Nach Ukraine und Naher Osten: Trumps Blick richtet sich auf Nordkorea

vor etwa 9 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Bei seinem jüngsten Treffen mit dem neuen südkoreanischen Präsidenten Lee Jae Myung in Washington kündigte US-Präsident Trump an, dass er sich noch in diesem Jahr mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un treffen möchte, um eine Friedensvereinbarung zwischen Nord- und Südkorea voranzutreiben. Trump hatte vor dem Treffen mit Lee sein gutes Verhältnis zu Kim hervorgehoben. Viele Leute würden es als „schrecklich“ bewerten, dass er „sehr gute Beziehungen“ zu dem nordkoreanischen Diktator habe, sagte der US-Präsident im Weißen Haus. Er selbst halte es aber für gut, dass seine Beziehung zu Kim gut sei.

Bislang konzentrierte Präsident Trump seine diplomatischen Bemühungen auf die Ukraine, den Nahen Osten und weitere Regionen der Welt. Doch Nordkorea ist eine Angelegenheit aus seiner ersten Amtszeit, die noch nicht erledigt ist. Trump und Kim hatten sich während Trumps erster Amtszeit drei Mal getroffen. Das erste Gipfeltreffen im Sommer 2018 in Singapur war die erste Begegnung der Staatschefs der USA und Nordkoreas überhaupt. Das Folgetreffen in Hanoi im darauffolgenden Frühjahr scheiterte jedoch. Ein letztes Treffen in der entmilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea lieferte zwar eindrucksvolle Bilder, brachte aber keine nennenswerten Fortschritte. Ein nach Südkorea übergelaufener nordkoreanischer Diplomat sagte kürzlich der britischen Wochenzeitung The Economist, einer der hochrangigen Beamten, die die Gespräche damals organisiert hatten, sei inhaftiert und ein anderer hingerichtet worden sei.

Warum scheiterte der Gipfel in Hanoi? Die beiden Staatschefs hatten völlig unterschiedliche Erwartungen. Kim bot die Schließung seiner wichtigsten Anlage zur Entwicklung von Atomwaffen in Yongbyon im Austausch gegen eine Lockerung der Sanktionen an, doch Trump bestand auf einer vollständigen Abrüstung. Beide Männer glaubten, ihre Differenzen allein durch ihre Persönlichkeit beilegen zu können, und verzichteten auf Vorbereitungen auf Arbeitsebene.

Kim befindet sich in einer stärkeren Position als damals. In den vergangenen Jahren hat Pjöngjang den Ukraine-Krieg genutzt, um seine Waffentests auf ein Rekordtempo zu steigern. Nordkorea verfügt heute über ein deutlich größeres Atomwaffenarsenal als 2018. In den drei Jahren von 2022 bis 2024 testete es mehr Raketen als in den drei Jahrzehnten vor dem ersten Treffen zwischen Trump und Kim. Im Zuge des Ukraine-Kriegs hat das Land im Austausch gegen Sicherheitsgarantien Waffen an Russland geliefert. Dieser Krieg hat zu einer strategischen Partnerschaft mit Russland geführt, die Kim hilft, die von den USA angeführten Sanktionen zu überstehen. Im Gegenzug hat Kim Munition, Waffen und mehr als zehntausend Soldaten nach Russland entsandt, um das Land im Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen.

Als das nordkoreanische Staatsoberhaupt im April 2019 zum ersten Mal Russland besuchte, waren die Beziehungen zwischen Moskau und dem Westen nicht so schlecht wie heute. Die Kremlführung betonte damals, dass Moskau und Washington das Ziel der „völligen Denuklearisierung” der koreanischen Halbinsel teilten. Im letzten Jahr verhinderte Russland jedoch mit seinem Veto, dass die Vereinten Nationen die Sanktionen gegen Nordkorea weiterhin überwachen können. China unterstützte diese Entscheidung durch Enthaltung.

