
Kanzler Merz bezweifelt öffentlich, ob das von President Trump gestern Abend angekündigte Treffen zwischen Putin und Selenskyj zustande kommt: „Ob der russische Präsident den Mut haben wird, zu einem solchen Gipfel zu kommen: Das wissen wir nicht.“ Deswegen brauche es jetzt „Überzeugungsarbeit“. Eine echte Verhandlung könne es jedenfalls nur auf einem Gipfel geben, an dem die Ukraine selbst auch teilnimmt, so der Bundeskanzler. „Ein solcher Gipfel ist nur denkbar, wenn die Waffen schweigen. Ich habe diese Forderung heute noch einmal erneuert.“ Außerdem dürften der Ukraine keine Gebietsabtretungen aufgezwungen werden: „Und wir haben sehr nachdrücklich die Ankündigung von Präsident Trump begrüßt, der Ukraine Sicherheitsgarantien zu geben und sie mit den Europäern zu koordinieren.“
Nachtarocken nennt man das. Selbstverständlich werden dem Beispiel von Merz andere folgen, die im Weißen Haus auch nichts ausgerichtet haben.
Wenn Merz nach der Zusdammenkunft in D.C. von „Überzeugungsarbeit“ spricht, ist ihm diese dort offenkundig nicht gelungen. Eine Szene spricht Bände:
Ebenso erfolglos wie Merz wirkt Starmer:
Filmschnipsel des White House accounts präsentieren Imperator Donald.
In den folgenden, hier nicht aufgeführten Filmchen, werden sie alle einzeln mit Bildern und Texten gezeigt, die sie hinter Trump versammeln. Hinter Trump, bei dem sie in der für sie zentralen Frage, Frieden nicht direkt verhandeln, sondern nur bei vorherigem Waffenstillstand, im Weißen Haus nichts erreicht haben.
Trump hatte Selenskyj ins Oval Office gebeten. Die Europa-Auswahl hatte sich selbst eingeladen. Frankreichs Presidente Macron, der finnische Präsident Stubb, Italiens Premier Meloni, UK-Premier Starmer, EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und Nato-Generalsekretär Mark Rutte.
Trump hat die Selbsteinladung entgegen vieler gegenteiliger Vermutungen im alten und neuen Medienwald freundlich angenommen und den Spieß umgedreht. Erreicht hat die Europa-Auswahl nichts. Aber Trump hat ihre nicht erbetene Anwesenheit benutzt, um mit ihnen Europa, das politisch nicht existiert, in die Pflicht zu nehmen, wie Holger Douglas es anschließend zusammenfasst: Die USA liefern Waffen – Europa zahlt. Militärische Sicherheitsgarantien sind ebenfalls Sache Europas.
Trump rief nach Abschluss der Gespräche Putin an, wie vorher vereinbart und öffentlich bekannt gegeben, um „mit den Vorbereitungen für ein Treffen zwischen Präsident Putin und Präsident Selenskyj an einem noch zu bestimmenden Ort“ beginnen. Dem Vernehmen nach soll dieses bereits innerhalb der nächsten zwei Wochen stattfinden. Dass der Friedensschluss mit dem Einfrieren der jetzigen Frontlinie verbunden wäre, konnte man aus der Karte schließen, die beim Treffen gezeigt wurde.
Gelingt Trump der Friedensschluss, ist er der Größte. Gelingt er nicht, löffeln die europäischen Länder die Suppe aus, die sie selbst gekocht haben. Beim US-Geschäft Waffenlieferungen bliebe es. Und Trump striche das Thema Ukraine von seiner Agenda.
Trump war milde gestimmt, keine wütende Explosion, kein Herummäkeln an Klamotten. Dafür hatte sich Selensky auch einigermaßen ordentlich angezogen. Es war jedenfalls ein Bild, das die Welt aufmerksam verfolgte: Donald Trump im Oval Office neben Wolodymyr Selenskyj, freundlich gestimmt, Schulterklopfen, Lachen. Ganz anders als noch im Februar, als der ukrainische Präsident in Washington regelrecht abgekanzelt wurde und Vizepräsident JD Vance ihn mit Angriffen überzog. Diesmal blieb Vance auffallend still. Und Trump nutzte die Bühne, um sich als Friedensstifter zu inszenieren – und als harter Geschäftsmann zugleich.
Selenskyj wurde von Reportern gefragt, wie es denn mit Wahlen aussieht. Er wiederum erklärte, Wahlen seien in der Ukraine erst nach dem Krieg möglich, demokratisch, „aber unter sicheren Bedingungen“. Während des Krieges könne nicht gewählt werden. Mit Blick auf das seine eigene, endliche Amtszeit scherzte Trump, das sei ja ein interessantes Modell.
