
In Saudi-Arabien kam es am Mittwoch zu einer besonderen Begegnung. Im Beisein von Mohammed bin Salman traf US-Präsident Donald Trump den selbsternannten syrischen Präsidenten, Ahmed al-Scharaa. Es war das erste Treffen zwischen amerikanischen und syrischen Staatschef seit 25 Jahren. Nach dem Treffen teilte Trump mit, dass auch die Führungen Saudi-Arabiens und der Türkei dabei gewesen seien – Recep Tayyip Erdoğan war telefonisch zugeschaltet. Einen Tag zuvor hatte Trump überraschend die Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien angekündigt, „um dem Land eine Chance zu geben”.
Al-Scharaa lud nach dem Treffen mit Trump US-amerikanische Unternehmen ein, in die syrische Öl- und Gasindustrie zu investieren. Später, im Flugzeug auf dem Weg nach Doha, sagte Trump, das Treffen mit Scharaa sei „großartig“ gewesen. Er sei „ein junger, attraktiver Typ“. Die USA erkunden derzeit nach Trump eine Normalisierung der Beziehungen zur neuen syrischen Regierung. Später teilte das Weiße Haus mit, Washington habe al-Scharaa aufgefordert, dem Abraham-Abkommen mit Israel beizutreten und ausländische Milizen dazu aufzufordern, Syrien zu verlassen. Außerdem solle er palästinensische Terroristen ausweisen und Washington dabei unterstützen, ein Wiedererstarken der Terrororganisation IS zu verhindern.
Trumps Entscheidung ist ein Vertrauensvorschuss für den Mann, der in den USA offiziell noch immer als Terrorist geführt wird. Ende des vergangenen Jahres hatte die scheidende Regierung unter Joe Biden allerdings die Belohnung für seine Festnahme gestrichen. Syriens neuer starker Mann hatte einst für al-Qaida im Irak gekämpft und war im berüchtigten Gefängnis Abu Ghuraib gesessen. Anfang Dezember 2024 hatte eine islamistische Rebellenallianz unter seiner Führung das säkulare, pro-iranische Assad-Regime in einer Blitzoffensive gestürzt. Nach dem jüngsten bewaffneten Staatsstreich errichteten die Milizen der HTS (Haiʾat Tahrir asch-Scham) in Syrien eine Übergangsbehörde, deren Mitglieder eine gewalttätige Kampagne gegen die alawitische Gemeinschaft und andere Minderheitengruppen führen. Außergerichtliche Tötungen und Entführungen sind inzwischen in mehreren Regionen zur Norm geworden. Das Treffen zwischen Trump und al-Scharaa wurde insofern durch die jüngste Plünderung und Ermordung der alawitischen Minderheit in Syrien überschattet. Weder den Schutz von Minderheiten noch den Aufbau der sogenannten demokratischen Institutionen in Syrien erwähnte Trump in Riad. Die USA stuften Al-Sharaa im Jahr 2013 als Terroristen ein. Ihm wurde damals vorgeworfen, von Al-Qaida im Irak den Auftrag erhalten zu haben, Baschar al-Assads Herrschaft zu stürzen und die islamische Scharia in Syrien einzuführen. Die Al-Nusra-Front, die Vorgängerorganisation der HTS, soll im Zuge des Syrien-Konflikts Selbstmordattentate verübt haben, bei denen Zivilisten getötet wurden. Bis heute gibt es Berichte, denen zufolge die HTS-Führung Kontakte zu Al-Qaida unterhält.
Die aktuelle Situation in Syrien ist von zwei großen Ängsten geprägt: der Angst vor konfessionellen Spaltungen und der Angst vor zunehmender Gewalt. Seit dem Ausbruch der konfessionellen Gewalt im März und dem Massaker der Kämpfer der Zentralregierung in Damaskus an Minderheiten haben die Forderungen der syrischen Alawiten nach internationalem Schutz zugenommen. Die Drusen sind auch dem al-Scharaa-Regime zunehmend misstrauisch gegenüber. Ende April brachen in drusischen Gebieten in der Nähe von Damaskus Kämpfe zwischen Islamisten und drusischen Kämpfern aus. Dabei wurden mehr als 100 Zivilisten getötet. In Homs und den mehrheitlich alawitischen Küstengebieten wird weiterhin Selbstjustiz ausgeübt. Diese wird zum Teil von Sunniten getragen, die frustriert über die Zurückhaltung der Zentralregierung sind, was die strafrechtliche Verfolgung von Persönlichkeiten aus der Assad-Ära betrifft.
Mit seiner Ankündigung, die Sanktionen gegen Damaskus aufzuheben, ging Trump sogar noch weiter als die Europäische Union, die ihre Sanktionen zunächst nur teilweise ausgesetzt hatte. Der Sturz des Assad-Regimes und die Aufhebung der Sanktionen gegen die neuen Machthaber bietet den USA die Chance, Syrien aus dem Einflussbereich des Iran zu lösen und ein Friedensabkommen zwischen Israel und den Ländern der Levante in die Wege zu leiten. Die Entscheidung des US-Präsidenten dürfte aber eher als Gegengeschenk an Saudis betrachtet werden: Saudi-Arabien hatte zuvor massive Investitionszusagen gemacht und unter anderem ein Rüstungsabkommen im Wert von 142 Milliarden Dollar vereinbart. Ebenso bemerkenswert war, dass sich die langjährigen Rivalen Saudi-Arabien und die Türkei in ihrer Unterstützung für al-Scharaa einig waren. Trump pflegt gute Beziehungen zur Türkei und sieht in Erdogan einen Verbündeten für die Errichtung einer neuen Ordnung im Nahen Osten.
