Nigel Farage verspricht den Briten Massenabschiebungen

vor etwa 3 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Nigel Farage hat seinen britischen Wählern nicht weniger als Massenabschiebungen versprochen. Bei einer großen Pressekonferenz seiner Partei Reform UK trat er in der vergangenen Woche vor einer riesigen Union-Jack-Flagge auf und präsentierte seine neuen Pläne. Es war ein medial aufsehenerregender Auftritt, wie er ihn seit den Tagen des Brexit perfekt beherrscht. Seine Selbstsicherheit war unübersehbar, denn glaubt man den Umfragen, wird Reform UK die nächsten Wahlen gewinnen und Farage der nächste Premierminister.

Neben ihm auf der Bühne stand als Requisite eine große Abflugtafel, auf der Flüge nach Afghanistan, Eritrea und in den Iran verzeichnet waren. Unter dem Titel Operation Restoring Justice („Operation Wiederherstellung der Gerechtigkeit“) kündigte Reform UK an, Hunderttausende illegal eingereiste Menschen ausweisen zu wollen.

Auch in Deutschland wird inzwischen von ähnlich hohen Größenordnungen ausgegangen. Nach Einschätzungen des Pew Research Center leben hierzulande über eine Million Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus, einschließlich abgelehnter, aber weiterhin geduldeter Flüchtlinge.

Der Plan von Reform UK skizziert ein fünfjähriges Notfallprogramm. Kernstück wären tiefgreifende Gesetzesänderungen: Reform UK will die Europäische Menschenrechtskonvention verlassen, den Human Rights Act aufheben und ein neues Gesetz zur illegalen Migration (Mass Deportation Bill) verabschieden. Dieses Gesetz soll die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, der UN-Antifolterkonvention und des Europarats-Übereinkommens gegen Menschenhandel für fünf Jahre außer Kraft setzen. Auf die Frage nach der Umsetzbarkeit sagte Farage, ein Austritt aus der EMRK würde eine Neuverhandlung des Karfreitagsabkommens in Nordirland erfordern, dies sei jedoch möglich, wie in einer jüngsten Studie des Prosperity Institute, einer Denkfabrik aus London, dargelegt wurde.

Der Innenminister wäre künftig gesetzlich dazu verpflichtet, illegale Einwanderer abzuschieben. Jeder, der illegal nach Großbritannien käme, wäre dann automatisch vom Asyl ausgeschlossen. Da ihre Fälle nicht geprüft werden dürften, hätten illegale Einwanderer keinen Zugang mehr zu Berufungsinstanzen oder Gerichten, was schnelle Abschiebungen ermöglichen würde. Wer nach einer Abschiebung erneut illegal einreist oder absichtlich seine Ausweisdokumente zerstört (wie es bei den meisten Migranten, die via Ärmelkanal einreisen, der Fall ist), würde eine Straftat begehen. Diese könnte mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.

Abgeschobene illegale Einwanderer dürften als Folge nie wieder nach Großbritannien einreisen. Dieses Prinzip ist zentral im US-Modell: Wer sich freiwillig zur Rückkehr animieren lässt, wird unterstützt und kann später einen legalen Antrag stellen. Wer jedoch zwangsweise abgeschoben wird, bleibt lebenslang ausgeschlossen, genau wie im von Reform UK vorgestellten Plan.

Die Umsetzung soll durch ein neu geschaffenes UK Deportation Command erfolgen, das ein Illegal Migrant Identification Centre umfasst. Dieses Zentrum soll laut der Partei auf „modernster Datenfusion“ basieren, möglicherweise nach US-Vorbild, wo das Datenanalyse-Unternehmen Palantir für ähnliche Zwecke eingesetzt wird. Vorgesehen ist ein automatischer Datenaustausch zwischen Innenministerium, Gesundheitsdienst NHS, Steuerbehörde, Führerscheinamt, Banken und Polizei. Zwar hat die britische Verwaltung bei großen IT-Projekten in der Vergangenheit häufig Schwierigkeiten gehabt, dennoch betont Reform UK, dass eine solche Vernetzung technisch machbar und ohnehin längst notwendig sei.

