Über 200 „Kulturschaffende“ fordern mehr Druck auf Israel

vor etwa 3 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Der deutsche Zeitgeist ist links. Zwar erodiert angesichts der heraufziehenden Krise des Wohlfahrtsstaats und der Staatsfinanzen das Vertrauen in die Kompetenz des politischen Personals. Doch grundsätzlich dominieren im öffentlichen Diskurs Aspekte kollektivistischen Denkens. Der Staat in seinen verwaltenden, umverteilenden und regulierenden Ausprägungen bleibt sakrosankter Monolith der Gesellschaft.

Die übergroße Mehrheit der Bürger befürwortet einen umverteilenden Wohlfahrtsstaat, steht dem freien Markt skeptisch gegenüber und würde ganz sicher nicht für den Erhalt zensurfreier sozialer Medien auf die Barrikaden gehen, ganz gleich wie sehr der Staatsapparat in Brüssel und Berlin die Meinungsfreiheit bedroht. Der Erfolg der linken Parteien spricht dafür, dass große Teile der deutschen Bevölkerung vor dem Staatskraken kapituliert haben oder seinen wachsenden Einfluss im Alltag gar goutieren.

Dabei war die Linke lange Zeit auf Spurensuche. Sie suchte nach Ankerpunkten, um nach dem verlorenen Krieg gegen die Kräfte der Freiheit, der im Kollaps des Sozialismus zu Beginn der 90er Jahre kulminierte, aufs Neue in der Bevölkerung Wurzeln zu schlagen.

Auch die deutsche Linke griff zu, als kulturmarxistische Züge aus den Vereinigten Staaten nach Europa übersetzten. Die Delegitimierung der Familie, der ressentimentgeladene Kampf gegen das Privateigentum standen ebenso auf dem Programm wie die skurrile kulturzersetzende Folklore, die wir in der Gender-Politik und der woken Infantilenkultur kennenlernen durften.

Trotz erheblicher Erfolge blieb es lediglich bei gewonnenen Schlachten, der Sturm auf die Bastille des Bürgertums gelang ihr bislang nicht. Das bürgerliche Ferment der deutschen Gesellschaft präsentiert sich gegenwärtig zwar als angeschlagen, scheint im Ringen um die kulturelle Deutungshoheit auf lange Sicht dennoch den Sieg davon zu tragen. Es ist den neuen Sozialisten nicht gelungen, der Mehrheit der Bevölkerung den Wunsch nach Normalität, nach Familienleben, nach traditionellen Werten sowie einen grundsätzlich akzeptierten Leistungsgedanken auszutreiben.

Was also tun? Die Linke befindet sich weiterhin auf der Suche und ist nun offenkundig in Gaza fündig geworden. Auf ihrem Parteitag im Mai bezichtigte die Partei „Die Linke“ Israel für das Vorgehen in Gaza eines „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“ und forderte die völkerrechtliche Anerkennung eines Palästinenserstaats.

Und die Medienmaschine breitet mit ihrer intensiven und emotional-tragenden Dauerberichterstattung den idealen Boden zum medialen Comeback der Sozialisten. Auch der jüngst initiierte offene Brief einer Liste sogenannter „Kulturschaffender“ an den Bundeskanzler zur Neuausrichtung der Beziehungen zu Israel fügt sich ein in dieses Medienspiel.

Hier geht es schon lange nicht mehr um die reale Bedrohungslage der israelischen Bevölkerung, ihrer innenpolitischen Zerrissenheit und der Kritik an der Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu. Die Linke versucht, ihre Kampagnenfähigkeit unter Beweis zu stellen, und startet ihre Aktion gleich in der Champions-League der Öffentlichkeitsarbeit: mit einem offenen Brief an den Bundeskanzler.

In diesem fordern sie den Stopp deutscher Waffenexporte an Israel, das Aussetzen des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel sowie einen sofortigen Waffenstillstand und ungehinderten Zugang humanitärer Hilfe nach Gaza. Dazu sei angemerkt: Immer wieder gibt es deutliche Hinweise, dass die Hamas Teile der Hilfsgüter unter ihre Kontrolle bringt und so ihre Macht stabilisieren kann.

Der hohe politische Einsatz und die emotionale Verve, mit der die Linke nicht nur in Deutschland den Druck auf die israelische Politik erhöht, ist verräterisch. Es gelingt ihr kaum, den latenten Antisemitismus zu überspielen, der stets mitschwingt, wenn man mit großer Geste die alleinige Schuld am Gaza-Konflikt Israel auf die Rechnung schreibt.

Die Linke hat nun mit der Kritik an Israel ein Leitthema gefunden, das sie medial ausschlachten wird. Und mit Aktionen wie dem vom linken Mediensektor initiierten offenen Brief an den Bundeskanzler treibt sie diesen vor sich her. Merz laviert auch in der Frage der Zwei-Staaten-Lösung wie von Beginn seiner Kanzlerschaft an ohne eigene Linie. Er dürfte Israel auch in dieser Frage genauso fallen lassen, wie er bei der Frage der deutschen Staatsschulden vor der Linken kapitulierte.

