
Von „Verfassungsbruch“ und „eingestaubten Gesetzen“ aus dem 18. Jahrhundert, die nun zur Anwendung kommen – davon ist aktuell die Rede, wenn die deutsche Presse über Trumps Migrationskurs berichtet. Denn der US-Präsident lässt in seiner zweiten Amtszeit keinen Stein auf dem anderen.
Schon in seiner ersten Amtszeit war Grenzschutz Top-Priorität für seine Regierung, aber diesmal zieht sein Team alle Register. Nicht nur in einem verschärften Rahmen der bisher gängigen Methoden wollen sie illegale Einwanderung in die USA bekämpfen, sondern diesmal wirklich alles rechtlich Mögliche ausschöpfen.
Daher kam auch die von deutschen Medien so gerne kritisierte Anwendung des „Alien Enemies Act“ von 1798. Dieses Gesetz, egal ob über 200 Jahre alt (dies ist schließlich die US-Verfassung auch), ist weiterhin vollständig in Kraft und erlaubt die Abschiebung von ausländischen Staatsbürgern einer feindlichen Macht.
Im Kampf gegen südamerikanische Kartelle und deren Menschen- und Drogenschmuggel quer über die US-Grenze hatte Trump gleich zu Beginn seiner Amtszeit mehrere Kartelle als ausländische Terrororganisationen eingestuft. Die Behandlung solcher nichtstaatlichen Akteure als Feinde nach US-Gesetzen mag dabei in diesem Fall neu wirken, völlig absurd ist sie aber nicht: Mit ähnlichen Argumenten ging die Bush-Regierung etwa gegen Al-Qaida-Terroristen vor. Die Logik ist jedenfalls einfach: Wer als Ausländer in den USA lebt und Mitglied in einer solchen „feindlichen“ Gang ist, kann nach dem „Alien Enemies Act“ direkt abgeschoben werden.
So geht jedenfalls der Gedanke der Trump-Regierung, die nun genau dieses Instrument verwendet, um illegale Einwanderer abzuschieben. All das würde auch über das übliche System gehen – schließlich handelt es sich um Ausländer ohne Aufenthaltsrecht in den USA. Aber das System der amerikanischen Migrationsgerichte ist chronisch überlastet – all das würde mitunter langwierigere Verfahren erfordern. Und der Trump-Regierung geht es darum, so schnell und so viele illegale Migranten wie möglich abzuschieben. Priorität Nummer eins haben dabei Kriminelle.
Wer also der Mitgliedschaft in einer der speziell als Terrorgruppen eingestuften Gangs und Kartelle verdächtigt wird und illegal im Land ist, wird jetzt ins Visier genommen – und landet schnell und ohne weiteres Verfahren in einem Abschiebeflieger. Das ist der Kurs, den die Trump-Regierung jetzt verfolgt und seitdem in einem juristischen Kleinkrieg in den Gerichtssälen des Landes verteidigt.
Dazu einmal vorweg: Dass einzelne Bundesrichter auf Distriktsebenen – die niedrigste Instanz der US-Bundesgerichte – bestimmtes Regierungshandeln temporär mit einstweiligen Anordnungen blockieren, ist nichts Neues, sondern inzwischen Usus geworden. Sowohl in Trumps erster Amtszeit als auch Bidens Präsidentschaft gab es immer wieder solche Fälle. Final entscheiden kann am Ende nur der Supreme Court in Washington. Vorher lähmt all das aber Behörden, gerade wenn Richter einstweilige Anordnungen nicht nur mit rein lokaler Wirkung für ihren Distrikt, sondern für die ganze Nation erlassen. Gerade auch deshalb wird dieses Vorgehen vom Weißen Haus kritisch gesehen – sei es unter Trump oder Biden.
Im Fall der Trump-Abschiebungen nach dem „Alien Enemies Act“ funkten lokale Gerichte auch schnell wieder dazwischen, aber die Strategie seiner Regierung war jetzt: Einfach schneller sein als die NGOs, die für die Migranten gegen ihre Abschiebungen klagen. Es geht darum, innerhalb kürzester Zeit Fakten zu schaffen.
Und genau hier beginnen die Kontroversen. Etwa wenn US-Gerichte Abschiebestopps für einzelne Migranten verhängen, das entsprechende Flugzeug mit ihnen an Bord aber schon in der Luft über internationalen Gewässern war. Der wohl bekannteste Streitfall ist Kilmar Abrego Garcia, er ist einer jener illegalen Einwanderer mit mutmaßlicher Gang-Mitgliedschaft, den die Trump-Regierung nach El Salvador abschob.