Trump klopfte ihm auf die Schulter, lobte seinen Anzug, lachte. Das Bild war freundlicher als im Februar. Selenskyj sagte später gegen Ende, er sei dankbar, dass sein Land amerikanische Waffen kaufen könne. „Wir sind dankbar für dieses Programm und diese Gelegenheit. Wir sind dankbar für Europa. Sie haben bezahlt.“
Der US-Präsident verkündete über sein Netzwerk Truth Social, er habe mit Wladimir Putin telefoniert. „Nach diesem Treffen wird es ein Trilateral-Treffen geben, an dem die beiden Präsidenten und ich teilnehmen werden. Ich möchte noch einmal betonen, dass dies ein sehr guter erster Schritt in einem Krieg ist, der seit fast vier Jahren andauert.“ Putins Mitarbeiter ließen durch russische Agenturen verlauten, das Telefonat habe 40 Minuten gedauert, man habe sich auf eine Fortsetzung der direkten Gespräche geeinigt.
Trump stellte in Washington klar, dass er eine Entscheidung binnen weniger Wochen erwartet: Entweder ein Durchbruch in den Verhandlungen – oder ein Weitergehen des Krieges. „In ein oder zwei Wochen werden wir wissen, ob wir dieses Problem lösen können“, sagte er.
Während NATO-Generalsekretär Marc Rutte die amerikanische Öffnung zu Sicherheitsgarantien für die Ukraine als „Durchbruch“ feierte, machte Trump deutlich, was er darunter versteht: US-Waffenlieferungen an die NATO. Die USA liefern – Europa zahlt. Für Trump ein Deal im klassischen Sinn: Die Ukraine kauft amerikanische Waffen für 100 Milliarden Dollar, die Europäer finanzieren.
Selenskyj bedankte sich artig, mehr als ein Dutzend Mal allein in der kurzen gemeinsamen Pressebegegnung, hatte Reuters mitgezählt. Im Februar hatte Trump ihm vorgeworfen, zu wenig Dankbarkeit zu zeigen.
Symbolträchtig stellte die ukrainische Delegation eine große Karte auf, rosa markiert die von Russland kontrollierten Gebiete – etwa 20 Prozent des Landes. Beobachter sahen darin nicht nur eine Erinnerung an die Realität des Krieges, sondern auch einen stillen Hinweis, wie ein möglicher Kompromiss aussehen könnte: Land gegen Frieden. Trump vermied klare Worte, blieb vage bei Sicherheitszusagen, wiederholte aber, Europa sei „bereit, Schutz zu gewähren“.
Trumps Positionswechsel in Alaska, ein Waffenstillstand sei nicht nötig und oft unzuverlässig, Frieden solle direkt erreicht weBrden, wollten die angereisten aus Europa wieder umkehren. Es gelang ihnen nicht. Beim Alaska-Gipfel hatte Putin Gebietsabtretungen im Osten der Ukraine gefordert hatte, im Gegenzug für ein Einfrieren der Front an anderen Stellen. Kiew lehnt dies bislang strikt ab. Trump deutete nun an, dass er beides – Selenskyjs Position und Putins Wünsche – „in einer dauerhaften Lösung“ zusammenführen wolle. Ein klassisches Verhandlungsmuster Trumps, maximale Forderungen im Raum stehen lassen und sich als Vermittler des Kompromisses inszenieren.
Trump weiß, es kann auch misslingen. Aber dann können die Europäer ihn nicht beschimpfen und verantwortlich machen. Sie waren ja dabei und drängten auf klare Sicherheitsgarantien. Trump: Der Krieg werde enden, nur wann könne er nicht sagen. Ursprünglich hätte er gedacht, ihn zu beenden, wäre das Leichteste. Trump: „Ist es aber nicht!“
Für Trump ist die Sache klar: „Wir stellen die beste Militärausrüstung der Welt her, da sind sich alle einig. Wir verkaufen diese Waffen an die NATO, die werden dann der Ukraine gegeben. Wir werden dafür bezahlt.“ Für Sicherheitsgarantien müssten die Europäer sorgen.
Die USA verkaufen Waffen, die NATO organisiert, Europa zahlt. Für viele Verbündete ein ernüchterndes Signal – und zugleich eine Bestätigung der Grundhaltung Trumps: Amerika als Lieferant, Europa als Zahler.
Trumps Rhetorik zielte auch nach innen. „Das ist Bidens Krieg, nicht meiner“, sagte er immer wieder. Unter Joe Biden seien 300 Milliarden Dollar in die Ukraine geflossen, „eine korrupte Administration“.
Diesen Krieg hätte es mit ihm nicht gegeben, betonte Trump mehrfach. Die Botschaft ist klar: Er präsentiert sich als derjenige, der Frieden schaffen kann – und gleichzeitig als derjenige, der aus dem Krieg ein Geschäft für Amerika macht.