Trump im Mittelpunkt der Welt

vor 2 Monaten

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Bildquelle: Tichys Einblick

„Gebt mir einen festen Punkt, und ich hebe die Welt aus den Angeln“, glaubte Archimedes erkannt zu haben. Donald Trump denkt wohl ähnlich, will aber Strafzölle als Hebel einsetzen. Er selbst hat Strafzölle als sein Lieblingswort bezeichnet – nach Gott und Religion. Anfang April ließ er die Katze aus dem Sack. In gewohnt großspuriger Manier konkretisierte Trump seine Gedanken zu den bisher punktuell verhängten Zöllen, und dieses Konzept hatte es wahrlich in sich.

Am 2. April erließ Donald Trump eine „Executive Order“ („Reciprocal Tariffs Executive Order“), mit der er ab dem 5. April einen Basiszoll von 10 Prozent auf fast alle Handelspartner der USA und ab dem 9. April zusätzliche Gegenzölle auf 57 Länder verhängte. Das neue Konzept entspringt Trumps Zoll-Fokussierung und seiner Überzeugung, dass die USA im internationalen Handel über den Tisch gezogen wurden, aber es ist leichter zu sagen, was es begrifflich nicht ist, als zu sagen, was es ist. Bei dem vorgestellten Konzept handelt es sich nicht, wie angekündigt, um reziproke Zölle im engeren Sinne.

[inner_post1] Darunter würde man verstehen, dass die Zölle der Handelspartner gespiegelt werden (so hat es Trump zuvor immer beschrieben). Wenn also das Land XY einen Zoll von 10 Prozent auf ein Handelsgut erhebt, dann würden die USA diesen Zollsatz auch auf Importe aus diesem Land erheben. Paul Krugman hat auf eine weitergehende Interpretationsmöglichkeit hingewiesen. In gewisser Weise, so Krugman, haben die USA bereits reziproke Zölle, da die Handelsbeziehungen durch Abkommen wie das „United States-Mexico-Canada Agreement“ geregelt sind, das – man hält es kaum noch für möglich – unter Trump zum Abschluss gebracht wurde.

Trumps „reziproke“ Zölle werden wie folgt berechnet: Man nehme das US-Handelsdefizit mit einem bestimmten Land und dividiere es durch die Gesamtmenge der aus diesem Land importierten Waren. Durch Halbierung dieses Prozentsatzes erhält man den „reziproken“ Zollsatz der USA. Nehmen wir das Beispiel Vietnam. Im Jahr 2024 exportierte Vietnam Waren im Wert von 142,48 Mrd. US$ in die USA, importierte aber nur Waren im Wert von 13,1 Mrd. US$ (Werte von Trading Economics), was zu einem Handelsdefizit von 129,38 Mrd. US$ führte. 129,38 geteilt durch 142,48 ergibt 0,908; dies geteilt durch 2 ergibt 0,454. Der Zollsatz wurde auf 46 Prozent festgesetzt.

Allerdings beträgt der durchschnittliche Steuersatz, den Vietnam auf US-Handelswaren erhebt, nur 15 Prozent. Als Begründung für den deutlich höheren Zollsatz geben die Amerikaner an, dass damit unfairen Handelspraktiken und Währungsmanipulationen Rechnung getragen werde. Auch wenn dies nicht ganz von der Hand zu weisen ist – der vietnamesische Dong hat in den letzten Jahrzehnten gegenüber dem Dollar kontinuierlich an Wert verloren, und auch die Exporte anderer Länder wie der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland werden durch eine schwache Währung begünstigt –, ist es doch erstaunlich, wie Handelsbilanzdefizite nun monokausal erklärt werden sollen.

Welche Probleme solche Zölle für Unternehmen – auch aus den USA – mit sich bringen, soll am Beispiel eines konkreten Produktes, der von Microsoft hergestellten und vertriebenen Spielkonsole Xbox, verdeutlicht werden. Diese wurde früher ausschließlich in China produziert. Bis 2022 wurde jedoch die gesamte Produktion sukzessive nach Vietnam verlagert, um sich von China unabhängiger zu machen. Wer schon einmal mit einem solchen Verlagerungsprojekt zu tun hatte, weiß, was das für ein Kraftakt ist. Mit einem Steuersatz von 46 Prozent wäre die Xbox kaum konkurrenzfähig. Eine Verlagerung in die USA wird als wenig realistisch eingeschätzt, da dort kaum genügend qualifiziertes Personal zu finden wäre. Ein Manager, der für Xbox arbeitet, sagte in einem vertraulichen Gespräch, wenn dies das letzte Wort wäre, würde es wohl das Ende von Xbox einläuten. Wie sollen selbst Weltkonzerne wie Microsoft planen, wenn ein Federstrich von Trump milliardenschwere Investitionen wertlos macht?

