass Trump indes noch weiter Druck auf Russland aufbauen wird. Trump jedenfalls wird immer ungeduldiger: Entweder der Deal kommt oder er kommt nicht – aber die Entscheidung darüber scheint bald zu fallen. Sollte Moskau das amerikanische Entgegenkommen der letzten Wochen und Monate am Ende abblitzen lassen, ist es weiterhin gut möglich, dass Trump dann zu einer verstärkten Ukraine-Unterstützung zurückkehrt.