
Kurz vor der Amtseinführung des designierten US-Präsidenten Donald Trump scheint sich ein Deal über eine Waffenruhe im Gazastreifen sowie die Freilassung von in Hamas-Gewalt befindlichen Geiseln abzuzeichnen. Aus Washington heißt es, dass die Gespräche bereits weit gediehen sind: „Wir stehen kurz vor einer Einigung und sie kann noch diese Woche zustande kommen“, erklärte Jake Sullivan, der Sicherheitsberater des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden.
Berichten des US-Senders CNN zufolge sollen am Dienstag in Katars Hauptstadt Doha noch verbliebene Streitpunkte geklärt werden. US-Außenminister Antony Blinken wiederum plane, so die US-Nachrichtenseite Axios, im Laufe des Tages in Washington einen umfassenden Wiederaufbau- und Verwaltungsplan für das nach Kriegsende großteils zerstörte Küstengebiet vorzustellen.
Auch Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu will örtlichen Medien zufolge ebenfalls am Dienstag Angehörige der Geiseln treffen. Diese äußerten sich verhalten optimistisch: „Die Berichte, die auf eine mögliche Einigung über die Freilassung unserer Angehörigen hindeuten, sind ein Hoffnungsschimmer, aber wir bleiben vorsichtig“, so das Forum der Geiselfamilien.
Sullivan betonte in Washington: „Ich mache keine Versprechungen oder Vorhersagen, aber es ist zum Greifen nahe – und wir werden daran arbeiten, dass es klappt.“
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu
Laut israelischen Medien hat man in Doha einen mehrstufigen Plan ausgearbeitet, dessen erste Phase eine 42 Tage dauernde Kampfpause vorsieht. In diesem Zeitraum sollen 33 Geiseln freikommen, wobei unklar bleibt, welche Personen tatsächlich lebend zurückkehren. Als Gegenleistung habe sich Israel angeblich bereit erklärt, 1000 palästinensische Häftlinge aus seinen Gefängnissen zu entlassen. Zudem soll sich die israelische Armee schrittweise aus bewohnten Gebieten des Gazastreifens sowie aus dem Philadelphi-Korridor an der ägyptischen Grenze zurückziehen.Berichten zufolge dürfen die bisher in den Süden des Küstenstreifens geflohenen Bewohner unter internationaler Aufsicht wieder in ihre Wohngebiete nördlich der Region zurückkehren. Israel wolle jedoch Sicherheitsabstände entlang seiner östlichen und nördlichen Grenzen zum Gazastreifen aufrechterhalten.
Bereits am 16. Tag nach Inkrafttreten der Waffenruhe sollen gemäß CNN Gespräche über die zweite Phase beginnen – diese soll den Krieg vollständig beenden. Wie das Wall Street Journal aus Vermittlerkreisen erfahren haben will, akzeptierte die Hamas mündliche Garantien der USA, Katars, Ägyptens und der Türkei, wonach Israel die Verhandlungen weiterführt. In israelischen Medien heißt es, dabei könnte es auch um den kompletten Abzug der Armee aus dem Gazastreifen gehen.In einer dritten Phase schließlich sei ein Wiederaufbau des zerstörten Küstenstreifens und die Bildung einer alternativen Regierung ohne Beteiligung der Hamas geplant. Laut Axios geht der US-Plan davon aus, dass die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) von Präsident Mahmud Abbas an einer neuen Regierung beteiligt wird, nachdem zuvor umfassende Reformen umgesetzt worden seien. Internationale Partner und arabische Staaten könnten Truppen nach Gaza entsenden, um für Sicherheit zu sorgen und humanitäre Hilfe zu leisten.
In der Vergangenheit waren ähnliche Vermittlungsversuche immer wieder ins Stocken geraten. Nun jedoch zeige sich der „Trump-Effekt“, so ein israelischer Offizieller gegenüber dem Wall Street Journal. Hintergrund ist die Ankündigung Trumps, dass es „nicht gut für die Hamas“ und „offen gesagt für niemanden gut“ werde, sollte die Freilassung der Geiseln bis zu seiner Amtseinführung am 20. Januar ausbleiben.
Der designierte US-Präsident hatte in der vergangenen Woche erklärt, wenn die Geiseln nicht bis zu seiner Amtseinführung am 20. Januar freigelassen würden, werde im Nahen Osten „die Hölle losbrechen, und das wird nicht gut für die Hamas sein, und das wird - offen gesagt - für niemanden gut sein“.
Bidens Sicherheitsberater Sullivan betonte unterdessen, dass auf die Hamas bereits „seit 14 Monaten“ erheblicher militärischer Druck ausgeübt werde. Er stellte die Frage, was es bedeute, diesen noch weiter zu verstärken: „Die Israelis haben ihre militärischen Strukturen zerschlagen, ihre oberste Führung ausgeschaltet und ihre militärischen Fähigkeiten in erheblichem Umfang zerstört“, erläuterte er.
Dennoch meldete das Wall Street Journal, dass Mohammed al-Sinwar – der jüngere Bruder des im Oktober von Israels Armee getöteten Hamas-Chefs in Gaza, Jihia al-Sinwar – bereits damit begonnen habe, die Gruppe neu aufzubauen. Der Krieg habe zudem eine neue Generation potenzieller Kämpfer hervorgebracht und den Gazastreifen mit nicht explodierten Sprengkörpern übersät, die sich zu provisorischen Bomben umbauen ließen. „Wir arbeiten hart daran, ihn zu finden“, zitierte die Zeitung einen hochrangigen israelischen Offizier.