Das große Feilschen und Schachern um Zugeständnisse an Trump bzw. die USA wird also weitergehen, allerdings ohne den Druck der ursprünglichen reziproken Zölle. Nach Angaben des US-Finanzministers Scott Bessent haben bereits 50 Länder angekündigt, über Zölle verhandeln zu wollen. Tatsächlich haben solche Konsultationen schon lange vor der Ankündigung vom 2. April begonnen, da wichtige Ausnahmen gemacht wurden, zum Beispiel für eine Reihe von Seltenen Erden und Metallen sowie für Pharmazeutika. Es ist auch kein Zufall, dass die vietnamesische Regierung am 1. April (kein Scherz) SpaceX, dem amerikanischen Luft- und Raumfahrtkonzern von Elon Musk, erlaubt hat, in Vietnam eine Bodenstation für seine Starlink-Satelliten zu errichten und diese im Rahmen eines fünfjährigen Pilotprogramms zu betreiben. Darüber hinaus hat Vietnam Steuersenkungen angekündigt. So sollen die Zölle auf amerikanisches Flüssiggas von 5 Prozent auf 2 Prozent, auf Autos von durchschnittlich 55 Prozent auf 32 Prozent und auf Ethanol von 10 Prozent auf 5 Prozent gesenkt werden. Ob dies die amerikanischen Exporte stark ankurbeln wird, bleibt abzuwarten. Zu einer ausgeglichenen Handelsbilanz wird es jedenfalls nicht führen. Auch eine starke Aufwertung des Dong gegenüber dem US-Dollar erscheint unwahrscheinlich.

Trump scheint sich auch weniger als in seiner ersten Amtszeit an der Entwicklung der Aktienmärkte orientieren zu wollen. Und sicherlich ist es generell richtig, die kurzfristige Entwicklung an den Börsen nicht zum alleinigen Maßstab seines Handelns zu machen, zumal die Aktienkurse in den Monaten zuvor sehr stark gestiegen waren. Aber ganz ignorieren kann er sie nicht, denn, dafür sind zu viele Amerikaner von ihren Aktienerträgen abhängig. Mit seinem erzwungenen Rückzieher hat Trump seine Verhandlungsposition deutlich verschlechtert, denn die Marktteilnehmer haben erkannt, dass die Einführung der ursprünglich geplanten reziproken Zölle mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer tiefen Rezession führen würde, die sich auch die USA nicht leisten können.

Trotzdem wird es sicherlich zu einigen für die USA vorteilhaften Handelsabkommen kommen. Diese werden vermutlich zu verstärkten Investitionen in den USA führen, aber das eingangs zitierte Beispiel von Microsoft zeigt, wie unwahrscheinlich es ist, dass Unternehmen ihre Produktion im großen Stil in die USA zurückverlagern. Vielmehr ist zu befürchten, dass sich die Unternehmen mit Investitionen zurückhalten werden und damit das Wachstum gebremst wird. Es ist daher auch fraglich, ob die Zölle genügend Einnahmen in die amerikanischen Kassen spülen werden, um die Verlängerung des in diesem Jahr auslaufenden „Tax Cuts and Jobs Act“ (sowie weitere von Trump angekündigte Steuersenkungen) zu finanzieren.

Die renommierte britische Wirtschaftsjournalistin Gillian Tett sieht in dem von der Trump-Administration eingeschlagenen Kurs eine Rückkehr zur Wirtschaftspolitik der 1920er und 1930er Jahre, die auf Abschottung und Schädigung von Handelskonkurrenten setzte, statt auf das vor dem Ersten Weltkrieg vorherrschende Freihandelskonzept. Sie interpretiert den von Trump eingeschlagenen Weg als radikalen Ansatz zur Wiederherstellung amerikanischer Größe, auch unter Einsatz von Einschüchterung und der Drohung, militärische Bündnisverpflichtungen aufzukündigen. Es handelt sich also in mehrfacher Hinsicht um einen anachronistischen Ansatz. Vor allem ist fraglich, ob die USA überhaupt noch über die dominante Macht verfügen, um ihre Forderungen durchzusetzen. Zu stark ist bereits die Macht der Konkurrenten (allen voran China) und die Abhängigkeit von den Handelspartnern, wie die geschilderten Beispiele verdeutlichen sollten.

In unserem Artikel „Trumps stärkste Waffe“ in der April-Ausgabe von Tichys Einblick hatten wir darüber spekuliert, in welcher Form die Trump-Administration die bisher punktuell angekündigten Strafzölle (China, Stahl, Aluminium) systematisieren könnte. Im Zentrum dieser Überlegungen stand das Konzept der sogenannten Grenzausgleichssteuern, das vor allem vom Vorsitzenden des „Nationalen Sicherheitsrates“ der USA, Peter Navarro, propagiert wurde. Bei einem solchen Steuerkonzept würden Exporte aus den USA überhaupt nicht besteuert, Importe aber mit dem US-Körperschaftssteuersatz (statt wie bisher mit Zöllen) belegt.

Was jetzt umgesetzt wurde, geht durchaus in diese Richtung, ist aber in mancher Hinsicht noch radikaler und für sehr viele (auch amerikanische) Unternehmen problematischer. Die Vertrauensbasis ist jedenfalls und wohl auch nachhaltig zerstört, denn über allem schwebt das ominöse Mar-a-Lago-Abkommen, wonach es das Ziel amerikanischer Politik sein soll, den US-Dollar dauerhaft zu schwächen. Mehr dazu und zu den Ideen zur Neuausrichtung des Welthandelssystems von Stephan Mirans, dem Chefarchitekten des Mar-a-Lago-Abkommens und Vorsitzenden des wichtigen Council of Economic Advisers, in einem späteren Beitrag.

Bernd Fischer, Studium der Physik und Mathematik in Köln und Boca Raton mit Promotion. 25 Jahre in leitenden Positionen in der Finanzbranche, zahlreiche Fachveröffentlichungen, seit 2020 freier Publizist mit eigenem Blog „­Philippicae“.

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