
Am Ende dieses historischen Tages stehen viele Bilder und zwei Fakten: Papst Franziskus ist beerdigt. Und Putin ist zu Gesprächen mit Kiew ohne Vorbedingung bereit.
Die Bilder sind der Schlüssel, um die geopolitische Zukunft zu verstehen. Sie zeigen eine Welt, in der sich Deutschland von der Landkarte ausradiert. Und in der die USA bleiben, was empörte deutsche „Transatlantiker“ ihnen absprechen wollen: die tragende Säule des Westens.
Politiker benötigen ein intuitives Gespür für Kulissen, das ihnen ermöglicht, ihre Umgebung optimal für sich zu nutzen. Man mag das oberflächlich finden, aber Macht wird eben über Oberflächen kommuniziert. Talentierte Politiker wissen, wie sie sich an einem bestimmten Ort verhalten müssen, um eine Botschaft in die Welt zu setzen.
Eine Kulisse zu verstehen, bedeutet auch, die eigene Rolle darin zu erkennen. Wem hier das Gefühl für Proportionen fehlt, der entblößt sich. Womit wir bei der deutschen Politik wären.
Der CDU-Chef und kommende Bundeskanzler Friedrich Merz ließ die Chance, bei der Beerdigung des Papstes seinem eigenen Versprechen („Germany is back on track“) gerecht zu werden und sich an der Seite der Staatenlenker zu zeigen, einfach verstreichen. Er fürchtet die Ewige Stadt und offenbart damit schon vor Beginn seiner Kanzlerschaft, wie er gesehen werden will: als Randnotiz der Geschichte.
Emmanuel Macron, Keir Starmer, Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj im Gespräch. Nur einer fehlte: Friedrich Merz.
CSU-Chef Markus Söder schwelgt derweil im Selfie-Modus, als gelte sein Besuch in Rom einzig dem Ziel, die FOMO seines unionsinternen Rivalen anzuheizen. Söder lichtet sich im Flugzeug an der Seite eines grinsenden Frank-Walter Steinmeier ab, dessen Rolle als erster Mann im Staat man sich angesichts dieses Bildes erst wieder vergegenwärtigen muss.
Gerade in Rom gelandet: Nun geht es im Konvoi mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in den Vatikan zu den Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Papst #Franziskus. pic.twitter.com/FgbiwUVSNW
Später zeigt sich Söder auf dem Petersplatz, aufgenommen aus der Froschperspektive, die ihn überlebensgroß über der Menge aufragen lässt. Sein Kopf bildet den Fluchtpunkt der mit Statuen versehenen Kolonnaden, Söder erscheint als Zentrum der Inszenierung. Inmitten der Stadt, die Katholiken errichteten, um eine Verbindung zwischen Irdischem und Göttlichem herzustellen, taucht der bayerische Ministerpräsident mit der frohen Botschaft auf: Leudde, i bi do!
Söder, wie er sich selbst sieht.
Seine gottgleiche Inszenierung ist derart grotesk und deplatziert, dass sie Söder als trostlosen Provinzpolitiker enttarnt, der im Tod des Papstes nicht mehr sieht als ein kostenloses Ticket für eine All-Inclusive-Begräbnisreise. Wer die Proportionen einer Kulisse verkennt, der wird von ihr auf sein tatsächliches Maß eingestampft.
Rom ist ein Ort, an dem man sich klein machen muss, um groß zu sein. Erkannt hat das US-Präsident Donald Trump. Er nutzt die Gelegenheit der Beerdigung, um Diplomatie zu betreiben. Im Petersdom setzt er sich mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj zusammen, um über einen Frieden mit Russland zu sprechen.
Wieder einmal produziert Trump Bilder von ikonischer Kraft. Im Gegensatz zu Söder stellt er sich nicht ins Zentrum der Inszenierung, sondern daneben: Die Stühle, auf denen er sich mit Selenskyj zum vertrauten Gespräch niedergelassen hat, stehen neben dem Mittelpunkt des Marmorbodens, auf den dessen Muster zulaufen. Der Mittelpunkt bleibt eine Leerstelle, die in einer Kirche – wie könnte es anders sein – von der unsichtbaren Anwesenheit Gottes gefüllt wird. So scheint es ein geradezu heiliger Bund der beiden so winzig erscheinenden Männer, die in diesen gigantischen Hallen um Gottes Beistand bitten.
Selenskyj und Trump im Petersdom.
All das wäre bedeutungslos, wäre es nicht von Trumps Drohungen gegenüber Putin begleitet. Nach seinem Treffen mit Selenskyj schrieb er auf seinem Netzwerk Truth Social, es gebe keinen Grund dafür, dass Putin in den letzten Tagen Raketen auf zivile Gebiete, Städte und Dörfer abgefeuert habe. „Es bringt mich dazu zu glauben, dass er vielleicht gar nicht aufhören will, sondern mich nur hinhält – und dass man anders mit ihm umgehen muss, etwa durch ‚Bankensanktionen‘ oder ‚sekundäre Sanktionen‘? Es sterben viel zu viele Menschen!!!“
Kurz darauf erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, Russland sei bereit, mit der Ukraine Verhandlungen ohne Vorbedingungen aufzunehmen. Eine Abkehr von der bisherigen russischen Strategie, die direkte Verhandlungen wie zu Beginn des Krieges ermöglichen würden. Ob es tatsächlich so weit kommen wird, werden die nächsten Wochen zeigen. Putin ist kein verlässlicher Partner, auf jede seiner Zusagen folgt ein Raketenhagel auf einen ukrainischen Kinderspielplatz oder ein Krankenhaus. Und doch ist es ein Erfolg für Trump, dass direkte Verhandlungen nun im Bereich des Möglichen liegen.
Dieser historische Samstag offenbart, dass die USA Weltmacht bleiben und sich nicht aus der Verantwortung zurückziehen wollen. Trumps Bilder bleiben eben nicht bloß Bilder, sie sind ein Bekenntnis zum Westen und seinen Werten. Dies ist der Teil des Kulturkampfes, den die deutschen Konservativen nicht verstehen wollen: Die Bilder sind kein Selbstzweck. Sie sind ein Mittel zum Zweck.
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