
Es ist vor allem ein Punkt, der nach dem Treffen von US-Präsident Donald Trump mit Russlands Präsident Wladimir Putin für Kanzler Friedrich Merz (CDU) heikel werden könnte: die Sicherheitsgarantien für die Ukraine.
Demnach könnten die USA und die europäischen Verbündeten Kiew einen ähnlichen Schutz bieten, wie in Artikel 5 des Nato-Vertrags vorgesehen, sagte Unterhändler Steve Witkoff im Interview mit CNN. Für Putin sei ein Nato-Beitritt Kiews indiskutabel. Eine Sicherheitsgarantie ähnlich der Nato-Beistandsklausel könne aber eine Lösung sein. Im Gespräch mit Fox News sagte Witkoff, Moskau könnte sich in einem Friedensabkommen verpflichten, keine weiteren Gebiete in der Ukraine zu besetzen.
Steve Witkoff ist Sonderbeauftragter im Kabinett Trump. Zu seinem Aufgabengebiet gehört unter anderem der Krieg in der Ukraine und das Vorantreiben der Verhandlungen.
Was klingt, wie ein Zugeständnis, bringt Merz und die Europäer wiederum in neuen Handlungsdruck. Wenn der Frieden der Ukraine daran hängt, muss Europa liefern. Geld, Truppen, bewaffneter Schutz: Fast nichts davon kann oder will Deutschland als europäische Führungsmacht kurzfristig garantieren. Drei Szenarien, die dem Kanzler einen ungemütlichen Herbst verheißen.
US-Präsident Trump hat immer wieder deutlich gemacht, dass er sich militärisch in der Ukraine nicht engagieren will. Die von ihm favorisierten Rohstoff-Deals schaffen eine wirtschaftliche Bindung zwischen Kiew und Washington, die eine stabilisierende Wirkung hätte. Bricht Putin die Abkommen, schadet er den Interessen Trumps, macht ihn sich zum Feind.
Donald Trump im Gespräch mit Waldimir Putin nach ihrer gemeinsamen Pressekonferenz in Anchorage.
Militärisch müsste allerdings Europa die Ukraine unter ihren Schutz stellen, analog zur Nato-Beistandsklausel. Und genau hier beginnen die Unannehmlichkeiten für Merz: Die Bundeswehr könnte einen robusten Einsatz entlang einer ukrainisch-russischen Demarkationslinie nicht leisten. Sie ist schon mit dem Aufbau der deutschen Litauen-Brigade voll ausgelastet. Peinlich allerdings, wenn Merz den starken Mann Europas spielen will und dann leider, leider bei den Sicherheitsgarantien auf die Nachbarn zeigen muss. Die alte Methode, Deutschland schickt Sanitäter und Aufbauhelfer, wird jedenfalls nicht mehr funktionieren.
Wie vermint dieses politische Gelände ist, konnte Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) am Montag binnen weniger Stunden erleben. Deutschland werde bei einer möglichen Friedenssicherung „eine wichtige Rolle“ übernehmen müssen, sagte er Table Media. Deutsche Soldaten in der Ukraine lehne er jedoch ab, so Wadephul. Wenig später ruderte er zurück und drückte sich vorsichtiger aus. Das müsse im Detail verhandelt werden.
Friedrich Merz und Boris Pistorius bei Soldaten der Panzerbrigade 45 nach dem Aufstellungsappell. Die Panzerbrigade 45 der Bundeswehr ist dauerhaft in Litauen stationiert und soll die Ostflanke der NATO unterstützen.
Merz, der am frühen Montagmorgen von München aus nach Washington aufbrach, sitzt jetzt in einer Falle, die er sich selbst gestellt hat: Er muss das neue „Gewicht Deutschlands auf der Weltbühne“, das er verkörpern will, in der harten Münze politischer, wirtschaftlicher und militärischer Stärke einlösen.Die Gefahr: Schon der SPD-Teil der eigenen Koalition dürfte mit einem robusten Militär-Mandat in der Ukraine mit Russland als Gegner ein Problem haben. Hinzu kommt die politische Stimmungslage insgesamt. AfD, Linke und BSW machen schon jetzt gegen die Aufrüstung der Ukraine, Waffenlieferungen und erst recht gegen deutsche Truppen mobil. Alles in allem dürfte ein Auslandseinsatz der Bundeswehr im Osten alles andere als populär sein.
Doch auch das Geld, mit dem sich Deutschland bisher bei vielen internationalen Einsätzen „herauskaufen“ konnte, sitzt in Zeiten der Rezession nicht mehr so locker. Dass Friedrich Merz auf der internationalen Bühne eine gute Figur macht, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Bundeshaushalt trotz Milliardenschulden auch Milliarden-Löcher ungedeckt sind. In Zeiten brummender Konjunktur war das alles kein Problem. Wenn aber deutsche Rentner selbst in Berlin-Mitte in den Papierkörben nach Pfandflaschen suchen, kann eine Debatte über zusätzliche Milliarden für die Ukraine das Kabinett Merz leicht aus dem Tritt bringen. Motto: Ausländer im Bürgergeld, Sozialkassen in Not, aber Geld für Kiew.
Friedrich Merz auf dem Weg nach Washington zum Gipfel mit Selenskyj und weiteren europäischen Staatschefs.
Eines aber geht ganz sicher nicht: In dem Maße, wie Friedrich Merz sich in Europa, Washington und international für die Ukraine engagiert, muss Deutschland auch handfest Verantwortung übernehmen. Mit anderen Worten: Sich als Verhandlungsführer bei jeder Gelegenheit zu Wort zu melden und sich beim aktiven Einsatz komplett rauszuhalten, wird nicht gehen.
Krieg ist teuer, Frieden auch. Der Preis, den Merz als Friedenskanzler bezahlen muss, wird er nach der Rückkehr aus Amerika in Deutschland erklären müssen. Auch das wird Wladimir Putin mit Interesse verfolgen.