
Im Plenarsaal ist es farbiger als sonst. Donald Trump hält, wie jeder Präsident einige Zeit nach der Amtseinführung, die traditionelle Rede vor beiden Kammern des US-Parlaments. Die oppositionellen Democrats (Dems) wollen die Gelegenheit nutzen und zur besten Sendezeit im US-Fernsehen gegen den verhassten neuen ersten Mann im Staate protestieren.
Sie tun das vor allem optisch. Viele tragen Kleidungsstücke in den ukrainischen Nationalfarben Blau und Gelb: Krawatten, Halstücher, ein Senator hat sogar entsprechend gestreifte Socken angezogen. So zeigt man im linken Amerika Solidarität. Es bleibt unklar, wie sehr das die Menschen in Kiew beeindruckt – oder den Mann im Kreml.
Manche Politikerinnen der Dems haben sich gemeinschaftlich für ein grell pinkfarbenes Outfit entschieden. Damit wollen sie ausdrücken, dass Donald Trump schlecht für die Amerikanerinnen sei. Die sehen das derzeit allerdings anders: Trump holte im vergangenen November 45 Prozent der weiblichen Stimmen, also fast die Hälfte.
Und so wirkt die Choreografie der Dems wie ein farbiger Politik-Ersatz.
Nicht alle aus der Verlierer-Partei wollen da mitmachen. Einige bleiben der Veranstaltung lieber gleich ganz fern. Ob das außerhalb der linken Blase bei Herrn und Frau Durchschnittsbürger so gut ankommt, ist allerdings auch fraglich: Die wichtige erste Rede des Präsidenten in dessen neuer Amtszeit zu boykottieren, weil man diesen mit großer Mehrheit gewählten Präsidenten nicht mag – da wirkt man halt ganz schnell wie ein richtig schlechter Verlierer.
Die Farbtupfer und einige leere Sitze zeigen schon vorab, von wo heute der Wind weht: Die Dems „setzen Zeichen“ – Donald Trump macht echte Politik.
Als er den Saal betritt, gibt es fast zehn Minuten lang stehende Ovationen von seinen Republicans (Reps). Natürlich ist auch da vieles Show für die Kameras. Aber nur dafür hätten fünf Minuten Begeisterung auch gereicht. Doch es scheint, als würde der 78-Jährige seine Partei im Moment tatsächlich ziemlich euphorisieren. Schon in seinem ersten Satz setzt er den angriffslustigen und entschlossenen Ton, den er bis zum Ende durchhalten wird:
„America is back“ – Amerika ist wieder da.
Die Reps skandieren „USA, USA“, und Trump lobt sich selbst: In den ersten sechs Wochen seit seiner Amtseinführung habe er mehr erreicht als sein Vorgänger Joe Biden in vier Jahren. Überhaupt sei Biden der schlechteste Präsident in der US-Geschichte gewesen.
Doch jetzt wird alles besser, sagt Trump. Für seine Anhänger klingt es wie eine Verheißung, für seine Gegner – in den USA, aber sicher auch in Kiew und Brüssel – klingt es vermutlich wie eine schlimme Drohung:
„We’re just getting started“ – wir fangen gerade erst an.
Da sind noch keine zehn Minuten vorbei, doch im Lager der Dems ist das vielen schon zu viel. Sie unterbrechen Trump mit lauten Zwischenrufen – ein einmaliger Vorgang bei dieser Art von Rede. Da tut man das einfach nicht, jeder Amerikaner weiß das. Das ist stilistisch noch schlimmer, als mit Badehosen auf eine Beerdigung zu gehen.
Die Dems bringen sich selbst so in Rage, dass der Sprecher des Repräsentantenhauses – ein Parteifreund von Trump – einige Abgeordnete der Opposition von den Saalordnern aus dem Plenum hinausbegleiten lässt. Auch das: noch nicht dagewesen. Andere Dems verlassen mitten in der Rede freiwillig ihre Plätze und gehen nach draußen.
Doch wen soll das beeindrucken?
Trump reagiert spöttisch. Er habe gelernt, dass es einfach nichts gebe, was er tun könnte, um die Dems zufrieden zu stellen. Also, so sagt er, werde er es auch gar nicht mehr versuchen. Stattdessen werde er seine Wahlversprechen umsetzen.
„People elected me to do the job, and I’m doing it“: Die Menschen haben mich gewählt, damit ich die Sache erledige – und das tue ich.
Trump wiederholt sehr viele Punkte aus seiner Antrittsrede vom Januar. Das irritiert anfangs etwas, doch dann wird klar, was er damit bezweckt: Er führt vor, wie viele von diesen Punkten er schon umgesetzt hat.
Einige seiner früheren Ankündigungen konkretisiert er jetzt: Schulen müssen biologische Männer von allen Veranstaltungen des Frauensports ausschließen. Tun sie das nicht, werden ihnen sämtliche Zuschüsse der Bundesregierung gestrichen (falls sie welche bekommen).
Auch Neues ist dabei. Trump will ein Bundesgesetz verabschieden lassen, dass für Polizistenmörder verpflichtend die Todesstrafe vorsieht. Im komplizierten und föderalen US-Strafrecht mit seinem nicht immer leicht durchschaubaren Gerichtswesen wird das noch spannend.
Trump verteidigt alles, wofür er in der EU und vor allem in Deutschland gerade so heftig kritisiert wird: die Einfuhrzölle für Importe aus Kanada, Mexiko, China und der EU; die Aufkündigung des Pariser Klima-Abkommens; den Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation WHO (die er „eine korrupte Organisation“ nennt).
Und dann, natürlich, kommt das Thema Ukraine.
So mancher wird wohl persönliche Attacken auf Wolodymyr Selenskyj erwartet haben, doch darauf verzichtet der US-Präsident komplett. Es scheint, als wolle er sich öffentlich so viel Spielraum wie möglich für künftige Verhandlungen erhalten. Einen Satz sagt er dann, der auch von seinen ärgsten Gegnern nur schwer zu widerlegen sein wird:
„Wenn man einen Krieg beenden will, muss man mit beiden Seiten sprechen.“
Zum Ende hin wird Trumps Vortrag etwas länglich, er selbst erscheint nach zwei Stunden Vortrag dann auch leicht müde. Die Dynamik kommt zurück, als er noch einmal vom Attentat spricht, das er im Wahlkampf nur knapp überlebt hat:
„I was saved by God to make America great again.“
Und das versteht man überall auf der Welt dann auch ohne Übersetzung.