Wie Trumps Social-Media-Game die Geopolitik revolutionierte

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: NiUS

Fast zwei Wochen Krieg zwischen Israel und Iran, eine wackelige Waffenruhe – und mittendrin ein US-Präsident, der Friedensabkommen postet und Konflikte in Echtzeit kommentiert. NIUS zeigt, wie Donald Trump mit seinem Social-Media-Stil die klassische Diplomatie unterläuft – und welche Folgen das für die Weltpolitik hat.

Am 13. Juni 2025 reagiert Israel mit einem gezielten Militärschlag auf eine Lage, die den Staat seit Jahren existenziell bedroht. Der Angriff auf Irans Atomanlagen, Luftabwehrsysteme und Kommandozentralen ist eine Antwort auf ein Regime, das Israels Auslöschung zum Staatsziel erklärt hat. In offiziellen Verlautbarungen bezeichnet Teheran Israel als „Krebsgeschwür“, das entfernt werden müsse. Die Sprache ist eindeutig genozidal. Über Proxies wie die Hisbollah oder Hamas führte Iran diesen Vernichtungskrieg längst mit realem Blutvergießen – ohne den Iran wäre der 7. Oktober nicht denkbar. Gleichzeitig ist die europäische Iranpolitik endgültig gescheitert. Während die EU noch auf Gespräche setzte, wies die Internationale Atomenergiebehörde nach, dass der Iran hochkonzentriertes Uran weit über zivile Zwecke hinaus anreichert.

Amerikanische Luftschläge zerstörten am vergangenen Sonntag nun zentrale Nuklearanlagen, israelische Streitkräfte töteten in diesem Krieg insgesamt über 20 ranghohe Militärs, darunter mehrere Kommandeure der iranischen Revolutionsgarden. Es ist ein historischer Präventivschlag – militärisch, aber auch symbolisch. Denn er markiert das Ende der Illusion, man könnte mit einem antisemitischen Terrorstaat zu einem wie auch immer gearteten Frieden gelangen, wenn nicht zuerst Fakten in Sachen Sicherheit geschaffen werden.

Trump drohte hier dem obersten iranischen Führer mit dem Tod. Er beendete seinen Post mit den provokanten Worten „Thank you for paying attention to this matter“ – provokant, da es sich um eine Formel handelt, wie sie im Amerikansichen am Ende von Durchsagen etwa an Bahnhöfen geläufig sind.

Donald Trump steht inmitten eines außenpolitischen Dilemmas, das tief in den Reihen seiner eigenen Partei verankert ist. Die Republikaner sind gespalten: Auf der einen Seite stehen die Neokonservativen, die traditionell eine interventionistische militärische Außenpolitik vertreten. Auf der anderen Seite steht Trumps eigene Bewegung (MAGA), die für „America First“ steht – und damit für eine defensive Strategie, die sich gegen neue Kriege und für nationale Interessen wendet. Trumps Wahlerfolg basierte auch auf der Abkehr von endlosen Auslandseinsätzen – nicht auf deren Ausweitung.

Der Irankrieg Israels bringt nun beide Strömungen gleichzeitig unter Druck. Es ist nicht Amerikas Krieg – aber Israel ist der engste Verbündete. Würde Trump sich distanzieren, bräche er mit einer konstanten Säule republikanischer Außenpolitik. Würde er mit voller Wucht mit einsteigen, käme das einem Verrat an seinem eigenen außenpolitischen Markenkern gleich. Zwischen Loyalität („greatest ally“) und Isolationismus („No More Wars“) muss Trump nun eine Gratwanderung kommunizieren und vollziehen – und er tut es auf seine eigene Art: nicht durch Reden und medialen Statements, sondern durch Tweets.

Trump kommuniziert außenpolitische Entscheidungen oft so direkt, dass selbst enge Berater keine Gelegenheit mehr zur Einmischung haben – so jedenfalls wirkt es. Ein Video auf X zeigt, wie Donald Trump seine Tweets verfasst. Zu sehen ist, wie er einer Mitarbeiterin diktiert, was sie posten soll. Diese transkribiert es in Windeseile. So scheint es sich bei Trumps Postings um unmittelbare, spontane Geistesblitze zu handeln, die im Moment entstehen und anschließend Weltpolitik entscheiden. Ob es immer so abläuft, ist freilich nicht bekannt.