Kim versucht seit dem Ukraine-Krieg, aus der diplomatischen Isolation auszubrechen und seine Position in der Region zu stärken. Er nutzt die zunehmenden Spannungen der USA mit Moskau und Peking und bemüht sich darum, seine Beziehungen zu China und Russland auszubalancieren. Auffalend feierte der chinesische Staatschef Xi Jinping vor Kurzem gemeinsam mit Kim Jong-un und Wladimir Putin die gigantische Militärparade in Peking zum Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans. Damit wertete China die Position Nordkoreas im Pazifik bewusst auf und inszenierte eine Allianz zwischen Nordkorea, Russland und China. Nach der Militärparade in Peking hat Nordkorea seine Unterstützung für die Forderung Xi Jinpings nach einer neuen globalen Sicherheitsordnung bekundet. Xi wirbt für eine Vision, die den sogenannten Globalen Süden in den Vordergrund stellt und die USA direkt herausfordert. Die Ausweitung der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit zwischen Südkorea, den USA und Japan hatte auch bereits Nordkorea dazu veranlasst, zum ersten Mal Übungen gemeinsam mit Russland und China abzuhalten.

Trotz alledem gibt es viele Anzeichen für einen möglichen Deal zwischen den USA und Südkorea einerseits und Nordkorea andererseits: Südkoreas neuer Präsident Lee hat sich der Verbesserung der Beziehungen zu Nordkorea verschrieben. Trump wiederum kann freier agieren, um seinen eigenen Friedensplan durchzusetzen. Globalisten und Neocons-Beamte wie John Bolton, der ehemalige nationale Sicherheitsberater, der den Präsidenten auf „konventionellere Pfade“ lenken wollte, haben in der neuen Regierung Trumps kein Amt mehr inne.

Auch würden dieses Mal die Verbündeten in der Region weniger zu sagen haben. Südkorea steckt nach der Amtsenthebung des ehemaligen Präsidenten Yoon Suk Yeol, der in Ungnade gefallen war, in einer politischen Krise. Während Japans ehemaliger Premierminister Abe Shinzo noch Einfluss auf Trump hatte, befindet sich das asiatische Land nach dem Rücktritt des Premiers Shigeru Ishiba in einer Regierungskrise. Daher ist Japan derzeit weniger in der Lage, bei regionalen Sicherheitsfragen mitzuspielen.

Offiziell sind die USA weiterhin entschlossen, das nordkoreanische Atomprogramm vollständig zu beenden. Doch Trump hat bereits zahlreiche Grundsätze der US-Außenpolitik über Bord geworfen. So bezeichnete er Nordkorea sogar einmal als „Atommacht“ und deutete damit an, dass er bereit ist, das Land als Atomstaat zu akzeptieren. Auch wird Kim nicht mehr, wie im Jahr 2018, bereit sein, sein Waffenarsenal an die USA abzugeben. Der jüngste US-Angriff auf Atomanlagen des Irans gibt ihm zu denken. Am Beispiel des Irans hat Kim nämlich gesehen, wohin es führen könnte, wenn man keine Atomwaffen besitzt.

Angesichts von Trumps „America First“-Politik ist es möglich, dass der US-Präsident eine bilaterale Abmachung mit Kim anstrebt. Kim könnte beispielsweise anbieten, seine Interkontinentalraketen abzubauen. Damit wäre die Bedrohung für das US-Festland weitgehend beseitigt und Trump könnte sagen, er habe die USA wieder sicherer gemacht.

Dass Südkorea und Japan, US-Verbündete in der Region, weiterhin von nordkoreanischen Kurz- und Mittelstreckenraketen bedroht wären, wäre für Trump zweitrangig. Die USA und Nordkorea könnten sich aber damit auf eine Erklärung einigen, die den seit 70 Jahren durch einen Waffenstillstand auf Eis liegenden Koreakrieg formell beendet.

Nordkorea dürfte für einen Friedensvertrag von den USA zusätzlich verlangen, dass diese ihre in Südkorea stationierten Truppen abziehen. Trump, der sich schon lange für einen Abzug dieser Truppen ausspricht, könnte dem zustimmen. In diesem Fall wäre die Entwicklung eines Plans durch das Team von Trump zu erwarten, der darauf abzielt, das Gleichgewicht des Schreckens zwischen den beiden Nachbarländern aufrechtzuerhalten und Nordkorea möglichst weit aus dem Orbit Pekings und Moskaus zu ziehen.

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