Den Krieg gegen Russland um jeden Preis gewinnen, schlägt jede Innenpolitik

vor 2 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Warum reisen andauernd Bundespolitiker nach Kiew? Wann packen die endlich statt dessen den riesigen Problemberg an? Solche Fragen stellen interessierte Bürger wie aufmerksame Beobachter immer häufiger – „Haupstadtjournalisten“ und alte Medien so gut wie nicht. Im politmedialen Betrieb gilt im Gegenteil die strenge Regel, bloß nach nichts unangenhm fragen oder gar kritisieren, was der AfD nutzen könnte. Und der AfD nutzt natürlich alles, was der Herrschaftsklasse unangenehm ist.

Unter den Berufspolitkern selbst gilt, sie haben das wirkliche Geschehen außerhalb des Politbetriebs gar nicht im Blick. Müssen sie auch nicht. Polit-Berlin-Mitte dreht sich um sich selbst. Je kritischer die Lage, desto mehr igeln sich die zwei, drei Dutzend Hauptakteure ein. Weil sie dann eben noch mehr mit sich selbst zu tun haben. Merz hat das unabsichtlich neulich im Sommerinterview selbst erklärt.

Zuerst ist da der „Koalitionsvertrag“. Wichtig ist nicht, was drin steht, sondern was nicht. Das schützt gegen neue Forderungen. Nicht absolut, aber wenn man mauern will, schon. Um neue Fragen, stellen sie sich wie die Verfassungsrichterwahl als kitzlig heraus, muss man „kämpfen“. Erstmal müssen Union und SPD sich einigen,  sagt Merz, erst danach spricht man mit Grünen und SED-Die Linke, weil es eine Zweidrittelmehrheit braucht (die mit der AfD nicht erlaubt ist).

Merz verschweigt die FDP-Walter-Scheel-Regel: Wirklich wichtige Entscheidungen werden ausnahmslos von Gremien getroffen, die es nicht gibt. Sagte CDU-Merz der fragenden Journalistin im ZDF-Sommerinterview, mit Grünen und Linken werde erst gesprochen, wenn es Einigkeit in der KleiKo gibt, stimmt das selbstverständlich nicht. Das sagt er, um die Journalistenfrage nicht beantworten zu müssen, ob er das schon getan hat (außerdem wäre das nicht Kanzler-Aufgabe, sondern Fraktionssache). SPD- und CDU-Leute tun das natürlich schon deshalb weit vorher, weil die Einigung in der Koalition nichts wert wäre, ohne zu wissen, ob die stillen Teilhaber mitmachen. Und zu welchem Preis.

Wie kann Merz von welchem Einsatz der Bundeswehr auch immer sprechen, wo es doch außer der (unfertigen) Litauenbrigade und ein paar kleinen Spezialeinheiten gar keine gibt, fragte ein Kollege, wisse Merz das denn nicht? Die riesigen Stäbe im Kanzleramt legen natürlich permanent Papiere vor, denen man das Tatsächliche in der Bundeswehr entnehmen kann. Merz wird das eine und andere gelesen und gehört haben. Eine Rolle spielt das nicht. Es muss ja keine Bundeswehr geben, um von ihr zu sprechen, solange Haupstadtjournalisten der alten Medien transportieren, was Merz sagt. Für diese kommt etwas anderes nicht infrage, wollen sie nicht das nächste Mal im Kanzlerflieger keinen Platz mehr finden. Was auch den Verlust ihrer Haupstadtrolle nach sich zöge. Drucken, senden (und dafür bezuschusst werden) ist wichtig – nicht was.

Den Ankündigungen des Kanzlers und anderer Hauptstadtchefsprecher muss keine Substanz zugrunde liegen. Die Ankündigung, ihr Abdruck, ihre Sendung genügt. Bis zur nächsten Ankündigung, die das Gegenteil sagen kann, oder aus der Behauptung bestehen, das habe man beim letzten Mal auch schon gesagt. Nahezu unschlagbar ist eine mittlerweile schon preisverdächtige Merz-Formel:

Ich stelle mich auf einen langen Krieg in der Ukraine ein. Wir versuchen, ihn so schnell wie möglich zu beenden, aber nicht zum Preis der Kapitulation der Ukraine. Denn dann verliert das Land seine Eigenständigkeit. Dann ist morgen das nächste Land dran und übermorgen wir.

Das trägt die ganze Legislaturperiode bis 2028, sofern es dabei bleibt, aber auch in einem nächsten Bundestagswahlkampf – und bis zum Ende des Ukrainekrieges in welcher Form und wann auch immer.

Wie gesagt, Berufspolitker haben die Wirklichkeit gar nicht im Blick. Müssen sie auch nicht. Polit-Berlin-Mitte dreht sich um sich selbst. Je kritischer die Lage, desto noch mehr haben die zwei, drei Dutzend Hauptakteure dann mit sich selbst zu tun. Und wurden sie nicht abgewählt, drehen sie sich noch immer.

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