Nur kurz nach seinem triumphal verkündeten „Zwölftageskrieg“-Friedensschluss zwischen Israel und Iran – in Anlehnung an den historischen Sechstagekrieg – folgte am Dienstagvormittag der Bruch: Iranische Entscheidungsträger bombardierten Israel, möglicherweise sogar in Unkenntnis des Deals. Die Vorgänge zeigen die Kehrseite von Trumps Social-Media-Konzept – nämlich, wie riskant spontane Ankündigungen sein können.

Screenshot: Truth Social

Kaum hatte Donald Trump den vermeintlichen Friedensschluss zwischen Israel und Iran auf Truth Social verkündet, wurde die Realität ihm zum Gegner. Weder Teheran noch Jerusalem bestätigten den Deal offiziell – und schon drei Stunden nach seiner Ankündigung meldeten israelische Medien eine anfliegende iranische Rakete im Norden des Landes. Israel kündigte eine „kraftvolle Antwort“ an – und Trump war, wie es aus seinem Umfeld hieß, „wütend“.

Dass Israel kräftig antwortete, brachte Trump sichtlich auf: Beide Staaten wüssten längst nicht mehr, „was zum Teufel sie tun.“ Ein auf Social Media verkündeter Waffenstillstand ist noch lange kein Frieden im Raketenbeschuss.

Wenig später setzte Trump nach – mit einem weiteren Truth-Post: „Israel is not going to attack Iran. All planes will turn around and head home, while doing a friendly 'plane wave' to Iran. Nobody will be hurt, the ceasefire is in effect! Thank you for your attention to this matter!“ Es war der Versuch, die eigene Wirklichkeit zu behaupten – gegen alle sichtbaren Zeichen eines fortdauernden Konflikts.

Kurz vor dem Nato-Gipfel in Den Haag am Mittwoch bekam Trump eine schmeichelnde SMS von Nato-Generalsekretär Mark Rutte – und stellte sie umgehend auf seiner Plattform Truth Social online. Rutte nahm die Veröffentlichung gelassen. Beim Gipfel erklärte er, es störe ihn nicht, dass Trump seine Nachricht öffentlich gemacht habe.

Screenshot: Truth Social

Das Treffen wurde auf nur zweieinhalb Stunden reduziert – mit lediglich einem Tagesordnungspunkt (Erhöhung der Verteidigungsausgaben), anstatt eines mehrtägigen Programms. Wie Reuters berichtet wurde der Gipfel bewusst knapp und fokussiert gehalten, um Trumps Vorgaben und Bedürfnissen gerecht zu werden. Trump nimmt solchen Ereignissen damit die Theatralik, die auf ihnen normalerweise zelebriert wird.

Am Dienstagabend berichteten CNN und die New York Times, dass die Schäden an den Atomanlagen viel kleiner als gedacht seien. Das Atomprogramm sei demnach lediglich um mehrere Monate zurückgeworfen worden. Trump schrieb in Großbuchstaben, es handele sich um „einen der erfolgreichsten Militärschläge der Geschichte“. Auch seine Sprecherin Karoline Leavitt wies entsprechende Geheimdienstberichte als „total falsch“ zurück.

Screenshot: Truth Social

Zur Untermauerung ließ Trump seinen Nahost-Beauftragten Steve Witkoff bei Fox News auftreten. In dem Interview erklärte dieser:

„Wir haben zwölf bunkerbrechende Bomben auf Fordow abgeworfen. Es steht außer Zweifel, dass sie die Schutzkuppel durchschlagen haben – und es steht außer Zweifel, dass die Anlage VERNICHTET wurde. Die Berichterstattung, die in irgendeiner Weise andeutet, wir hätten unser Ziel nicht erreicht, ist schlichtweg absurd!“ Das Interview bei Fox News ist hier anzusehen.

Screenshot: Truth Social

Die von US-Präsident Donald Trump vermittelte Waffenruhe zwischen Iran und Israel scheint am Mittwoch weiterhin zu halten, auch wenn sie fragil ist. Beide Seiten hatten bereits am Dienstag signalisiert, ihre Luftangriffe eingestellt zu haben – zumindest vorläufig. Nach zwölf Tagen Krieg erklärten sowohl Iran als auch Israel den militärischen Einsatz jeweils für erfolgreich beendet.

Trumps Nahost-Beauftragter Steve Witkoff äußerte sich optimistisch: Die Gespräche zwischen den USA und dem Iran seien „vielversprechend“, und Washington hoffe auf ein langfristiges Friedensabkommen. Ob das so ist und wie der geopolitische Konflikt weitergeht, lässt sich unter Trump in Echtzeit auf Social Media verfolgen.

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