Mit der Medienaktion stellt der linke Mediensektor unter Beweis, dass er in der Lage ist, autonome Strategien und Aktionen selbst unter Ausschluss des engeren politischen Machtzirkels zu planen. Während sein Pendant in den Vereinigten Staaten von der Regierung und Präsident Donald Trump gerade zerschlagen wird, genießt die linke Medienmaschine in Deutschland weitgehende Handlungsautonomie. Sie verfügt nach wie vor über eine stabile Finanzierungsstruktur. Sowohl die Lebensader der Zwangsfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, als auch die zum großen Teil staatlich finanzierten NGO-Aktivitäten funktionieren in gewohnter Routine.

Losgelöst von der inhaltlichen Verankerung des offenen Briefs an den Bundeskanzler im Herzen des Gaza-Konflikts lohnt sich ein kurzer medienpolitischer Exkurs und ein Blick auf die im offenen Brief in Zirkulation gebrachte Titulierung der „Kulturschaffenden“.

Wir stehen hier vor einer sorgsam aufgebauten und über einen längeren Zeitraum etablierten Medien-Chimäre. Selbstverständlich handelt es sich bei der überwiegenden Mehrheit der Unterzeichner der Initiative mitnichten um Künstler. Es sind die üblichen Protagonisten der staatlichen Entertainment-Maschine, die der Initiative ein Gesicht verleihen und sie auf diese Weise in den Medienäther untermischen.

Der Begriff des „Kulturschaffenden“ nutzt geschickt die positive Konnotation, die sich bis heute mit dem Begriff des Künstlers verbindet. Der Künstler repräsentiert das selbstlose Element, sein Dasein atmet den Geist des Meritokratischen. Er verleiht der Gesellschaft intellektuelle Impulse, ästhetischen Anstrich und visionäre Kraft.

Da ja Begriffe im heutigen Diskurs gern auch historisch gewertet werden, hier ein kleiner Hinweis: Die Bezeichnung „Kulturschaffende“ stammt aus dem Vokabular der NS-Reichskulturkammer – ein bürokratischer Sammelbegriff zur Erfassung, Überwachung und ideologischen Lenkung von Künstlern im Dienste der Volksgemeinschaft. Wer nicht ins Raster passte – „entartet“, avantgardistisch oder jüdisch –, wurde aussortiert. Der Begriff roch also schon damals nach politischer Hygiene.

Zurück zur Gegenwart. Die bunte Truppe der Böhmermanns, Winterscheidts oder Heufer-Umlaufs und wie sie alle heißen mögen, formen den Komplex der Untertanenhaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – das macht sie geradezu zu Antipoden des Kulturellen. Mit ihrem Engagement in den öffentlich-rechtlichen Medien verpflichten sie sich zur regelmäßigen Teilnahme am staatlichen Propaganda-Programm. Aus diesem Grunde tauchen auch stets dieselben Namen auf, wenn es darum geht, die grotesken, invasiven Politikregime unserer Zeit medial darzustellen.

Man denke nur an die Impfkampagnen und Hygienetipps während der Lockdowns. Prominente des Entertainment-Sektors sind bei großen Sportereignissen zur positiven Konnotierung zwischen Staatsmedien und Entertainment zur emotionalen Verankerung des Staats und seiner Vertreter im Unterbewussten der Bevölkerung stets präsent. Als prominentestes Beispiel dient die ununterbrochene Bespielung der Medien mit Flüchtlingshilfe und Klimawandel-Propaganda.

Wankt der Konsens, neigen sich die Umfragewerte der Konsensparteien, schlägt die Stunde der Stars des Entertainments. Dann greift die staatliche Propaganda auf die im TV, in Zeitungen und Radio sowie in sozialen Medien herangezüchteten, bekannten Gesichter zurück, um das eigene Handeln im Volk emotional abzusichern.

Das gelingt mal mit Erfolg und mündet manches Mal in schwerem Protest, so wie im Falle der großen Demonstrationen gegen das Corona-Regime, die letzten Endes mit Hilfe der Staatsgewalt unterdrückt werden mussten.

Der Testballon zerplatzte. Sowohl israelische als auch ägyptische Behörden erstickten den Spuk im Keim und komplementierten die NGO-Aktivisten wieder zurück in die Heimat. Für einen Moment der Heiterkeit während des schrägen NGO-Auftritts in Ägypten sorgte Israels Verteidigungsminister Israel Katz, der Ägypten aufforderte zu verhindern, dass diese „dschihadistischen Protestanten“ die Grenze zum Gazastreifen erreichen.

Die Linke hat den Punkt in der Geschichte erreicht, an dem die Grenzen zwischen Sozialdemokratie, linker Politik und sozialistischem Eiferertum kollabiert sind. Sein erratisches Auftreten, die mediale Überspanntheit und ideologische Radikalisierung zeigen, dass der linke Komplex von zentrifugalen Kräften dominiert wird, die ihn destabilisieren. Diese werden eines Tages auch das Band mit der noch immer geneigten Bevölkerung zerreißen.

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