Unterschied in seinem Fall: Ein Gericht hatte bereits 2019 zuvor seine Abschiebung erlaubt – nur nicht konkret nach El Salvador. Diese „Withholding of Removal“-Order ging bei seiner Festnahme jetzt unter und er wurde in einem als „administrativen Fehler“ beschriebenen Vorfall in sein Heimatland abgeschoben. Dort wurde er von der Regierung von Präsident Nayib Bukele in Haft genommen. Der erklärte Trump-Freund hatte nämlich mit der US-Regierung eine Vereinbarung zur Inhaftierung von abgeschobenen Kriminellen geschlossen.
Jetzt kämpfen Demokraten und Republikaner um den Fall: Trumps Kritiker sprechen von einem liebevollen Familienvater mit amerikanischer Frau, der unschuldig abgeschoben wurde. Trumps Anhänger verweisen darauf, dass in seinem Abschiebeverfahren 2019 bereits gerichtlich festgestellt wurde und dass er Mitglied in der Gang MS-13 ist (die Trump als Terrorgruppe einstufte). Seine Frau hatte er damals mitten in der Abschiebehaft geheiratet. Und auch das Verfahren von 2019 stellte fest, dass er illegal in den USA ist und abgeschoben werden kann – in jedes Land der Welt, bloß eben nicht El Salvador.
„Auf keine Weise endet das damit, dass er jemals hier legal lebt“, sagte daher jetzt Trump-Berater Stephen Miller, der federführend für die Migrationspolitik der Regierung ist. Gerichte niedrigerer Instanzen hatten nun angeordnet, dass die US-Regierung die Rückkehr Abrego Garcias „ermöglichen und erwirken“ („facilitate and effectuate“) muss. Der Supreme Court schritt zuletzt mit einer Entscheidung ein, die beide Seiten als Sieg verbuchten: Seine Rückkehr solle nur „ermöglicht“ („facilitate“) werden, heißt es dort.
Aus Sicht der Trump-Regierung ist Abrego Garcia nun aber ausschließlich in den Händen von El Salvador, eine Rückkehr erzwingen könne man nicht. Und Präsident Bukele erklärte kürzlich grinsend im Oval Office neben Trump, dass er Abrego Garcia ebenfalls nicht zurück in die USA „schmuggeln“ könne. Nun geht der juristische Kampf weiter: US-Regierungsanwälte pochen darauf, dass „ermöglichen“ nur bedeutet, man sei bereit, ihn aufzunehmen, wenn El Salvador ihn zurückfliegt – woran Bukele nicht denkt. Derweil sprechen Trump-Kritiker schon von „Verfassungsbruch“ und dem Ignorieren von Gerichtsurteilen.
Klar ist bei alledem: Diesmal versucht die Trump-Regierung jeden erdenklichen Schritt, um einerseits Migranten von der Grenze abzuhalten und andererseits bereits eingereiste Illegale abzuschieben. Allein schon dieses Vorgehen hat auch Effekte auf andere illegale Einwanderer im Land. „Immer mehr Migranten entscheiden sich für die Selbstabschiebung, anstatt zu riskieren, wie Kriminelle abgeschoben zu werden“, titelte etwa die Los Angeles Times vor wenigen Tagen. Die Trump-Regierung hat jüngst eine eigene App für „Selbstabschiebungen“, also freiwillige Rückkehr Illegaler, gestartet – als Ersatz-App für die abgeschaltete „CBP One“-App unter Biden, bei der illegale Einwanderer einen Termin zur Einreise und Antrag eines (meist unbegründeten) Asylgesuchs auswählen konnten.
An der US-Grenze selbst ist es derweil ebenfalls deutlich ruhiger geworden. Neueste Zahlen des US-Grenzschutzes zeigen: In diesem März, der zweite ganze Monat nach Trumps Amtseintritt, kam es nur noch zu durchschnittlich 673 täglich versuchten Grenzübertritten. Im Vorjahr unter Biden waren es jeden Tag 3.464 Übertrittsversuche – es gab also einen Rückgang von rund 81 Prozent (Apollo News berichtete). Trumps harter Kurs zeigt Wirkung.
Er testet bei der Migrationspolitik ganz offensichtlich das äußerste Limit dessen aus, was er durchsetzen kann – inklusive Kämpfen mit Richtern quer durchs Land. Aber all das passiert vor allem aufgrund eines Wissens: Zollpolitik und Co. mögen für den Durchschnittsamerikaner gerade nicht ganz sonnig aussehen, aber Migration – das ist das eine Feld, worauf er am meisten pocht, wo er aktuell fast uneingeschränkt die Rückendeckung der Amerikaner hat. Nur daher kann er sich hier fast alles erlauben: Denn er setzt gerade um, was er versprochen hat – mit knallharten Methoden, die schon im Wahlkampf Thema waren.