
Die Fotos sind verwackelt wie klassische Bilder einer Observation. Die Berichte über einen Auftritt der Brandenburger CDU-Abgeordneten Saskia Ludwig beim Sommer-Fest des Matthias-Corvinus-Collegiums (MCC) im Ungarischen Esztergom lesen sich wie aus einer IM-Akte der Stasi.
Was war geschehen?
Saskia Ludwig war auf Einladung der konservativen Budapester Denkfabrik auf einer Veranstaltung, bei der auch AfD-Chefin Alice Weidel zu Gast war. Die Fotos zeigen Ludwig im ungezwungenen Gespräch mit Weidel, freundlich lächelnd, entspannt. Kein Skandal, keine Straftat, keine Koalitionsgespräche oder anderes politisches „Teufelszeug“. Allein die Anwesenheit Ludwigs und die Begegnung mit Weidel schlugen in einigen Medien hohe Wellen. Sprecher der Union distanzierten sich anlasslos. Sicher ist sicher.
Eine freundliche Begrüßung: eigentlich kein Skandal
„Frau Ludwig hat an der Veranstaltung nicht im Auftrag der Fraktion und ohne Wissen der Fraktionsführung teilgenommen“, ließ sich eine Sprecherin der Unionsfraktion zitieren. Sie betonte den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der AfD, der weiter gelte und jede Zusammenarbeit ausschließe. „An diesen ist jedes CDU-Mitglied gebunden.“ Der Chef des Jungen Sozialflügels der CDU Brandenburg (JCDA), Gregory Gosciniak, nicht eben ein politisches Schwergewicht, sagte, Ludwig habe ihr Vertretungsrecht „endgültig verwirkt“. Und Brandenburgs CDU-Generalsekretär Gordon Hoffmann gab gegenüber rbb|24 zu Protokoll: „Es gibt einen klaren Parteitagsbeschluss, der Koalitionen mit der AfD ausschließt. Das gilt so lange, bis ein Bundesparteitag etwas anderes beschließt“.
Alles in allem ein ebenso harmloser wie bizarrer Vorgang, der an die künstliche Aufregung erinnert, als vor zwei Jahren Entertainer Harald Schmidt auf einem Foto mit Ex-Spiegel-Feuilletonchef Matthias Matussek und Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen beim Sommerfest der Schweizer „Weltwoche“ in Zürich gesehen wurde.
Ja und, würde ein unbefangener Zeitgenosse fragen und damit den Kern der Sache treffen. Ludwig kann und darf ohne Genehmigung von Partei und Fraktion reisen, wohin sie will. Sie hat in Esztergom weder Verträge mit Viktor Orbán geschlossen, noch eine Koalition mit der AfD vorbereitet. Überhaupt trifft Ludwig in Sitzungswochen Alice Weidel womöglich täglich im Bundestag und sagt freundlich „Guten Tag“.
Wenn ehedem Linken-Abgeordnete bei Hugo Chavez oder Fidel Castro zu Gast waren, schlugen die Wellen nicht halb so hoch. Überhaupt illustriert der Vorgang, dass die verstörend autoritäre Methode, Kontakte von Mitmenschen mit anklagender Pose zu vermelden, an ihre Grenzen stößt. Ludwig selbst nannte es völlig zu Recht gegenüber NIUS eine „Selbstverständlichkeit, mich mit verschiedenen Besuchern auszutauschen, ohne Angst vor Repressionen haben zu müssen“. Eine Freiheit, die auch und vor allem dank Ungarn durch die Grenzöffnung im Sommer 1989 zu einer Selbstverständlichkeit geworden sein sollte.
Die Macht festzulegen, wer sich mit wem sehen lassen darf, hat glücklicherweise heute niemand mehr. Und das ist auch gut so. Wer daran etwas ändern will, möchte das Rad der Geschichte offenbar mehr als 35 Jahre zurückdrehen. Gut, dass sich Saskia Ludwig davon nicht beeindrucken lässt und sich hinterher in aller Ruhe in den Urlaub verabschiedet hat.
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