Als „Anreiz“ für eine freiwillige Rückkehr sieht der Plan ein sechsmonatiges Zeitfenster vor, in dem illegale Einwanderer mit finanzieller Unterstützung und mithilfe einer eigens entwickelten App nach dem Vorbild der CBP Home App in den USA ihre Rückreise beantragen könnten. Nach Ablauf dieser Frist will Reform mit großangelegten Razzien beginnen. Zwar sei dieser Zeitraum notwendig, um Infrastruktur und Personal aufzubauen, doch im Vergleich zu den USA, wo es eine solche Frist gar nicht gibt, wäre er dennoch relativ kurz.

Bis zu fünf Abschiebeflüge sollen täglich starten. Ein RAF-Voyager-Flugzeug stünde ständig als Reserve bereit, falls ein Charterflug ausfällt. Das Außenministerium soll vorrangig Rücknahmeabkommen mit den wichtigsten Herkunftsländern aushandeln. Kooperative Länder erhielten weiterhin Hilfen, unkooperative müssten mit Visa-Sperren oder Sanktionen rechnen. Wenn Rückführungen weiterhin verweigert würden, wolle man Abkommen mit Drittstaaten schließen. Als letzte Möglichkeit kämen auch britische Überseegebiete wie die Ascension-Insel im Südatlantik infrage.

Reform UK schätzt die Kosten ihrer Pläne auf rund 10 Milliarden Pfund innerhalb von fünf Jahren. Nach eigener Darstellung handele es sich dabei sogar um eine massive Einsparung, da das derzeitige Asylsystem jährlich etwa 7 Milliarden Pfund verschlinge. Bemerkenswert war bei der anschließenden Fragerunde, dass die Idee von Massenabschiebungen kaum grundsätzlich hinterfragt wurde, selbst der Guardian konzentrierte seine Kritik vor allem auf die finanziellen Aspekte.

Hans-Georg Maaßen, der frühere Verfassungsschutzpräsident, betont hingegen, ein grundlegender Kurswechsel sei gar nicht notwendig, es genüge bereits, das bestehende Recht konsequent anzuwenden. Der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel zog kürzlich in der BZ eine ernüchternde Bilanz nach zehn Jahren: „Alles andere als offene Grenzen wäre nur mit Waffengewalt möglich gewesen.“ Doch welche Partei wäre heute tatsächlich bereit, Migration wirksam unter Kontrolle zu bringen und geltendes Recht konsequent umzusetzen, selbst wenn Medien und Teile der Politik sofort Widerstand leisten würden, sei es aus Angst vor „unschönen Bildern“ oder wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen?

Jedenfalls zeigt der Blick nach Großbritannien, wie sehr sich die Stimmung dort verändert hat: Labour betont inzwischen auf X lieber die eigenen Abschiebebemühungen, statt die Notwendigkeit von Massenabschiebungen grundsätzlich infrage zu stellen. Die politische Klasse passt sich zunehmend der öffentlichen Meinung an, und selbst Nigel Farage wurde in den vergangenen Monaten dafür kritisiert, diesen Kurs nicht schon viel früher eingeschlagen zu haben.

Fest steht: Die Sicherung der Grenzen und die Abschiebung von Personen ohne Aufenthaltsrecht sind in Großbritannien zum neuen politischen Konsens geworden. Die entscheidende Frage lautet nun, ob Deutschland diesem Beispiel folgen wird oder ob CDU, SPD, Grüne, FDP und andere Parteien weiterhin an ihrem „Fairness-Abkommen“ und einer faktischen Kartellabsprache in der Migrationspolitik festhalten. Ein politisch derart wichtiges wie brisantes Thema allein der AfD zu überlassen, erscheint jedenfalls kaum taktisch klug.

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