Die Aufhebung der Sanktionen würde den Geldfluss aus der Diaspora, den Golfstaaten und anderen Ländern ermöglichen. Der Wiederanschluss an das Finanzsystem SWIFT würde es syrischen Banken erlauben, wieder Geschäfte mit ausländischen Finanzinstituten zu tätigen. Zudem könnte Syrien Banknoten drucken und so den chronischen Bargeldmangel beheben. Zudem könnten ausländische Firmen Angebote für den Wiederaufbau der Infrastruktur abgeben. Dennoch wird es einige Zeit in Anspruch nehmen, das strenge Sanktionsregime abzubauen. Die Aufhebung der restriktivsten Sanktionen bedarf eines Beschlusses des US-Kongresses. Die Ankündigungen in Riad sind dennoch ein Triumph für den Islamisten in Damaskus. Seit der Machtergreifung des ehemaligen Dschihadisten al-Scharaa sind Sanktionserleichterungen und internationale Legitimität zentrale Bestandteile seiner Strategie.
Der erklärte Schwerpunkt von Trumps viertägiger Reise durch drei Golfstaaten lag auf Handel und Investitionen. Er lobte die US-Beziehungen zu den Golfstaaten und sprach von einem „goldenen Zeitalter“ im Nahen Osten. Während seiner Reise nach Saudi-Arabien erwähnte Trump Israel nur am Rande. Trump drängte Saudi-Arabien zwar, dem Abraham-Abkommen beizutreten, forderte Bin Salman aber auf, dies zu einem Zeitpunkt zu tun, der für ihn richtig sei. Dem US-Präsidenten ist bewusst, dass das Königshaus angesichts des Gaza-Krieges den Schritt derzeit nicht tun kann, ohne seine eigene Bevölkerung gegen sich aufzubringen.
Trumps Entscheidung, Israel während seines aktuellen Besuchs im Nahen Osten zu ignorieren, wurde auch bereits als Zeichen gewertet, dass sich seine Regierung verstärkt auf lukrative Geschäfte mit reichen Golfstaaten konzentriert, die in den USA gewaltige Investitionspläne haben. Inzwischen ist der israelische Premierminister Netanjahu von den USA enttäuscht, da Trump Geschäfte mit den Golfstaaten macht und mit dem Iran verhandelt. Schon vor Beginn der Reise war Israel angesichts der Gespräche der USA mit seinem Erzfeind Iran und Trumps Entscheidung, die Bombardierung der Huthi im Jemen einzustellen, nervös, ungeachtet der Entschlossenheit der von Iran unterstützten Gruppe, ihre eigenen Raketenangriffe auf Israel fortzusetzen. Laut Reuters-Informationen war die Männerfreundschaft zwischen Trump und Netanjahu zuletzt aufgrund der Fortsetzung der Offensive der IDF in Gaza belastet.
Trump ist nicht der erste amerikanische Präsident, der einen Neuanfang in der Region angekündigt hat. Bereits Barack Obama versprach im Jahr 2009 einen „Neuanfang“. Das waren nach den Kriegen der Ära George W. Bush willkommene Worte, doch was sie in der Praxis bedeuteten, war nie klar. Im darauffolgenden Jahr begann der Arabische Frühling und durchkreuzte alle Pläne Obamas. Den Rest seiner Präsidentschaft verbrachte Obama damit, die Krisen zu bekämpfen. Der aktuelle US-Präsident setzt in der Region neue Akzente. Der aktuelle US-Präsident setzt in der Region neue Akzente.
Während Obama und Biden sich für „Demokratie“ und „Menschenrechte“ einsetzten, pries Trump starke Staatsmänner. In seiner Rede auf einer Investitionskonferenz in der saudischen Hauptstadt übte Trump überraschende Selbstkritik gegenüber der US-Außenpolitik in der Region. Er kritisierte die amerikanischen „Interventionisten“, die die Region seiner Meinung nach „zerstört“ hätten. „Am Ende haben die sogenannten ‚Nation Builder‘ weit mehr Nationen zerstört als aufgebaut“, sagte Trump. Die Interventionisten hätten sich in komplexe Gesellschaften eingemischt, „die sie nicht einmal verstanden haben“, fügte er hinzu. „Die Geburt eines modernen Nahen Ostens ist das Werk der Menschen der Region selbst.“ Offensichtlich verfolgt Trump das Ziel, die Dominanz einer regionalen Macht zu verhindern und eine neue Integration in der Region auf Geschäftsbasis zu fördern, um somit einen Zustand der Stabilität und des Friedens zu gewährleisten, – ohne sich in die inneren Angelegenheiten der Staaten einzumischen.