
„Der Rosenmontag wird in Marburg erstmals mit einem stehenden Festzug gefeiert“, verkündet der Festausschuss und die Stadt. Anstatt des traditionellen Rosenmontagsumzugs soll es eine „närrische Festmeile für Groß und Klein“ geben. Der Grund für die Absage des Karnevalsumzugs sind die hohen Kosten und die Anforderungen für das Sicherheitskonzept. Zugmarschall Toni Ahlendorf erläutert laut dpa, dass „der bisherige Rosenmontagszug mit seinen Absperrungen bei einem Zug von der Innenstadt bis zum Afföller aktuell einfach nicht finanzierbar“ sei.
Jüngst hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser noch die „hohe Wachsamkeit“ der Behörden vor der Karnevalssaison betont. Es gebe weiter Grund zu „konsequentem Handeln für unsere Sicherheit“, sagte sie Montagsausgabe der Rheinischen Post. „Die Sicherheitsbehörden tun alles, damit zu Karneval, Fasching und Fastnacht friedlich gefeiert werden kann“, beteuerte die Innenministerin.
Tatsächlich hat die reale Sicherheitslage Karneval längst zu einem unverantwortlichen Risiko gemacht – entweder einem Sicherheits- oder einem Finanzrisiko. Zum Beispiel in Marburg: Jedes Jahr feiern über zehntausend Menschen den Karnveal in der hessischen Stadt. 2024 nahmen rund 12.000 Besucher am Rosenmontagsumzug in Marburg teil, 2023 waren es 15.000. Mit Paraden ist es jetzt erstmal vorbei – die Sicherheitskosten sind nicht mehr finanzierbar geworden. Und Marburg ist kein Einzelfall.
Längst sagen zahlreiche Städte im ganzen Land aufgrund der höheren Kosten ihre Karnevalsumzüge ab. So zum Beispiel Erfurt, wo sonst der größte Karnevalsumzug Thüringens stattfand. Im Vorjahr hatte der Faschingsumzug rund 200.000 Euro gekostet – in diesem Jahr war mit deutlich höheren Kosten gerechnet worden. „Es gibt eine Demonstration durch die Stadt, um darauf aufmerksam zu machen, dass Traditionen wichtig sind“, so Thomas Kemmerich, Präsident der Gemeinschaft Erfurter Carneval und FDP-Politiker.
Auch in Kempten im Allgäu wird auf den traditionsreichen Umzug verzichtet. Um in diesem Jahr die Sicherheit der zuletzt rund 15.000 Besucher zu gewährleisten, hätte man sämtliche Zufahrtsstraßen mit schweren Fahrzeugen oder Betonblöcken sichern müssen. Die dafür veranschlagten Kosten beliefen sich am Ende auf 50.000 Euro – zu viel für den Karnevalsverein. In einer Stellungnahme heißt es bitter: „Der islamistische Terrorismus hat sein Ziel erreicht“.
Die Nordrhein-Westfälische Stadt Moers konnte ihren Festumzug retten: Auch der traditionsreiche Nelkensamstagsumzug stand auf der Kippe, doch eine große Spendenaktion der Bevölkerung brachte am Ende das notwendige Geld ein. Am Ende klaffte eine große Lücke in der Kasse. Rund 20.000 Euro kamen zusammen – was große Freude bei den Karnevalisten ausgelöste. Eine solche Aktion soll es jetzt auch im kommenden Jahr geben, kündigte der Präsident der örtlichen Karnevalsgesellschaft an. Wahrscheinlich muss sie in den Folgejahren erhalten bleiben.
Doch zehntausende Euro an Spenden zu sammeln – das ist nicht für alle und sicher nicht jedes Jahr wieder eine Option. Der Bund Deutscher Karneval beklagt den Kostendruck: „Es kann nicht am Ende bedeuten, dass die Kosten abgewälzt werden auf die Ausrichter, also diejenigen, die Züge organisieren“, sagte der Präsident Klaus-Ludwig Fess. Bei großen Veranstaltungen wie zum Beispiel in Köln oder Mainz könnten das durchaus zusätzliche Mittel von 100.000 bis 200.000 Euro bedeuten. „Es muss darüber gesprochen werden, wie so etwas gemeinschaftlich gelöst werden kann.“
Fess warnte davor, dass noch mehr Umzüge wegen hoher Kosten abgesagt werden könnten. „Es wäre fatal, wenn das Kulturgut Fasching, Fastnacht, Karneval in einer Region wegbricht, weil das Sicherheitsbegehren zu hoch ist und sich niemand mehr traut, so etwas zu organisieren.“ Mit Blick auf Terroristen warnte er: „Wir dürfen uns nicht von solchen Leuten das Leben diktieren lassen.“