
Sein Lebensstil gilt als großspurig, sein Spitzname „Schampus Max“ kommt nicht von ungefähr – und so passte die Anekdote perfekt ins Weltbild derer, die ihn kritisch beäugen oder sogar verachten: Jüngst verbreitete ZDF-Moderator Jan Böhmermann, dass der einstige AfD-Spitzenkandidat zur Europawahl, Maximilian Krah, im Käferzelt auf dem Münchener Oktoberfest 200 Flaschen Champagner bestellt habe. Um „das ganze Zelt“ einzuladen, wie es heißt. Nun setzt sich Krah gegen diese Erzählung juristisch zur Wehr. Der Fall könnte vor Gericht landen. NIUS liegen zwei Abmahnschreiben vor, die an den ZDF-Satiriker und seine Kollegin Nicole Diekmann verschickt wurden. Zuvor hatte die WELT darüber berichtet. Konkret geht es um eine Anekdote, die Böhmermann am 5. Oktober in seinem Podcast „Fest und Flauschig“ unter Berufung auf eine pseudonyme Quelle namens Toni verbreitete. Eine Geschichte des „antifaschistischen Widerstands“, wie er stolz verkündete. Die Quelle habe Böhmermann zugetragen, so die Erzählung, dass Maximilian Krah beim Oktoberfest blamiert worden sei: Nachdem er dort 200 Flaschen Champagner bestellt habe, hätte ihn eine Person erkannt und den Zeltwirt über die Anwesenheit des „Ober-Tiktok-Faschos“ informiert.
Der Wirt habe daraufhin die Bestellung storniert und „Love and Peace“-Musik gespielt. „Anschließend sollen die Besucher Krah lautstark ausgebuht und mit Stinkefingern abgestraft haben. „Ich liebe Toni einfach dafür, weil er für einen Moment die Welt ein bisschen besser gemacht hat und alle an einem Strang gezogen haben. Seid wachsam. Fuck AfD“, schloss Böhmermann seine Anekdote.
Die Nachricht verbreitete sich schnell; T-Online, Stern und BILD griffen die Geschichte auf. RTL stellte eigene Recherchen zu dem Fall an. Die ZDF-Journalistin Nicole Diekmann verbreitete gar einen Clip des Podcast auf X, welcher bis Samstag fast 500.000-mal gesehen wurde. Doch nun könnte die Schampus-Posse vor Gericht landen.
Denn Krah geht erstmals juristisch gegen Böhmermann vor. In einem mehrseitigen Abmahnungsschreiben der Kanzlei LHR aus Köln, welches NIUS vorliegt, will der 47-jährige AfD-Politiker durchsetzen, dass Böhmermann eine Unterlassungserklärung abgibt. Zudem soll der ZDF-Moderator verpflichtet werden, in der nächsten Podcast-Folge eine Gegendarstellung aus Sicht Krahs zu formulieren. Außerdem stellt Krah Böhmermann Anwaltskosten in Höhe von gut 2.000 Euro in Rechnung. Auch ZDF-Journalistin Diekmann erhielt ein Abmahnungsschreiben, das NIUS vorliegt. Schon unter dem verbreiteten Clip kommentierte Krah unlängst: „Klingt lustig, ist halt nur kompletter Unsinn.“
Auch gegen ZDF-Journalistin Diekmann geht die Kanzlei LHR vor.
In der Begründung führt Krahs Rechtsanwalt aus, dass Böhmermann „unwahre Tatsachenbehauptungen“ über seinen Mandanten verbreitet habe, den er durch den Satiriker als diffamiert, herabgesetzt und beschimpft sieht. „Die Behauptung, dass unser Mandant 200 Flaschen Champagner in der Käfer Wiesn-Schänke bestellt habe, trifft nicht zu.“ Dass diese Bestellung storniert worden sei, könne somit auch „denklogisch nicht stimmen“.
