
Gut drei Jahre nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs zeichnen sich möglicherweise direkte Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien noch in dieser Woche ab. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte sich zu einem persönlichen Treffen mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin am Donnerstag in Istanbul bereit. Er werde auf Putin warten, schrieb Selenskyj auf der Onlineplattform X.
Der Kreml-Chef wies unterdessen ein europäisches Ultimatum zurück und forderte Verhandlungen „ohne Vorbedingungen“. Diese Formulierung bedeutet nach Einschätzung diplomatischer Kreise, dass Putin ohne vorherigen Waffenstillstand auf direkte russisch-ukrainische Verhandlungen dringt bzw. auf deren Wiederaufnahme.
Denn diese Gespräche waren bereits im Frühjahr 2022 nach übereinstimmenden Aussagen von Teilnehmern beider Seiten in Istanbul weit gediehen, ehe Kiew die Verhandlungen auf Druck aus London und Washington abbrach.
Die damals in Istanbul ausgehandelten Punkte – Verzicht der Ukraine auf einen Beitritt zur NATO, Beschränkung des ukrainischen Militärs auf eine rein defensive Größe – will Moskau, erweitert um die inzwischen neuen territorialen Realitäten, zur Grundlage weiterer Verhandlungen machen.
Was die Lage aktuell so schwierig macht, ist, dass Russland und der Westen unter der Formulierung „ohne Vorbedingungen“ jeweils etwas anderes verstehen. Der Westen will einen 30-tägigen Waffenstillstand. Verhandlungen sollen erst danach beginnen. In dieser Zeit sollen aber offenbar die Waffenlieferungen an die Ukraine weitergehen.
Aus russischer Sicht ist das inakzeptabel. Damit würde man militärische Vorteile aufgeben, heißt es in Moskau. Denn die Ukraine steht militärisch unter massivem Druck. Einige Experten sprechen bereits davon, dass der völlige Zusammenbruch der ukrainischen Armee nur noch eine Frage der Zeit sei. Insoweit würde eine sofortige Waffenruhe „ohne Vorbedingungen“ aus Moskauer Sicht nur der Ukraine nützen.
Alles in allem also eine vertrackte Lage. Abzuwarten bleibt, ob in dieser Woche in der Türkei der gordische Knoten hin auf dem Weg zu Friedensverhandlungen doch noch durchschlagen wird. Man sollte nicht allzu optimistisch sein, aber andererseits ist der einzige Mist, auf dem nichts wächst, der Pessimist.