Nach den Gipfeltreffen: Trumps Kalkül zur Annäherung an Moskau

vor etwa 3 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Der Alaska-Gipfel zwischen Putin und Trump sowie der darauffolgende Ukraine-Gipfel mit Selenskyj im Weißen Haus und Teilnahme aus Europa sind vorbei. Inzwischen ist es ein offenes Geheimnis, das Friedensabkommen zwischen Putin und Selenskyj wird auf Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland hinauslaufen. Ob es sich dabei letztlich um eine „faktische” oder eine juristische Anerkennung der russischen Kontrolle über die besetzten ukrainischen Gebiete handelt, ist zunächst einmal sekundär.

Der von Trump in Alaska freundlich empfangene Kremlchef soll demnach zu einem Einfrieren der Front in den Regionen Cherson und Saporischschja bereit sein, wenn Kiew im Gegenzug die gesamte Region Donezk Russland überlässt, also auch die Truppen aus dem noch nicht besetzten Teil abzieht und damit die für die Verteidigung des gesamten ukrainischen Ostens wichtigen Stellungen aufgibt. Im Gegenzug soll die Ukraine kleine Landstücke zurückerhalten, die Russland derzeit in den Gebieten Sumy und Charkiw besetzt hält. Zudem sollen die USA die Zugehörigkeit der Krim zu Russland anerkennen.

Trumps Bemühungen um Frieden in der Ukraine hängen auch mit der Erfüllung seiner Wahlversprechen zusammen. Geopolitisch verfolgt er damit jedoch auch das Kalkül, die US-Hegemonie vor dem Aufstieg neuer Rivalen zu sichern.

Die möglichen Zugeständnisse Trumps an Moskau sind nicht nur im Kontext der Friedensbestrebungen der US-Regierung zu verstehen. Trumps Strategie besteht nämlich auch darin, Moskau von dem Hauptrivalen der USA, China, abzukoppeln und Moskau zur Kooperation beim iranischen Atomprogramm zu bewegen.

Nicht wenige Beobachter glauben, hinter Trumps Annäherung an Moskau stehe eine Strategie, die als „Reverse Kissinger” bezeichnet wird, ein „umgekehrter Kissinger”. Damit wird auf den Vorstoß des US-amerikanischen Präsidenten Richard Nixon in den Hochzeiten des Kalten Krieges Bezug genommen, bei dem er versuchte, die beiden großen kommunistischen Mächte, die Sowjetunion und China, voneinander abzuspalten.

Das Verhalten Russlands in den vergangenen Monaten macht jedoch deutlich, Moskau gestaltet seine Beziehungen zu seinen Partnern eher nach kurzfristigen Kosten-Nutzen-Kalkülen als nach langfristigen strategischen Plänen. Vor allem für die USA sollte Russlands schwindender Einfluss im Nahen Osten Anlass zu weiteren Überlegungen geben. Moskaus jüngste Rückschläge im Nahen Osten – die Niederlage seines Verbündeten Iran im Krieg gegen Israel sowie der Sturz seines Verbündeten Baschar al-Assad in Syrien – haben eine grundlegende Tatsache verdeutlicht, die durch das chinesisch-russische Gerede von einer „besonderen Beziehung“ verschleiert wurde: Russland ist ein Schönwetterfreund.

Im Falle eines Konflikts zwischen den USA und China – beispielsweise um Taiwan – kann Washington damit rechnen, dass Moskau sich zurückhält, so wie es dies bei seinem Partner Iran im Nahen Osten getan hat. Nachdem Russland im Jahr 2022 seine Militäroperation in der Ukraine gestartet hatte, stellte der Iran Tausende tödliche Shahed-Drohnen zur Unterstützung bereit. Später erlitt Moskau einen Reputationsschaden im Nahen Osten, als israelische und US-amerikanische Streitkräfte im Juni iranische Atomanlagen bombardierten.

Vor diesem Hintergrund hat Moskau gezeigt, dass es bei anderen geopolitischen Streitthemen ganz flexibel und pragmatisch ist, obwohl es in der Ukraine das Narrativ der sogenannten „Nazi-Bekämpfung“ vertritt. In Teheran befürchtet man, dass sich Putin und Trump darüber abgestimmt hätten, den Iran weiter zu isolieren und eine Null-Urananreicherung-Linie im Iran zu fordern.

Die USA möchten sich nach der Beilegung der Konflikte im Nahen Osten und in der Ukraine auf ihren Hauptrivalen im Pazifikraum fokussieren und erwarten von Moskau, dass es sich nicht in diese Region einmischt. Russland wiederum möchte vor allem bei seinen bilateralen Verhandlungen mit den USA die Anerkennung der Annexion der Krim durch Russland erreichen. Im Gegenzug wird Trump von Putin vermutlich die Nicht-Einmischung in die Taiwan-Krise fordern. Dabei bewegt sich Trump aber auf einem schmalen Grat zwischen Deeskalation und totaler Eskalation im Südchinesischen Meer.

Dem auf den Pazifik blickenden Trump sollte jedoch klar sein, dass Peking genau verfolgt, welche Zugeständnisse er Russland macht. Bekäme Moskau die Anerkennung der Besatzungsgebiete von den Amerikanern, könnte das China dazu verleiten, auch die Kosten und Risiken einer militärischen Lösung der Taiwan-Frage als nicht unerträglich hoch einzustufen.

Mögliche Abmachungen zwischen Putin und Trump stellen unter anderem Europa vor eine Herausforderung. Im ungünstigsten Fall könnte es dem Kreml gelingen, einen Ausgleich mit den USA zu finden, ohne die Partnerschaft mit China vollständig zu verlieren. Sollte sich der Kreml mit Washington beim iranischen Atomprogramm abstimmen, wird auch die EU bald zu den Verlierern im Nahen Osten gehören.

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