Weiter heißt es: „Jemand, der öffentlichkeitswirksam 200 Flaschen Champagner im Wert von ca. 30.000 € bestellt, um das gesamte Käferzelt einzuladen, demonstriert Großspurigkeit, Selbstdarstellung und starkes Geltungsbedürfnis.“ Ein solches Verhalten zeichne das Bild eines Politikers, der nach Aufmerksamkeit strebe, zur öffentlichen Inszenierung neige und demonstrativ seinen Reichtum und seine Macht zur Schau stelle. „Die Ansicht, dass diese Charakterzüge auf unseren Mandanten zutreffen, steht Ihnen frei“, heißt es in dem Schreiben an Böhmermann. „Rechtswidrig ist jedoch der Versuch, diese Meinung durch falsche Tatsachenbehauptungen zu untermauern.“
Dabei sieht die Kanzlei auch besonders journalistische Sorgfaltspflichten durch Böhmermann verletzt. Dieser habe Krah vor Verbreitung der Anekdote nie die Möglichkeit gegeben, Stellung zum angeblichen Vorfall zu beziehen. „Dass Ihre Veröffentlichungen meist nicht mit der erforderlichen journalistischen Sorgfalt recherchiert werden und daher oft aus ungeprüften Spekulationen und haltlosen Vorwürfen und damit letztlich aus bloßen Diffamierungen bestehen, ist seit längerem hinlänglich bekannt“, so die Anwälte.
Gegenüber NIUS beharrt Krah darauf, dass er keinen Champagner an dem besagtem Abend bestellt hat. Vielmehr sei es jemand von seinem Tisch gewesen, der die Flaschen bestellt habe, – „allerdings nicht 200, nicht mal 100, sondern deutlich weniger“, wie Krah versichert. Auch habe die Bestellung nicht dem Zelt gegolten, sondern lediglich dem eigenen Tisch. „Ich hörte, dass nach einiger Zeit – ich war schon längst weg – die Kellner als nette Geste eingeladen wurden, weil einfach was übrig war. Aber ich war da längst im Hotel“, so der AfD-Politiker. Er selbst sei an dem Abend erkältet gewesen und habe weder lange gefeiert, noch viel getrunken.
In seiner Gegendarstellung für das Gericht stellt Krah fest: „Ich habe noch nie 200 Flaschen Champagner bestellt.“
Inzwischen legen auch Recherchen anderer Medien nahe, dass die Geschichte, wie sie von Böhmermann verbreitet wird, nicht stattgefunden haben kann. „Personen, die mit dem Vorfall im Zelt ebenfalls vertraut sind, berichten, dass die Bestellung rund 50 Flaschen betragen haben soll“, schreibt der Stern. Der Wirt des Zelts, Michael Käfer, führte zudem aus, dass ihm „nichts bezüglich Tumulten, Aufregung, Buh-Rufen oder Stinkefingern zu Augen oder Ohren gekommen“ sei.
Der Wiesnwirt Michael Käfer (links auf dem Bild) beim diesjährigen Oktoberfest.
Ein Gast habe ihn darauf aufmerksam gemacht, dass sich Krah im Zelt befinde, so der Wirt im Stern. Der Gast habe ihn anschließend gebeten, „ob die Band nicht eine besonders positive Musik machen könnte. Dem bin ich nachgekommen“. Eine Bestellung sei jedoch nicht storniert worden. Kontakte mit Böhmermann habe Käfer im Vorfeld der Ausstrahlung ebenfalls nicht gehabt. Der Focus berichtet, dass das Personal von der Anwesenheit Krahs im Zelt „erst im Nachhinein durch andere Gäste erfahren“ habe.
Inzwischen hat Böhmermann mehrere Aktualisierungen der Podcastfolge veröffentlicht, in denen er die Sichtweise Käfers nachträglich in die Folgebeschreibung ergänzte. Ob er die Tatsachenbehauptung untermauern kann, wird sich Anfang kommender Woche entscheiden. Am Dienstag laufen die Fristen für Böhmermann und seine Kollegin Nicole Diekmann ab, die Unterlassungserklärungen zu unterschreiben. Sollten sie die Abmahnungen nicht unterzeichnen, will Krah vor Gericht ziehen.
Auch bei NIUS: Jan Böhmermann wollte einen Menschen vernichten.