
Obwohl Außenministerin Annalena Baerbock das Massaker an 750 alawitischen Zivilisten durch syrische Regierungstruppen verurteilte, sagte sie am Montag 300 Millionen Euro zur Unterstützung von Syrien zu. In einem Statement des Auswärtigen Amtes teilte sie mit: „Syrien politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich neu aufzubauen, ist nichts weniger als eine Mammutaufgabe. Mit der Brüsseler Syrien-Konferenz wollen wir das Land auf diesem steinigen Weg unterstützen.“ Die Konferenz findet am Montagnachmittag statt.
„Es geht darum, das Fenster für eine inklusive politische Transition nicht zu verpassen und gleichzeitig den Boden für Wiederaufbaumaßnahmen und eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage zu bereiten“, sagte die Außenministerin weiter. Sie forderte die Übergangsregierung unter Ahmed Al-Scharaa auf, sicherzustellen, „dass sie die Kontrolle über die unterschiedlichen Akteure in ihrem Sicherheitsapparat hat“, wie das Handelsblatt berichtet. Baerbock wird von Niels Annen begleitet, einem Parlamentarischen Staatssekretär des Entwicklungsministeriums.
Von den 300 Millionen Euro werden 168 Millionen Euro vom Auswärtigen Amt und 133 Millionen Euro vom Entwicklungsministerium gestellt. Die Hälfte des Geldes geht direkt nach Syrien. Wie es in der Mitteilung des Auswärtigen Amtes heißt, werde das Geld nicht der syrischen Übergangsregierung zur Verfügung gestellt, sondern UN-Organisationen und Nichtregierungsorganisationen, die in Syrien arbeiten. Das Geld soll für Lebensmittel und Gesundheitsleistungen verwendet werden.
Mit der anderen Hälfte des Geldes werden die Länder Jordanien, Libanon, Irak und die Türkei unterstützt, die zahlreiche syrische Flüchtlinge aufgenommen haben. Die EU-Syrien-Konferenz wird am Montagnachmittag um 15 Uhr beginnen. Zuvor werden sich die EU-Außenminister treffen und den Kurs der Europäischen Union gegenüber Syrien bekräftigen. Wie das Handelsblatt berichtet, will die EU an der Lockerung der Sanktionen gegenüber Syrien festhalten, auch wenn man das Massaker an den alawitischen Zivilisten als besorgniserregend ansieht. Es sei im Interesse Europas, dass es Syrien wirtschaftlich wieder besser gehe, sagten EU-Diplomaten.
Eine EU-Beamtin sagte, dass der syrischen Übergangsregierung Kapazitäten fehlten, um alle Zivilisten zu schützen, auch wenn die syrische Übergangsregierung den Willen ausgedrückt habe, alle Zivilisten schützen zu wollen. Erstmals ist bei einer EU-Syrien-Konferenz ein Vertreter der syrischen Regierung dabei: der neue Außenminister Asaad al-Shibani. Von der Regierung Baschar al-Assads war nie ein Minister anwesend (Apollo News berichtete). Ende Februar hatten die 27 EU-Staaten bereits erste Sanktionen gegenüber Syrien im Bereich Finanzen, Energie und Verkehr gelockert.
Die Expertin für Regionalpolitik an der Universität Tel Aviv, Dina Lisnyansky, sagte laut dem Handelsblatt, dass der syrische Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa ein doppeltes Spiel betreibe: Nach außen präsentiere er sich als gemäßigt und westlich orientiert, um Investitionen nach Syrien zu holen. Doch die neue Verfassung lasse daran Zweifel aufkommen. Wie die BBC am Freitag berichtete, schreibt die Übergangsverfassung fest, dass die islamische Rechtsprechung „die Hauptquelle der Gesetzgebung“ sein solle und nicht wie bisher „eine Hauptquelle“. Als Justizminister hat al-Scharaa einen Mann berufen, der 2015 öffentliche Hinrichtungen von Frauen beaufsichtigte: Shadi al-Waisi.
Die Übergangsverfassung ist auf fünf Jahre angelegt. Des Weiteren sollen Frauenrechte sowie Meinungs- und Pressefreiheit garantiert sein und es soll eine Gewaltenteilung geben. Doch die Gewaltenteilung könnte nur dem Namen nach existieren. Eine Volksversammlung, deren Mitglieder direkt oder indirekt von Präsident al-Scharaa ernannt werden, soll die Legislative übernehmen. Ein Drittel der Mitglieder der Volksversammlung soll direkt vom Präsidenten selbst ernannt werden, die anderen beiden Drittel werden von einem Ausschuss bestimmt, den al-Scharaa bestimmt. Außerdem hat der Präsident das Recht, einen Notstand auszurufen.
Am 11. März diskutierte das EU-Parlament, was die Europäische Union für einen „gerechten Übergang und Wiederaufbau in Syrien“ tun könne. Dubravka Šuica, die EU-Kommissarin für das Mittelmeer, sagte in einem Anfangsstatement, dass die Armutsrate 90 Prozent betrage, wobei zwei Drittel der Syrer in extremer Armut lebten und die Hälfte der syrischen Kinder nicht zur Schule gehe. Das Level des BIPs vor dem Krieg könne vielleicht erst 2080 wieder erreicht werden. Seit Beginn der Unterstützungen 2011 wurden von der EU 35 Milliarden Euro an Unterstützung gezahlt.
Weiter sagte sie: „Syriens Stabilität ist entscheidend für die Sicherheit der Region und für die Europäische Union.“ Es gebe auch Schritte in die richtige Richtung, dass Syrien eine Regierung bilde, in der alle Bevölkerungsgruppen miteinbezogen würden. „Wir müssen die syrischen Behörden unterstützen, damit die ehrgeizigen Ziele nicht zu Verzögerungen führen.“